Spruch:
Die Rekurse beider Parteien werden zurückgewiesen.
Beide Parteien haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 4. 7. 2000 erwarb der hier nicht verfahrensbeteiligte Michael H***** jun vom Kläger als bisherigem Eigentümer eine Liegenschaft in Tirol um S 7,000.000,-- zuzüglich USt. Der Beklagte fungierte dabei als Vertragsverfasser und Treuhänder beider Vertragsteile für den Kaufschilling, den er nach Erhalt auf ein Treuhandkonto erlegte. Hievon wurden im September 2000 S 1,000.000,-- an den Kläger zur Anweisung gebracht, sowie weitere S 2,800.000,-- an eine Pfandgläubigerin zur Lastenfreistellung überwiesen. Am 20. 12. 2000 kündigte der Beklagte beiden Treuhändern gegenüber schriftlich die Treuhand auf und erlegte am 27. 12. 2000 den Restbetrag in Höhe von S 3,034.538,28 bei Gericht, wo es seither von der Verwahrungsabteilung fruchtbringend angelegt ist.
Laut Punkt VIII des Kaufvertrages war der Beklagte als Treuhänder verpflichtet, den Treuhanderlag samt angereiften Zinsen dem Verkäufer (Kläger) auf ein von ihm bekanntzugebendes Konto "unverzüglich auszubezahlen, sobald er über alle erforderlichen Genehmigungen wie grundverkehrsbehördliche Genehmigung, Freilassungserklärungen/Löschungserklärungen und Betriebsanlagengenehmigung verfügt". Alle diese Genehmigungen lagen dem Beklagten bereits am 16. 11. 2000 vor. Trotzdem verweigerte er die Auszahlung des (restlichen) Treuhanderlags an den Kläger, weil er aufgrund vom Käufer H***** geltend gemachter (und in der Folge auch durch ein Gutachten vom 29. 11. 2000 dokumentierter) Mängel befürchtete, dass die Forderungen zwischen den Vertragsteilen streitig werden würden, weshalb er die Interessen beider Treugeber am Besten dadurch gewahrt sah, dass er den Treuhanderlag vorläufig nicht auszahlte. Überdies hatten H***** und sein Vater dem Beklagten aufgrund des Umstandes, dass die gekaufte Liegenschaft nicht mit einem Wasser-, Strom- und Kanalanschluss versehen war, obwohl der Kläger hiefür laut Punkt XI des Vertrages ausdrücklich Gewähr geleistet hatte, - etwa zeitgleich mit dem Einlangen der Mängelgutachten - eine Auszahlung an den Kläger untersagt.
Mit der bereits am 28. 11. 2000 - zeitlich also noch vor Einlangen der ersten Mängelgutachten beim Beklagten - eingebrachten Klage begehrte der Kläger unter Hinweis auf die Erfüllung der Auszahlungsbedingungen laut Treuhandvertrag die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Kaufpreisrestes von S 3,091.080,48 zuzüglich S 84.940,79 (später eingeschränkt um S 10.918,61 auf restlich S 74.022,18) an Kosten für die Einschaltung seines nunmehrigen Vertreters aufgrund mangelhafter Vertragsverfassung durch den Beklagten, zusammen sohin S 3,176.021,27 (nach der erfolgten Einschränkung restlich S 3,165.102,66) samt Staffelzinsen.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete ein, mit dem erfolgten Gerichtserlag statt Auszahlung an den Kläger keinesfalls rechtswidrig gehandelt, sondern nur seine Pflichten als Treugeber unter Bedachtnahme auf die bestehende Interessenkollision erfüllt zu haben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass der Beklagte nicht treuhandwidrig gehandelt habe, weil sich in der Zeit zwischen Vertragsunterfertigung und dem Einlangen der letzten fehlenden Genehmigungsurkunde für ihn herauskristallisiert habe, dass die Leistung des Verkäufers hinter der vertraglich geschuldeten zurückblieb, sodass der Beklagte durch die Hinterlegung des verbliebenen Kaufpreisrestes bei Gericht nur seiner Rolle als Unterparteiischer bzw neutraler Vertragsabwickler entsprochen habe. Außerdem entbehre der Vorwurf unsachgemäßer Vertragsverfassung jeder Grundlage.
