OGH 7Ob48/17k

OGH7Ob48/17k17.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1.373.171,48 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2017, GZ 1 R 160/16d‑52, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00048.17K.0517.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Der klagenden Kreditnehmerin wurde mit Kreditvertrag vom August 2007 ein Einmalkredit in Höhe von 4.250.000 EUR zur Finanzierung eines Bauprojekts gewährt. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass der Kredit bis zu einem Teilbetrag von 3.000.000 EUR in Fremdwährung ausnützbar ist. Mit 10. 9. 2008 wurde über Auftrag der Klägerin ein Teilbetrag von 2.500.000 EUR in japanische Yen konvertiert. Am 6. 6. 2016 erfolgte über Auftrag der Klägerin die Rückkonvertierung in Euro.

Die Klägerin begründet ihren geltend gemachten Ersatzanspruch mit der Verletzung von Beratungs‑, Aufklärungs‑ und Warnpflichten durch die beklagte Kreditgeberin im Zusammenhang mit der Konvertierung und der Rückkonvertierung.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Ein Fremdwährungskredit liegt vor, wenn der Kredit ganz oder teilweise in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kredit in einer anderen Währung als Euro ausbezahlt wird. Maßgebend ist allein, dass die fremde Währung die Rechnungsgrundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet. Im Fall vereinbarter (End‑)Fälligkeit erfolgt die Rückführung der laufenden Zinsen und des Kapitalbetrags zum Laufzeitende in der Fremdwährung (1 Ob 190/16x).

1.2 Die bloße Vereinbarung einer Nebenbestimmung ohne Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstands hat keine Novationswirkung, es liegt vielmehr eine bloße Schuldänderung im Sinn des § 1379 ABGB vor, welche das ursprüngliche Schuldverhältnis mit ganz bestimmten Änderungen hinsichtlich des Inhalts der Verpflichtung fortbestehen lässt und nicht wie bei der Novation das ursprüngliche Schuldverhältnis durch ein neues ersetzt (7 Ob 214/03a).

Eine vereinbarte Konvertierung eines Fremdwährungskredits in eine andere Währung führt zu keiner Novation (8 Ob 31/05z, 5 Ob 9/13d). Vielmehr ändern sich – im Sinn einer Schuldänderung – die Leistungspflichten des Kreditnehmers, aber auch jene des Kreditgebers, der den Kredit nun mit einer anderen Währung abzuwickeln hat (5 Ob 9/13d), dies im Rahmen des weiter fortbestehenden Kreditverhältnisses.

2. Die Klägerin will auf das vorliegende Kreditverhältnis die Wohlverhaltensregeln des WAG 2007 angewendet wissen.

2.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es sich bei gewährten (endfälligen) Fremdwährungskrediten weder um eine Wertpapierdienstleistung noch um eine Anlagetätigkeit im Sinn des § 1 Z 2 WAG handelt. Ein Finanzinstrument nach § 1 Z 6 WAG liegt ebenfalls nicht vor, insbesondere auch nicht in Form eines Differenzgeschäfts nach § 1 Z 6 lit i WAG. Das abgeschlossene Geschäft ist aber auch nicht mit einem Devisenswap vergleichbar (1 Ob 163/15z mwN).

2.2 Die Klägerin, die selbst davon ausgeht, dass die Aufnahme eines Fremdwährungskredits tatsächlich keine Wertpapierdienstleistung darstellt, hält dieser Entscheidung jedoch entgegen, dass es hier um Aufträge zur Konvertierung nach Vertragsabschluss gehe. Durch den expliziten Verweis in § 1 Z 2 lit b WAG 2007 auf § 1 Abs 1 Z 7 WAG fänden die Abschnitte 5 bis 11 des zweiten Hauptstücks des WAG 2007 auf den Devisenhandel (§ 1 Abs 1 Z 7 lit a BWG) Anwendung. Die Konvertierungsaufträge seien Devisenhandelsaufträge an die Bank.

