OGH 7Ob82/04s

OGH7Ob82/04s21.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller 1. Isac D*****, geboren am 16. Oktober 1960, 2. Ovidiu R*****, geboren am 9. November 1977, beide: *****, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Steyr als Rekursgericht vom 17. Februar 2004, GZ 1 R 32/04f-7, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Enns vom 30. Dezember 2003, GZ 3 P 108/03h-3, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Antragsteller beantragten die gerichtliche Bewilligung der Annahme an Kindesstatt des im November 1977 geborenen rumänischen Wahlkindes (Zweitantragsteller) durch seinen im Oktober 1960 geborenen Onkel als österreichischen Wahlvater (Erstantragsteller). Aufgrund des (zu geringen) Altersunterschiedes sei eine Adoption auch durch die im August 1968 geborene Ehegattin des Erstantragstellers nicht möglich; sie stimme der Adoption für sich und für ihre 8 Kinder allerdings ausdrücklich zu. Zwischen dem Anzunehmenden und der Familie bestehe seit Jahren ein enger Kontakt. Der Zweitantragsteller sei in Rumänien in einem Kinderheim aufgewachsen, weil er praktisch keine leiblichen Eltern habe; seine Eltern seien nämlich Alkoholiker und wollten mit ihm nichts zu tun haben. Seit seinem 7. Lebensjahr besuche er immer wieder die Familie des Erstantragstellers in Österreich. Zwischen den Antragstellern habe sich, begünstigt durch die Tatsache, das der Anzunehmende - wie bereits erwähnt - praktisch keine leiblichen Eltern habe, eine Vater-Sohn-Beziehung entwickelt. Es sei geplant, dass dieser bei Bewilligung der Adoption entweder in Österreich in seinem erlernten Beruf als Tischler Arbeit finde oder im Betrieb des als Maler und Anstreicher selbständig tätigen Wahlvaters mitarbeite. Trotz der 8 Kinder im Alter zwischen 6 Monaten und 13 Jahren ergebe sich in finanzieller Hinsicht keine Belastung, weil der Wahlvater ausreichend verdiene. Durch die Adoption hätte der Anzunehmende die Möglichkeit sich ein wirtschaftlich abgesichertes Leben aufzubauen und würde auch die Möglichkeit bestehen, dass er im Haushalt und bei der Kinderbetreuung mithilft, da er im Haus (der Familie) wohnen werde. Über die familien- und erbrechtlichen Konsequenzen der Adoption, die bewusst in den Adoptionswillen aufgenommen würden, seien sich die Antragsteller im Klaren. Es ergebe sich somit, dass zwischen ihnen eine Beziehung bestehe, wie dies einem Eltern-Kind-Verhältnis entspreche.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Adoption mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht bewilligt werde. Die aus den vorgelegten Urkunden und Melderegisterabfragen getroffenen Feststellungen, dass

- er am 11. 11. 1989 vor dem Standesamt ... in Rumänien mit seiner am

2. 8. 1968 geborenen Gattin die Ehe geschlossen habe;

- dieser Ehe bisher 8 Kinder entstammten;

- er seit 17. 7. 2003 in 4481 Asten, ... gemeldet sei

- er der Onkel des am 9. 11. 1977 in ..., Rumänien geborenen

Wahlkindes sei, das als rumänischer Staatsbürger seit 10. 12. 2003

ebenfalls in 4481 Asten, ... gemeldet sei;

- frühere Wohnsitze des Wahlkindes in Österreich nicht aktenkundig

seien;

- das Wahlkind am 10. 12. 2003 laut Melderegisterabfrage unter dem

Titel "Zuzug eines Fremden aus dem EU-Raum" in 4481 Asten ... als

Hauptwohnsitz angemeldet worden sei;

beurteilte es - iVm den weiteren Antragsbehauptungen - rechtlich wie folgt:

