OGH 4Ob171/03f

OGH4Ob171/03f23.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Safieh H*****, geboren am ***** 1994, über den Revisionsrekurs der Mutter Sabine H*****, vertreten durch Dr. Bernhard Huber und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 6. Mai 2003, GZ 15 R 76/03g-59, mit dem der Rekurs der Mutter gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 10. Oktober 2002, GZ 3 P 157/00p-45, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Minderjährige ist das außereheliche Kind Mohammad Hossein B***** und Sabine H*****'. Die Obsorge kommt der Mutter zu. Der Vater beantragt, ihm ein Besuchsrecht an jedem zweiten Wochenende in der Zeit von Samstag, 18.00 Uhr, bis Sonntag, 12.00 Uhr, einzuräumen; er beantragt weiters, ihm die Obsorge zu übertragen und zur Frage der von ihm behaupteten massiven Gefährdung des Kindeswohls durch die Mutter ein kinderpsychologisches Gutachten einzuholen. Die Mutter beantragt, dem Vater das Besuchsrecht zur Gänze zu entziehen. Das Erstgericht bestellte einen Sachverständigen und trug ihm auf, Befund und Gutachten zur Frage zu erstellen, ob die Minderjährige durch die Mutter derart vernachlässigt wird, dass eine massive Gefährdung des Kindeswohls zu befürchten ist, die den Entzug der Obsorge der Mutter und eine Übertragung der Obsorge an den Vater rechtfertigen würde, sowie darüber, ob das Kindeswohl durch die Ausübung des Besuchsrechts durch den Vater gefährdet ist. Den Eltern trug das Erstgericht auf, einen Kostenvorschuss von je 400 EUR zu erlegen. Eine Befragung zu den widerstreitenden Anträgen durch das Gericht würde das Kind überfordern; es entspreche daher dem Kindeswohl, wenn die Befragung einem Sachverständigen der Kinderpsychologie überlassen werde. Es sei Sache der Mutter, das Kind in geeigneter Weise vorzubereiten; es bestehe kein Grund, zu Lasten des Vaters eine Beweisaufnahme abzuschneiden.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zur Frage der Einholung eines Sachverständigengutachtens zulässig, im Übrigen aber unzulässig sei. Im Außerstreitverfahren seien grundsätzlich auch verfahrensleitende, einen Beteiligten beschwerende Anordnungen anfechtbar. Durch eine allenfalls unnötig verbreiterte Entscheidungsgrundlage werde die Partei aber nicht beschwert. Anfechtbar seien erst die Gutachtenserstattung und ihre rechtliche Verwertung durch das Gericht. Die Rechtsprechung wende die Rechtsmittelbeschränkung des § 366 ZPO im Außerstreitverfahren an. Den davon abweichenden Entscheidungen, wonach zwar gegen die Auswahl des Sachverständigen kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig se, wohl aber dagegen, dass überhaupt ein Sachverständiger bestellt wurde, schließe sich das Rekursgericht nicht an. Eine (allenfalls) unnötig verbreiterte Entscheidungsgrundlage begründe keine Beschwer der Partei. Das Rekursgericht folge der Judikaturlinie, wonach auch ein Rekurs gegen die Bestellung eines Sachverständigen unzulässig sei, weil das Verfahren in Außerstreitsachen als Rechtsfürsorgeverfahren vom Untersuchungsgrundsatz geprägt sei. Der Umfang der heranzuziehenden Beweismittel werde dabei vom Ermessen des Gerichts bestimmt. Damit sei das Erstgericht im vorliegenden Verfahrensstadium nur seiner gesetzlichen Pflicht zur umfassenden Erhebung der erforderlichen Tatsachen nachgekommen, ohne dass dadurch schon in die rechtlichen Interessen der Mutter eingegriffen worden wäre. Die Rekurswerberin habe auch selbst beantragt, dem Vater das Besuchsrecht zu entziehen. Um darüber zu entscheiden, müssten die Fachkenntnisse des Richters in psychologischer Hinsicht jedenfalls durch einen Sachverständigen ergänzt werden. Die Ausführungen im Rekurs seien nicht stichhaltig und es könne auf die umfangreiche Begründung des Erstgerichts, warum die Bestellung eines Sachverständigen notwendig sei, verwiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig.

Das Rekursgericht hat zur Begründung seines Zulässigkeitsausspruchs

auf die mangelnde Einheitlichkeit der Rechtsprechung verwiesen. Es

trifft auch tatsächlich zu, dass die Rechtsmittelbeschränkungen der

ZPO für Beschlüsse, mit denen Beweisaufnahmen angeordnet und

insbesondere Sachverständige bestellt werden, zwar auch im

Außerstreitverfahren angewendet werden (6 Ob 158/65 = SZ 38/89; 7 Ob

737/80 = EfSlg 37.240; 1 Ob 113/00z = EFSlg 94.882 ua); dass aber ein

Teil der Rechtsprechung ihre Anwendbarkeit auf Fälle einschränkt, in

denen nur gegen die Auswahl des Sachverständigen Rekurs erhoben wird

und sich der Rechtsmittelwerber nicht dagegen wendet, dass überhaupt

ein Sachverständiger bestellt wurde. Ein Rekurs, durch den geklärt

werden soll, ob überhaupt ein Sachverständiger zu bestellen ist, wird

für zulässig erachtet (2 Ob 511/92 = ÖA 1992, 153 unter Hinweis auf

LGZ Wien EFSlg 37.241; 47.013; 2 Ob 544/92 = EFSlg 70.231; 1 Ob

258/97s; 6 Ob 113/98f = RZ 1999/34; 2 Ob 209/99w; 2 Ob 17/02t = NZ

2002/92; s auch 1 Ob 275/02a).

Ob der zuletzt wiedergegebenen Rechtsprechung nicht zu folgen ist, weil auch eine unnötig verbreiterte Entscheidungsgrundlage keine Beschwer der Partei begründe (6 Ob 277/00d; 6 Ob 329/00a; 6 Ob 321/01a; s auch 1 Ob 98/02x), ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend. Das Rekursgericht hat das Rechtsmittel der Mutter zwar zurückgewiesen, es hat sich aber auch inhaltlich mit deren Einwänden gegen die Bestellung des Sachverständigen auseinandergesetzt. Nimmt das Gericht eine Sachprüfung vor, obgleich es zunächst seine Entscheidungsbefugnis verneint hat, so ist ein solcher Beschluss als Sachentscheidung anzusehen (5 Ob 50/75; 5 Ob 4/85 = NZ 1986, 44 uva; s auch 8 Ob 503/88). Das Rekursgericht hat somit in Wahrheit eine Sachentscheidung getroffen und den erstgerichtlichen Beschluss bestätigt. Damit hätte sich die Änderung des rekursgerichtlichen Beschlusses auf die Änderung des Spruchs zu beschränken, wenn im Sinne der vom Rekursgericht abgelehnten Rechtsprechungslinie die Anfechtbarkeit des erstgerichtlichen Beschlusses zu bejahen wäre. Ob aber ein Rekurs zu Recht zurückgewiesen wurde oder ob ihm nicht Folge zu geben gewesen wäre, bildet ebenso wenig eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG wie die Frage, ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen die Bestellung eines Sachverständigen notwendig oder überflüssig ist.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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