Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
In der vorliegenden, auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines vom Kläger zum beklagten Kind abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses gerichteten Rechtssache bestellte das Erstgericht nach Erörterung in der ersten, vorbereitenden Tagsatzung einen medizinischen Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens darüber, „ob der Kläger aufgrund der gentechnischen Merkmale bei der Kindesmutter und den Streitteilen von der Vaterschaft zum beklagten Kind auszuschließen ist".
Gegen diese Entscheidung erhob die auf Seiten der beklagten Partei als Nebenintervenientin beigetretene Mutter Rekurs, dem sich in der Folge auch das zum Kollisionskurator bestellte Jugendamt (mittels eines formlosen, an das Erstgericht gerichteten Faxes) „vollinhaltlich anschloss".
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Nebenintervenientin zurück und sprach aus, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz führte hiezu (zusammengefasst) aus, dass gemäß § 366 Abs 1 ZPO (dessen Verfassungsgemäßheit der Oberste Gerichtshof bereits bestätigt habe) gegen einen Beschluss, durch welchen eine schriftliche Begutachtung angeordnet werde, ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statthaft sei, wodurch derartige Zwischenstreite vor der Endentscheidung vermieden werden sollten. Außerdem werde durch die Aufnahme von Beweisen grundsätzlich noch nicht im Sinne einer erforderlichen Beschwer (Rechtschutzinteresse) in die Rechtsphäre einer Partei eingegriffen, berühre doch eine (uU) überflüssige Beweisaufnahme zunächst nicht deren Rechtsstellung, sondern höchstens deren wirtschaftliches Interesse, den Verfahrensaufwand möglichst gering zu halten; nur ein Zuwenig an Beweisen, nicht aber ein Zuviel (im Sinne einer unnötig verbreiterten Entscheidungsgrundlage) begründe eine solche Beschwer. Allerdings bestehe zur gesonderten Anfechtbarkeit eine unterschiedliche Rechtsprechung, weshalb der Revisionsrekurs zuzulassen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf die Rechtsmittelgründe der Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Nebenintervenientin - dem sich wiederum das Jugendamt als Kollisionskurator des minderjährigen Kindes in einem beigelegten Fax „vollinhaltlich" anschloss - mit dem Antrag, die bekämpften Beschlüsse beider Vorinstanzen zu „beheben" und die Klage (sogleich) abzuweisen, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die Vorinstanzen „zurückzuweisen" (gemeint wohl: zurückzuverweisen) und auszuführen, „dass der vom Kläger ohne Zustimmung der Mutter der Beklagten eingeholte DNA-Vaterschaftsnachweis prozessual nicht verwertet werden darf"; schließlich wird auch noch angeregt, der Oberste Gerichtshof möge gemäß Art 139 Abs 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof beantragen, den § 366 Abs 1 ZPO auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls als verfassungswidrig aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Revisionsrekurses gemäß § 526 Abs 2 ZPO an die Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden (1 Ob 220/99f). Mangels Vorliegens einer solchen iSd § 528 Abs 1 ZPO ist das Rechtsmittel zurückzuweisen, wobei die Begründung gemäß § 510 Abs 3 ZPO (iVm § 528a ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränkt werden kann. In diesem Sinne ist den weitwendigen Ausführungen im Rechtsmittel seitens des Obersten Gerichtshofes Folgendes entgegenzuhalten:
