European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0080NC00018.20V.0729.000
Spruch:
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Graz-Ost bestimmt.
Begründung:
Der Kläger begehrt von der Beklagten, die ihren Sitz in Ägypten hat, die Zahlung einer Entschädigung aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (FluggastrechteVO). Der Kläger habe drei von der Beklagten am 1. 9. 2017 geplante Flüge von Graz nach Marsa Alam gebucht, die ihr Ziel erst mit mehr als drei Stunden Verspätung erreicht hätten.
Das angerufene Bezirksgericht Graz-Ost wies die Klage mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 18. 11. 2019 mangels internationaler Zuständigkeit zurück.
Der Kläger beantragte am 6. 7. 2020 beim Obersten Gerichtshof gemäß § 28 JN die Ordination des Bezirksgerichts Graz-Ost als örtlich zuständiges Gericht in Österreich.
Rechtliche Beurteilung
Die Voraussetzungen für eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben.
1. Der Kläger stützt seinen Antrag insbesondere auf eine Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland (§ 28 Abs 1 Z 2 JN). Eine solche Unzumutbarkeit wird nach der Rechtsprechung insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt würde und eine Exekutionsführung im Inland geplant ist (RIS-Justiz RS0046148).
Zwischen Österreich und Ägypten besteht kein Abkommen über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der FluggastrechteVO. Eine Vollstreckung eines Exekutionstitels aus Ägypten wäre dem Kläger mangels Gegenseitigkeit (vgl Garber in Angst/Oberhammer , EO 3 § 79 Rz 19) daher nicht möglich.
2. Die nach der in Rede stehenden Bestimmung erforderliche allgemeine Voraussetzung des Naheverhältnisses zum Inland ist hier im Hinblick auf den Wohnsitz des Klägers in Österreich erfüllt; zudem lag der vertraglich vereinbarte Abflugort in Graz.
3. Da der Kläger seinen Anspruch aus der FluggastrechteVO, einem unionsrechtlichen Sekundär-rechtsakt ableitet, sind überdies alle interpretativen Möglichkeiten auszuschöpfen, um bei einem ausreichenden Inlandsbezug Fluggästen, die von einem in der Europäischen Union gelegenen Flughafen abfliegen, die Durchsetzung von in der FluggastrechteVO normierten Ansprüchen auch gegen ein Flugunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat zu ermöglichen (6 Nc 1/19b = ZVR 2019/114 [zust Mayr ]; siehe allgemein EuGH C‑274/16, flightright ) . Für solche Ansprüche haben die Mitgliedstaaten nach Art 47 GRC einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sicherzustellen (vgl RS0132702).
4. Für die Auswahl des zu ordinierenden Gerichts ist nach der Rechtsprechung auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung der vorliegenden Rechtssache an das Bezirksgericht Graz-Ost zu erfolgen, weil der vertragsgemäße Abflugort im Sprengel dieses Gerichts gelegen war; zudem wurde die Klage bei diesem Gericht bereits behandelt.
5. Der Ordinationsantrag ist daher berechtigt (vgl ua 2 Nc 12/19s; 5 Nc 20/19i; 8 Nc 32/19a).
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