Das vom Kläger lediglich in Ansehung des restlichen Treuhandbetrages in Höhe von S 3,091.080,48 angerufene Berufungsgericht - die Klageabweisung hinsichtlich der Schadenersatzforderung von S 74.022,18 erwuchs unbekämpft in Rechtskraft - gab der Berufung Folge, hob das Urteil im Umfang der Anfechtung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach weiters aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Ohne die Beweisrüge inhaltlich zu erledigen, führte es in rechtlicher Hinsicht (zusammengefasst) aus, dass im vorliegenden Fall die Treuhandklausel nicht isoliert vom Grundgeschäft zwischen den Treugebern (und Kaufvertragspartnern) gesehen werden dürfe. Da es bei Abwicklung des Kaufvertrages zu einer außerplanmäßigen Konfliktsituation gekommen sei, weil die Leistung des Verkäufers hinter der vertraglich geschuldeten qualitativ oder quantitativ zurückgeblieben sei, habe es sich aus der Sicht des Treugebers empfohlen, die bei ihm vom Käufer hinterlegte Kaufpreissumme gerichtlich zu hinterlegen, habe er doch damit nur der ihm von den Parteien zugewiesenen Rolle als Unterparteiischer, der sich auch aus Streitigkeiten zwischen den Treugebern heraushalten solle, entsprochen. Anknüpfend an diese - schon vom Erstgericht geteilten und vom Berufungsgericht übernommenen - Überlegungen sei die Rechtssache jedoch noch nicht entscheidungsreif, weil noch wesentliche Feststellungsmängel vorlägen. Diese beträfen einerseits den vom Kläger übernommenen Gewährleistungsumfang (Widerspruch zwischen bloßem "Aufkommen" der Anschlusskosten oder tatsächlicher "Beschaffung" der Kanal-, Wasser- und Stromanschlüsse), andererseits deren genaue Feststellung und Bewertung. Schließlich seien auch die zeitlichen Komponenten in Ansehung des Vorliegens aller erforderlichen Genehmigungen im Verhältnis zu den allenfalls vom Verkäufer zu vertretenden Leistungsstörungen zu klären. Schließlich seien noch im Einzelnen angeführte ziffernmäßige Differenzen in der Höhe des von beiden Seiten unterschiedlich berechneten Kaufpreisrestes aufzuklären.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil - soweit ersichtlich - "veröffentlichte Entscheidungen zur Treuhand rar seien und die Lehre nicht uneingeschränkt den Standpunkt vertritt, dass die Treuhandklausel nicht völlig isoliert vom Grundgeschäft zwischen den Treugebern gesehen werden darf, dies umsomehr, als für das Rechtsinstitut der Treuhand nach wie vor keine gesetzlichen Grundlagen existieren".
Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richten sich die Rekurse beider Parteien jeweils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, bereits in der Sache - je nach Prozessstandpunkt klagestattgebend bzw -abweisend - zu entscheiden; der Rekurs des Beklagten enthält weiters den Eventualantrag, den angefochtenen Beschluss mit der Maßgabe zu bestätigen, "dass im Falle einer Streitigkeit zwischen den Treugebern über die Ausfolgung des Treuhanderlages der Treuhänder zur gerichtlichen Hinterlegung des gesamten Treuhanderlages berechtigt und verpflichtet ist".
Beide Parteien haben auch Rekursbeantwortungen erstattet, in denen wechselseitig beantragt wird, dem Rechtsmittel des jeweiligen Gegners den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind unzulässig. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1, § 521a Abs 2 ZPO). Nach § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO ist der Rekurs nämlich nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Hievon kann im vorliegenden Fall ebensowenig wie von einem bloß "raren", dh spärlichen Vorliegen oberstgerichtlicher Judikatur zu den auch hier zu lösenden Teuhandfragen die Rede sein.