2.3 Wie bereits dargestellt, ist beim (end‑)fälligen Fremdwährungskredit am Fälligkeitstag der Gegenwert des Kapitalbetrags in der Fremdwährung nach dem Tageskurs samt Zinsen zurückzuzahlen. Der dann zur Begleichung der Schuld erforderliche Betrag ist zum dann geltenden Tageskurs zu konvertieren, was den Erwerb der fremden Währung als Ware und damit deren Kauf erfordert. Dies ändert aber nichts daran, dass es dabei um die dem Willen der Vertragsparteien entsprechende Erfüllung eines Kreditvertrags, bei dem die Rückführung der Kreditsumme und das Entgelt für die Zurverfügungstellung des Darlehens geschuldet wird, und nicht um die Abstattung eines Kaufpreises für Waren geht. Der Kreditvertrag ist schon nach der Definition des § 988 ABGB nicht Kauf, sondern entgeltlicher Darlehensvertrag; dies selbst wenn man den Charakter des Gesamtgeschäfts vernachlässigt und primär auf den Ankauf notwendiger Devisen abstellt (1 Ob 190/16x). Das heißt, selbst wenn man – wie die Klägerin – auch bei der Konvertierung vom Erwerb (der Veräußerung) der fremden Währung ausginge, ändert sich im Sinn der Judikatur nichts am Charakter des mit geänderten Leistungspflichten fortbestehenden Kreditverhältnisses. Dabei handelt es sich um ein Kreditgeschäft nach § 1 Z 3 BWG, in welchem Zusammenhang auf die Anwendung des WAG 2007 nicht verwiesen wird.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hält sich die Entscheidung des Berufungsgerichts sehr wohl im Rahmen der dargestellten Judikatur.

3. Die Beratungs‑ und Aufklärungspflichten von Banken sind grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Anderes gilt nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0106373; RS0111165). Eine solche Fehlbeurteilung zeigt die außerordentliche Revision der Klägerin nicht auf:

Richtig ist, dass ein strenger Maßstab an die Sorgfalt anzulegen ist, die die Bank beim – hier nicht vorliegenden (§ 1 Abs 1 Z 7 lit e BWG) – Effektengeschäft gegenüber dem Kunden anzuwenden hat, darf doch der Kunde darauf vertrauen, dass die Bank über spezifisches Fachwissen im Wertpapierhandel verfügt, aber auch darauf, dass sie ihn bei Abschluss und Durchführung solcher Geschäfte umfassend berät (RIS‑Justiz RS0026135). Entscheidend sind einerseits die erkennbare Unerfahrenheit und Informationsbedürftigkeit des konkreten Kunden, andererseits die Art des beabsichtigten Geschäfts (RIS‑Justiz RS0026135 [T4, T14]). War ein Kunde bei Anbahnung des Wertpapiergeschäfts schon entschlossen, das Geschäft zu tätigen, indem er einen bestimmten Auftrag erteilt, wird die Bank nur im beschränkten Umfang zur Aufklärung und Beratung verpflichtet sein. Die Bank treffen Aufklärungspflichten und Beratungspflichten, wenn aus den Umständen ein Mangel an einschlägigen Kenntnissen oder eine Fehlentscheidung offenkundig wird (RIS‑Justiz RS0026135 [T6]). Verfügt der Kunde über besonderes eigenes Fachwissen, so dürfen die Anforderungen an die Aufklärungs‑ und Warnpflichten der Bank nicht überspannt werden. Einem versierten und aufgeklärten Bankkunden kann es nämlich zugemutet werden, seine wirtschaftlichen Interessen als Anleger selbst ausreichend zu wahren (RIS‑Justiz RS0026135 [T23]), die Bank ist nicht verpflichtet, ihn gleichsam zu bevormunden (6 Ob 268/00f mwN).