Der Altersunterschied zwischen den Parteien betrage rund 17 Jahre und 1 Monat. Der in § 180 Abs 2 ABGB geforderte Zeitraum von 18 Jahren könne geringfügig unterschritten werden, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind bereits eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestehe. 11 Monate - wie gegenständlich - seien nicht mehr als geringfügig anzusehen. Außerdem sei "geradezu ausgeschlossen", dass die behauptete Vater-Sohn-Beziehung iSd § 180 Abs 2 ABGB bestehe, da das Wahlkind erst am 10.12.2003 unter dem Titel "Zuzug eines Fremden aus dem EU-Raum" in Asten angemeldet worden sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung. Die hier nötige Altersdifferenz von (nur) 16 Jahren (§ 180 Abs 2 Satz 2 ABGB) werde von den Antragstellern zwar nicht unterschritten, sodass der vom Erstgericht primär herangezogene Abweisungsgrund nicht erfüllt sei. Dem Erfordernis des gerechtfertigten Anliegens des Annehmenden oder des Wahlkindes bei der Erwachsenenadoption werde jedoch nicht entsprochen, weil schon nach dem Antragsvorbringen nicht zu erkennen sei, worin ein solches - abgesehen von einer allenfalls beabsichtigten Umgehung fremdenrechtlicher Bestimmungen, die jedoch nach stRsp kein gerechtfertigtes Interesse an der Adoption darstelle - bestehen sollte. Da die Richtigkeit der Argumentation, es sei geradezu ausgeschlossen, dass die behauptete Vater-Sohn-Beziehung iSd § 180 Abs 2 ABGB bestehe, somit nicht weiter "zu durchleuchten" sei, liege die in diesem Zusammenhang gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig und berechtigt.

Aus den von den Antragstellern vorgelegten sichtlich unbedenklichen Urkunden geht hervor, dass das Wahlkind über eine portugisische Arbeitserlaubnis verfügt und damit ungehindert in Österreich einreisen kann.

Die Adoption ist - auch unter Verwandten - zu bewilligen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 179 ff ABGB vorliegen (vgl 5 Ob 139/03g mwN).

Hiezu zählt gemäß § 180a Abs 1 Satz 3 ABGB bei der Erwachsenenadoption, dass ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegen muss. Dieses Erfordernis soll der erhöhten Missbrauchsgefahr bei der Erwachsenenadoption begegnen (RIS-Justiz RS0048764; zuletzt 6 Ob 111/03x mwN). Wegen der erhöhten Missbrauchsgefahr ist hiebei ein strenger Maßstab anzulegen (5 Ob 139/03g; 2 Ob 254/03x mwN).

Dem Rekursgericht ist zuzugeben, dass ein solches Anliegen im Sinne der zitierten Gesetzesstelle nicht erkennen wäre, wenn hier tatsächlich nur von einer Unterstützung des Onkels für seinen Neffen zum Zweck des Aufbaues eines wirtschaftlich abgesicherten Lebens auszugehen wäre, die der Wahlvater auch ohne Adoption fortsetzen könnte; hält sich doch das erwachsene Wahlkind ohnehin bereits in Österreich im Haus der Wahlfamilie auf (vgl 5 Ob 139/03g). Sollte daher die Umgehung fremdenrechtlicher Bestimmungen beabsichtigt sein, würde dies kein gerechtfertigtes Interesse an der Adoption darstellen (vgl 10 Ob 306/02a mit Hinweis auf 7 Ob 102/02d, wonach die [ausschließliche] Erleichterung des Erhaltes einer Arbeits- und/oder Aufenthaltsbewilligung, ohne die vom Gesetz geforderte personenbezogene und die grundsätzlich auch bei einer Erwachsenenadoption geforderte familienrechtliche Begründung [Herstellung] einer [zusätzlichen] Eltern-Kind-Beziehung, jedenfalls zu wenig wäre und die bloße Umgehung fremdenrechtlicher Bestimmungen kein gerechtfertigtes Interesse an der Adoption darzustellen vermag [unter Zitat von Stabentheiner in Rummel I3 Rz 1 zu §180a ABGB;

Schwimann in Schwimann I2 Rz 2 zu §180a ABGB; unter ausdrücklicher Billigung von EFSlg 93.213, LG für ZRS Wien; RIS-Justiz RS0116687;

zuletzt: 5 Ob 139/03g).

Dem Standpunkt, dass dem Antrag kein (anderes) Vorbringen zu

entnehmen und daher nicht ersichtlich sei, worin hier ein

gerechtfertigtes Anliegen bestehen sollte, vermag sich der erkennende

Senat jedoch nicht anzuschließen. Im bisherigen Verfahren blieb

vielmehr ungeprüft, ob die - in den eingangs dargestellten

Antragsbehauptungen mehrfach geltend gemachte - angeblich bereits ab

dem 7. Lebensjahr des Wahlkindes entwickelte Vater-Sohn-Beziehung zum

Annehmenden tatsächlich besteht, und daher ein "gerechtfertigtes

Anliegen" (§ 180a Abs 1 Satz 3 ABGB) der Antragsteller vorliegt, oder

ob der von den Vorinstanzen gehegte Verdacht, es sei nur die Umgehung

fremdenrechtlicher Bestimmungen beabsichtigt, begründet ist. Diese

Prüfung wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

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