Schon in der Entscheidung 5 Ob 588/87 hat der Oberste Gerichtshof erkannt, dass der auch dort von den Parteien eines Liegenschaftskaufvertrages unter Einschaltung eines Rechtsanwaltes abgeschlossene Treuhandvertrag "nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern im Zusammenhang mit dem ihm zugrundeliegenden Kaufvertrag beurteilt werden muss" (so auch Koch, Leistungsstörungen und Treuhänderpflichten, ecolex 1997, 147 [149]). Auch wenn der Begriff der Treuhand im österreichischen Recht (immer noch) nicht gesetzlich geregelt ist (RIS-Justiz RS0010444; 10 Ob 40/00f; Koziol/Welser I11 193; Spruzina, Rechts- und Standespflichten des Treuhänders, NZ 1995, 217 [218]), entspricht es doch jedenfalls der (ständigen) Judikatur, dass ein - wie hier - mehrseitiger offener Treuhänder (SZ 71/12; 1 Ob 119/01h) bei Auftreten eines Konfliktes zwischen seinen Treugebern den strittigen Betrag bei Gericht erlegen darf, wenn unklar bzw bei zumutbarer Prüfung nicht zu klären ist, ob die Ausfolgungsbedingungen erfüllt sind (7 Ob 523/91; 5 Ob 309/00b; RIS-Justiz RS0010415; Rahmatian, Zivil- und standesrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der zweiseitigen Treuhand, AnwBl 1997, 454 [455 f]; Koch, aaO 150). Zwar muss der offene Treuhänder zweier Vertragspartner spätere Dispositionen eines Treugebers, die dem anderen offenbar zum Nachteil gereichen müssten, grundsätzlich unberücksichtigt lassen (JBl 1958, 122); bei Auftreten eines Konfliktes zwischen den Treugebern kann der Treuhänder jedoch bei unklarer Sach- oder Rechtslage zu Gericht erlegen, ist jedoch (mangels anderslautender Vereinbarung) hiezu nicht verpflichtet (7 Ob 523/91), muss er doch die (gegensätzlichen) Interessen aller Treugeber bestmöglich wahren (RIS-Justiz RS0107334). Insoweit gehört die Übernahme von Treuhandverpflichtungen zu den risikoreichsten Bereichen der rechtsberatenden Berufe (Lehner, Treuhand und Liegenschaftsverkehr, NZ 1986, 121).
Auch wenn im vorliegenden Fall nach dem (reinen) Wortlaut der Treuhandvereinbarung die grundsätzliche Anweisungspflicht des Treugebers zur Auszahlung des Kaufpreises an den Verkäufer von keiner anderen als der in Punkt VIII genannten Urkundenvorlage (welche unstrittig dem Beklagten per 16. 11. 2000 zur Verfügung standen) abhängig gemacht worden war, so ist doch den Vorinstanzen zuzustimmen, dass der Beklagte damit (als "Zahlungstreuhänder") damit keineswegs eine Art bloßer "Erfüllungsgarantie" für die Zahlung dieses Kaufpreises übernommen hat (6 Ob 159/98w); auch in der Entscheidung 5 Ob 309/00b hat der Oberste Gerichtshof vielmehr bei ganz ähnlicher Sachverhaltskonstellation (auch dort war nach dem Vertragswortlaut die Ausfolgung des Kaufpreises ebenfalls nur an die Bedingung des Vorliegens bücherlich erforderlicher Urkunden geknüpft gewesen), die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht geteilt (und die erhobene Revision zurückgewiesen), für den Treuhänder habe nach dem Geschäftszweck auch die Mängelfreiheit der Wohnung (so wie sie hier ja sogar ausdrücklich in Punkt XI. bezüglich der für jeden Käufer ganz essentiellen Energieanschlüsse ausdrücklich verankert wurde) als Bedingung für die Ausfolgung des treuhändisch erlegten Kaufpreises (Kaufpreisrestes) miteinzubeziehen gehabt, sodass die (hier wie dort) mittlerweile festgestellten bzw behaupteten Mängel jedenfalls eine unklare Rechtslage (einen "Konfliktsfall") für den Treuhänder schufen, der ihn sohin zum Erlag bei Gericht berechtigte. Dieser Auffassung ist auch im vorliegenden Fall zu folgen. Sie entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung, wonach der Treuhänder im Regelfall auch für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglich übernommenen Aufgaben einzustehen habe (6 Ob 265/98h; RIS-Justiz RS0104573).
Bei der Frage, ob ein Rechtsanwalt bei der Abwicklung einer mehrseitigen Treuhand dieser seiner hohen Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, handelt es sich jedoch stets um einen Einzelfall, da es immer auf die jeweilige konkrete Vereinbarung und Vertragssituation ankommt (RIS-Justiz RS0107573; 8 Ob 2155/96m = ÖBA 1997, 932/658 [zust Bollenberger]). Ob ein solcher Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar, es sei denn, es läge infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis vor (10 Ob 40/00f).
Das Berufungsgericht ist diesen Rechtsprechungsgrundsätzen insgesamt gefolgt und hat sie beachtet. Zweck des Rekurses bei einem Aufhebungsbeschluss ist hiebei immer nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz; ist diese (wie hier) richtig, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung auch tatsächlich notwendig ist (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 5 zu § 519). Diese Umstände liegen auch hier allesamt auf der Tatebene, deren Beurteilung dem Obersten Gerichtshof somit entzogen ist.
Zufolge Unzulässigkeit beider Rekurse sind deren Kosten von den Parteien jeweils selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO). Da keine der Parteien auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat, haben diese auch die Kosten der Rekursbeantwortungen selbst zu tragen.
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