Zum Fremdwährungskredit hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass über eine ungünstige Entwicklung und das Wechselkursrisiko aufzuklären ist (RIS‑Justiz RS0029601 [T34]). Im Einzelfall kann es ausreichen, den (Privat‑)Kunden aufzuklären, dass sich der Rückzahlungsbetrag im selben Verhältnis erhöhen oder vermindern wird in dem sich der Wechselkurs zwischen den Währungen verändert (8 Ob 60/15d).

3.1 Feststeht, dass die Vereinbarung, einen Teil des Kreditvolumens in Fremdwährung ausnützbar zu gestalten, über ausdrücklichen Wunsch der Klägerin – einer große Bauprojekte abwickelnden Gesellschaft mbH – mit dem Ziel erfolgte, bei entsprechender Projektentwicklung allfällige mit einer Konvertierung verbundene Finanzierungsvorteile nutzen zu können. Der Klägerin wurden – unstrittig – die mit einem Fremdwährungskredit verbundenen Risiken vor Augen geführt. So wurde sie unter Anführung von Modellrechnungen über das Wechselkursrisiko, das Zinsrisiko und die spekulative Variante des Kredits aufgeklärt. Sie entschloss sich in der Folge einen Teil des Kredits in japanische Yen zu konvertieren. Am 3. 4. 2008 wurde sie von der Beklagten darüber informiert, dass sich der Kurs des Yen zwischen 159 und 160 bewege. Darauf teilte die Klägerin mit, noch bis zur nächsten Woche zu warten und die Kursbewegungen weiter zu beobachten. Fünf Monate später (5. 9. 2008) ohne weitere Kontaktaufnahme zur Beklagten und ohne ein weiteres Beratungsgespräch zu suchen, beauftragte sie die Konvertierung ausdrücklich zum Kurs von 152,51 in japanische Yen, und damit in Kenntnis des seit der letzten Auskunft der Beklagten erfolgten Kursrückgangs. Auch wenn zum 5. 9. 2008 das Risiko einer ungünstigen Kursentwicklung durch einen professionellen Bankfachmann höher einzuschätzen war als zwei bis drei Monate davor, ergab sich selbst für diesen nicht, dass der Kurswert zwangsläufig weiter fallen wird.

Unter diesen Umständen kann in der Verneinung einer Verletzung von Beratungs‑, Aufklärungs‑ und Warnpflichten durch die Unterlassung einer Prognose betreffend zukünftiger Kursentwicklungen keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigende Fehlbeurteilung erblickt werden, zumal die Beklagte die Klägerin ohnedies bereits allgemein auf die Möglichkeiten von Kursschwankungen und das damit verbundene Risiko hingewiesen hat, sodass die Klägerin über das grundsätzliche Währungsrisiko, das gerade in einer dauerhaften Aufwertung der Kreditwährung liegt, informiert war. Dass sich das Währungsrisiko zumindest einmal in der (relativ fernen) Vergangenheit dauerhaft verwirklicht hatte, ändert nichts daran, steht doch fest, dass eine derartige dramatische Entwicklung hier als höchst unwahrscheinlich einzustufen war.

3.2 Im Zusammenhang mit der Rückkonvertierung erhielt die Klägerin von der Beklagten die Auskunft, dass eine Prognose über den weiteren Kursverlauf derzeit nicht möglich sei, weil der Kurs momentan stark schwanke.

Auch hier liegt in der Verneinung einer Fehlberatung durch die Vorinstanzen keine aufzugreifende Fehlbeurteilung, zumal die Beklagte die Unsicherheit der Prognose und das hohe Risiko offenlegte.

4. Prognosen zu zukünftigen Wertentwicklungen sind in der Regel Motivirrtümer (vgl RIS‑Justiz RS0014913 [T9]). Über die „Risikogeneigtheit“ des japanischen Yen als „Produkteigenschaft“ hat die Beklagte die Klägerin ohnedies aufgeklärt. Im Zusammenhang mit der Rückkonvertierung hat die Beklagte die Unsicherheit ihrer Prognose offengelegt.

Dass die Vorinstanzen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines (Geschäfts‑)Irrtums verneinten, ist gleichfalls nicht korrekturbedürftig.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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