European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E122001
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen beider Parteien werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Für die beiderseitige Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend (RIS‑Justiz RS0057303 [T3]). Dabei müssen die Eheverfehlungen in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei berücksichtigt werden muss, inwieweit diese einander bedingt haben bzw ursächlich für das Scheitern der Ehe waren (RIS‑Justiz RS0057223).
1.2. Bei beiderseitigem Verschulden muss ein sehr erheblicher Unterschied im Grad des Verschuldens gegeben sein, um ein überwiegendes Verschulden eines Teils annehmen zu können (RIS-Justiz RS0057057, RS0057858). Der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten hat also nur dort zu erfolgen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt, sodass neben dem eindeutigen Verschulden des einen Teils das Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt, weil das überwiegende Verschulden grundsätzlich dem Alleinverschulden gleichsteht (RIS-Justiz RS0057821 [insb T6]). Es sind daher hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs nicht subtile Abwägungen vorzunehmen, sondern es soll im Scheidungsurteil nur das erheblich schwerere Verschulden eines Teils zum Ausdruck kommen (RIS-Justiz RS0057325).
1.3. Die Beurteilung, welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen Teil das überwiegende Verschulden trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls, die – abgesehen von Fällen krasser Fehlbeurteilung – regelmäßig nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen und daher nicht revisibel ist (RIS-Justiz RS0118125; RS0119414).
2. Der Revision der Klägerin ist zuzugestehen, dass nach der Rechtsprechung eine schwere Eheverfehlung dann nicht vorliegt, wenn für die Strafanzeige das beleidigte Rechtsgefühl oder Angst um das eigene Leben oder die Gesundheit maßgebend waren, wohl aber wenn die Anzeige durch eine feindliche Einstellung und ein Rachegefühl gegen den Ehegatten ausgelöst wurde (RIS-Justiz RS0056912, RS0056898, RS0056902).
Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist und von der Revision der Klägerin auch nicht aufgezeigt wird, inwiefern sie durch den von ihr im Revisionsverfahren noch bekämpften Ausspruch rechtlich benachteiligt ist (vgl 9 Ob 317/00h), legt sie auch nicht dar, warum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls die Einschätzung, dass der Klägerin auch ein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten ist, nicht im Einklang mit den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen erfolgt und als unvertretbar anzusehen wäre. Im vorliegenden Fall traten neben den Wunsch der Klägerin, die Kinder vor Missbrauch zu schützen, die Umstände, dass sie viele Zeichen falsch wertete, sie nur belastenden Hinweisen nachging, und sogar durch suggestive Fragestellung an die Kinder die Sachverhaltsermittlung beeinflusste, sie hingegen gegenteilige Anzeichen nicht wahrnahm und ihm gleichzeitig eine – jedenfalls erkennbar aufgrund einer „Ferndiagnose“ ohne sachliches Substrat gemutmaßte, tatsächlich nicht vorliegende – psychische Erkrankung unterstellte. Dies im vorliegenden Einzelfall als Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung und sohin als eine – wenn auch gegenüber dem Verschulden des Beklagten weit in den Hintergrund tretende – Eheverfehlung anzusehen, ist keine aufzugreifende eklatante Überschreitung des den Vorinstanzen in dieser Frage eingeräumten Ermessens (vgl RIS-Justiz RS0044088).
3.1. Der Revision des Beklagten ist zu erwidern, dass Beweiswürdigung und Feststellungen der Tatsacheninstanzen im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbar sind (RIS-Justiz RS0069246). Es gehört zur Beweiswürdigung, wenn die Tatsacheninstanzen der Ansicht sind, dass weitere Beweise an dem festgestellten Sachverhalt nichts ändern könnten; auch diese sogenannte vorgreifende Beweiswürdigung ist in der dritten Instanz nicht überprüfbar (vgl RIS-Justiz RS0043099). Ein Berufungsverfahren wäre nur dann mangelhaft, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge überhaupt nicht befasst hätte (RIS-Justiz RS0042993 [T1]), was hier nicht zutrifft.
3.2. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt und im Licht der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze vermag auch der Beklagte keine Umstände aufzuzeigen, warum der Ansicht der Vorinstanzen, wonach er durch sein Verhalten die Zerrüttung überwiegend verschuldet hat, eine erhebliche Fehlbeurteilung zugrundeliegen sollte. Dass der Klägerin auch eine Eheverfehlung zur Last liegt, haben die Vorinstanzen ohnehin erkannt.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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