Nach der Rechtslage bis zur am 1. 1. 2003 in Kraft getretenen Zivilverfahrens-Novelle (ZVN) 2002, BGBl I 2002/76, mit der ua der § 277 ZPO über den Beweisbeschluss aufgehoben wurde, wurde die Frage, ob überhaupt ein Sachverständiger zu bestellen ist, als solche der Beweisaufnahme behandelt, die durch den Beweisbeschluss iSd § 277 ZPO (aF) entschieden wird; da dieser zufolge des Abs 4 leg cit nicht abgesondert bekämpfbar war, könne auch die Entscheidung, ob ein Sachverständigenbeweis einzuholen sei, nicht abgesondert angefochten werden (ausführlich jüngst 8 ObA 109/04v mwN; ebenso 1 Ob 211/01p, 2 Ob 268/01b uam). Durch die genannte Novelle wurde nun zwar § 277 ZPO ersatzlos aufgehoben (Art II Z 45) - und dies mit der Neugestaltung der mündlichen Streitverhandlung, die anstelle des bisherigen Beweisbeschlusses aus Gründen der Verfahrenskonzentration die Erörterung des Prozessprogramms im Rahmen der (neuen) vorbereitenden Tagsatzung vorsieht, begründet (RV 962 BlgNR XXI. GP, 36) -, gleichzeitig jedoch § 366 ZPO unberührt gelassen: Nach dessen Abs 1 findet sohin - weiterhin - ua gegen den Beschluss, durch welchen eine schriftliche Begutachtung angeordnet wird, ein „abgesondertes Rechtsmittel nicht statt"; in einem solchen Fall kann gemäß dem (ebenfalls unverändert belassenen) § 515 ZPO eine Partei ihre „Beschwerde" (Rekurs) gegen diesen Beschluss „erst mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen". Hieran hat sich also durch die ZVN 2002 nichts geändert (vgl zum Themenkreis insgesamt auch Höllwerth, Beschleunigung der Sachverständigenbegutachtung durch die ZVN 2002?, ÖJZ 2004, 251 ff). Da durch diese Bestimmung(en) nicht die Entscheidung über die Begutachtung durch einen Sachverständigen schlechthin jeder Überprüfung, sondern eben nur ein Zwischenstreit vor der (regelmäßig) Endentscheidung entzogen wird, liegen insoweit auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit oder wegen Verstoßes gegen die EMRK (insbesondere Art 6) vor, wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 4 Ob 106/04y näher ausgeführt hat, sodass der Anregung der Rekursmittelwerberin auf Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof nicht näherzutreten ist. In den Entscheidungen 6 Ob 283/03s und 10 Ob 69/04a hat der Oberste Gerichtshof überdies ausgesprochen, dass auch nach dem In-Kraft-treten der ZVN 2002 (und trotz Aufhebung des § 277 ZPO) wegen des im Wesentlichen unveränderten Fortbestandes des § 291 ZPO (Unzulässigkeit abgesonderter Rechtsmittel ua gegen Beschlüsse, durch welche „Beweisaufnahmen angeordnet" werden) zu einem Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung kein Anlass besteht, was auch für die Frage, ob zur Feststellung des Sachverhaltes überhaupt ein Sachverständigengutachten benötigt wird, zu gelten hat (nochmals 10 Ob 69/04a). Dem schließt sich auch der erkennende Senat an.
In der Entscheidung 6 Ob 277/00d hat der Oberste Gerichtshof schließlich auch die vom Rekursgericht bereits zutreffend wiedergegebene Argumentation zur (fehlenden) Beschwer einer Partei im Zusammenhang mit - ihrer Ansicht nach - „überflüssigen Beweisaufnahmen" und der (nachträglichen) Bekämpfbarkeit eines darauf fußenden Sachverhaltes formuliert, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO (iVm § 528a ZPO) verwiesen werden kann. Diese Rechtsprechung wurde auch zu 4 Ob 171/03f und jüngst vom erkennenden Senat zu 7 Ob 21/05x fortgeschrieben.
Daraus folgt, dass zur verfahrensgegenständlichen Fragestellung eine ausreichende, gesicherte und einhellige Rechtsprechung auch zum Stand nach der ZVN 2002 seitens bereits mehrerer Senate des Obersten Gerichtshofes besteht, sodass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht erfüllt sind. Auf die im Rechtsmittel (massiv) vorgetragenen (und ua auf Art 8 EMRK sowie eine deutsche Rechtsmittelentscheidung gestützten) Ausführungen gegen einen vom Kläger vorgenommenen DNA-Test an seiner Tochter, der auch als Beweismittel angeboten und vorgelegt wurde, braucht daher im derzeitigen Verfahrensstadium nicht weiter eingegangen zu werden (zur insoweit unterschiedlichen Rechtslage zwischen Deutschland und Österreich vgl allerdings jüngst G. Kodek, Zur Verwertbarkeit heimlicher Vaterschaftstests, ecolex 2005, 108).
Aus allen diesen Erwägungen war das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.
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