OGH 7Ob280/99y

OGH7Ob280/99y23.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef M*****, vertreten durch Dr. Roland Zika, Rechtsanwalt in Feldkirchen, gegen die beklagte Partei B***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Flaschberger und Mag. Robert Levovnik, Rechtsanwälte in Klagenfurt und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei C***** GesmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Karl Heinz De Cillia, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 121.929,80 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 14. Juni 1999, GZ 2 R 167/99g-23, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirchen vom 9. April 1999, GZ 3 C 123/99h-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

14.196 (darin enthalten S 2.366 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zwar in Abänderung seines zunächst gegenteiligen Ausspruchs die Revision gegen sein Urteil vom 14. Juni 1999 gemäß § 508 Abs 3 ZPO für zulässig erklärt, doch liegen die in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes nicht vor. Die Erledigung des Rechtsmittels kann sich daher auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Der Oberste Gerichtshof ist an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden (5 Ob 127/99h).

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der beklagten Partei hinsichtlich des Unfalls vom 25. 6. 1997, bei welchem der Kläger verletzt wurde, das Haftungsprivileg gemäß § 333 Abs 1 ASVG zugute kommt, im Sinne der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes zutreffend gelöst. Nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG (idF Art 34 Z 65 StrukturanpassungsG 1996 BGBl 201 und Art 1 Z 1 121 SRÄG 1996 BGBl 411) sind Arbeitsunfälle Unfälle, die sich "bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht". Eine solche betriebliche Tätigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle setzt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kein "tatsächliches Arbeitsverhältnis" voraus; eine betriebliche Tätigkeit kann vielmehr auch bei bloß freiwilliger Mitarbeit vorliegen (sog. Nachbarschaftshilfe; RIS-Justiz RS0084231; SZ 70/236 = JBl 1998, 790 [E. Holzer]). Auch auf die Dauer und Häufigkeit der Tätigkeit kommt es nicht an, wesentlich ist nur, dass sie dem Interesse des Unternehmens dient (RS0084134; SSV-NF 9/67 und 11/91). Die Beweggründe der Tätigkeit im Sinn des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG sind unmaßgeblich (RS0084197). Die Einordnung in den Betrieb ist nur insoweit erforderlich, als der Helfende im ausdrücklichem oder stillschweigend zum Ausdruck kommenden oder nach der Sachlage zu vermutenden Einverständnis des Unternehmers handelt und zumindest bereit sein muss, nach den den Arbeitsvorgang bestimmenden Weisungen des Unternehmers, in dessen Interesse die Tätigkeit ausgeübt wird, oder dessen Vertreters zu handeln (RS0084209; SZ 42/39). War der Helfer mit dem im Rahmen seiner Hilfetätigkeit auszuführenden Arbeiten so vertraut, dass er zu deren Verrichtung keiner Weisung im Sinn von An- oder Unterweisungen mehr bedurfte, so stellt sich bereits die den innerbetrieblichen Gepflogenheiten entsprechende Tätigkeit als "betriebliche Tätigkeit" im Sinn des § 176 Abs 1 Z 6 iVm § 333 Abs 1 ASVG dar. Auch kann jemand als eingegliedert angesehen werden, der unaufgefordert und ohne vorherige Absprache aus eigenem Entschluss helfend eingreift. Die Hilfstätigkeit muss sich aber objektiv als eine wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt charakterisieren lassen, wobei es zur Begründung des Versicherungsschutzes ausreicht, dass es für den Helfenden wesentlich war, auch dem Unternehmen, dem seine Hilfe gilt, zu dienen (SZ 68/138).

Als nach den hier maßgeblichen Feststellungen war der Betonabfüllschlauch, mit welchem der vom Kläger bestellte Fertigbeton an dessen Baustelle geliefert werden sollte, verstopft. Zu diesem Zweck schaltete der Fahrer, der, wie sich aus den Feststellungen weiters ergibt, die Betonlieferung üblicherweise alleine mittels Fernsteuerung durchführt, die Förderleistung der Pumpe auf volle Kraft, um die Verstopfung zu beheben. Zu diesem Zeitpunkt hatte er keine Sicht auf den Kläger. Durch die Auflösung der Verstopfung geriet der Betonabfüllschlauch in Pendelbewegungen; es spritzte Wasser und Beton heraus, was den Kläger veranlasste, den Schlauch zu ergreifen, um zu verhindern, dass die Fassade seines Hauses durch den ausspritzenden Beton beschädigt werde. Durch die Pendelbewegungen wurde der Kläger weggeschleudert und verletzt. Diese Tätigkeit entsprach aber nicht dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers und war für diesen auch objektiv nicht von wirtschaftlicher Bedeutung (SZ 68/138; SZ 70/236). Auch wenn es auf die konkreten Beweggründe des Tätigwerdens des Klägers nicht ankommt (familienrechtliche Beziehungen; sittliche Verpflichtung; freiwillige Mitarbeit; Nachbarschaftshilfe: RS0083555) lässt eine objektive Betrachtungsweise eine Eingliederung des Klägers in den Betrieb des Nebenintervenienten bei dieser Vorgangsweise nicht zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wie bereits festgehalten, grundsätzlich die Anlieferung des Fertigbetons keines Helfers bedurfte, weil der Fahrer des Betonlieferwagens diesen alleine liefern konnte und sich die Tätigkeit des Klägers daher nicht als Hilfeleistung für das Unternehmen sondern als Abwehrhandlung zur Verhinderung von Schäden an der Fassade seines Hauses darstellt. Da sich der Kläger unaufgefordert und unbemerkt in den Abliefervorgang einmischte, kann von einem sozialversicherungsrechtlich geschützten Gefälligkeitsdienst nicht die Rede sein (vgl 10 ObS 42/97t; SSV-NF 11/91).

Ein messbares Verschulden des Klägers, das im Übrigen im Rechtsmittelverfahren nicht quantifiziert wurde, der durch sein Eingreifen lediglich weitere Schäden verhindern wollte, liegt ebenfalls nicht vor. Im Zusammenhang mit dem Mitverschuldenseinwand zitierte Entscheidung ZVR 987/82 betrifft einen völlig anders gelagerten Sachverhalt.

Schließlich stellt auch die Bemessung des Schmerzengeldanspruchs keine erhebliche Rechtsfrage dar.

Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, weil der Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision entgegen dem Ausspruch des Berufunggerichtes auch hingewiesen hat.

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