Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 855,77 EUR (darin enthalten 142,63 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies die Unterlassungsbegehren der Kläger mit der Begründung ab, das jahrzehntelange Hinnehmen der Weitergabe (Gestattung) der Mitbenutzung der Forststraße an die „talinneren Almbesitzer“ (und an Jagdberechtigte) durch die Österreichischen Bundesforste (ÖBF) sei nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig als konkludente Zustimmung durch die Kläger und deren Rechtsvorgänger zur Gestattung der Weitergabe der Mitbenützung der Forststraße unter Inanspruchnahme des in ihrem Verlauf befindlichen - hier allein strittigen - rund 200 m langen Teilstücks auf der Grundparzelle 651 der Kläger durch die ÖBF aufzufassen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. Die „Nutzungsweitergabe“ sei über mehr als zwanzig Jahre und selbst dann unwidersprochen geblieben, als die Inhaber und Nutzer der angrenzenden Almen eine Einschienenbahn (Beklagte) und einen eigenen Stichweg (Zeuge E*****) von der Forststraße zu ihren Almhütten errichteten. Daher sei von einer konkludenten Zustimmung zu einer Erweiterung der Rechte der ÖBF dahin auszugehen, dass diese auch berechtigt seien, das Befahren der Forststraße durch Dritte (auch Jagdberechtigte) zuzulassen bzw diesbezügliche Nutzungsberechtigungen einzuräumen.
Das Berufungsgericht sprach (zunächst) aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Beurteilung konkludenter Handlungen mit der ständigen Rechtsprechung in Einklang stehe und der Frage nach einem schlüssigen rechtsgeschäftlichen Verhalten eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung fehle. Auf Antrag der Kläger änderte es mit Beschluss vom 16. 10. 2008 letzteren Ausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Der Frage ob - auch angesichts der Besonderheiten des hier vorliegenden Sachverhalts - die Unterlassung von Einwendungen als konkludente Zustimmung (hier: zur Erweiterung der Dienstbarkeit durch Weitergabe der Nutzungsrechte an Dritte) zu werten sei, komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist jedoch unzulässig.
Die Revisionswerber machen im Wesentlichen geltend, dass - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - keine schlüssige Erweiterung der Dienstbarkeitsvereinbarung zustande gekommen sei. Folgte man der Ansicht der Vorinstanzen, werde das Rechtsinstitut der Ersitzung „materiell derogiert“, weil eine „Umgehung“ der Ersitzung über die „Hintertür“ der § 863 ABGB möglich werde. Die bisher bekannte Judikatur sehe dies nicht vor.
Dem ist vorerst zu erwidern, dass Dienstbarkeiten zufolge § 480 ABGB auch vertraglich eingeräumt werden können und ein Dienstbarkeitsvertrag auch durch schlüssiges Verhalten im Sinn des § 863 ABGB zustande kommen kann (Hofmann in Rummel I3 § 480 ABGB Rz 1; Kiendl-Wendner in Schwimann II3 § 480 ABGB Rz 2 jeweils mwN uva).
Nach ständiger Rechtsprechung kommt ein schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag (freilich) nicht schon durch die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs des dienenden Gutes, sondern erst dann zustande, wenn zusätzliche Sachverhaltselemente den Schluss erlauben, der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille der (jeweils) Belasteten habe sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezogen (RIS-Justiz RS0111562).
So wird beispielsweise ein stillschweigender Vertragsschluss gewöhnlich angenommen, wenn der Liegenschaftseigentümer die Errichtung und Benützung einer kostspieligen Anlage duldet, weil er wissen musste, dass der Begünstigte solche Aufwendungen nicht getätigt hätte, wenn ihm das Gebrauchsrecht jederzeit entzogen werden könnte. In diesen Fällen ist somit der Schluss erlaubt, dass der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende Wille des Belasteten sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezog (RIS-Justiz RS0114010; RS0011661 [T3]).
In der Entscheidung 6 Ob 155/00p (= NZ 2001, 343 [Hoyer]) wurde in dem Fall, dass Liegenschaftseigentümer jahrelang unangefochten die auf dem Grundstück des jeweils anderen Nachbarn liegenden Stücke eines einheitlichen Weges befahren und begangen haben, das schlüssige Zustandekommen einer Grunddienstbarkeitsvereinbarung bejaht. Auch in der Entscheidung 2 Ob 593/89 wurde das schlüssige Zustandekommen einer Grunddienstbarkeitsvereinbarung bejaht, weil die Liegenschaftseigentümerin in Kenntnis des Umstands, dass ihr Grundstück schon früher durch längere Zeit regelmäßig und unwidersprochen zu Weidezwecken benützt worden war und auf diesem Grundstück Anlagen vorhanden waren und benützt wurden, die diesem Zweck dienten, die weitere regelmäßige Benützung dieses Grundstücks für Weidezwecke ohne jeden Einwand durch einen Zeitraum von 15 Jahren duldete. Auch in der Entscheidung 1 Ob 57/87 gelangte der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die bewusste Duldung der Ausübung der Servitut durch ca 19 Jahre mit Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) als stillschweigende Genehmigung der Dienstbarkeit angesehen werden muss.
Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung hat aber regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (RIS-Justiz RS0043253 [T8]; zu allem: 10 Ob 83/07i).
Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.
Der Oberste Gerichtshof hat in der (zuletzt zitierten) Entscheidung vom 9. 10. 2007, 10 Ob 83/07i, bereits eine ordentliche Revision zurückgewiesen und dies - neben dem Hinweis auf die eben zitierten Rechtssätze und Entscheidungen - wie folgt begründet:
„In der Rechtsansicht der Vorinstanzen, zwischen den Parteien sei eine schlüssige Dienstbarkeitsvereinbarung zustande gekommen, weil die Zufahrt zur Liegenschaft mit den Häusern F***** und ***** sowie zu den Grundstücken 497/6 und 497/7 (Garagen) bereits in der Vergangenheit immer über den hier strittigen Weg erfolgte, auch die Beklagte als Eigentümerin des Grundstückes 497/59 seit ihrem Eigentumserwerb im Jahr 1989 jedenfalls bis 2003 diese Zufahrt durch die Klägerin und andere Personen völlig unbeanstandet zugelassen hat, der Lebensgefährte der Klägerin in dieser Zeit im Bereich der Zufahrt (Doppelgarage) auch geschotterte Parkplätze errichtete und die Beklagte der Klägerin und deren Lebensgefährten auch nach dem Jahr 2003 weiterhin die Zufahrt ausdrücklich gestattete, kann im Hinblick auf die dargestellten Grundsätze keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.
... Da die Vorinstanzen somit mit vertretbarer Begründung das konkludente Entstehen der von der Klägerin geltend gemachten Dienstbarkeit bejaht haben, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob das Klagebegehren mit Erfolg auch auf den Titel der Ersitzung gestützt werden kann und den von der Beklagten im Verfahren erster Instanz in diesem Zusammenhang erhobenen Einwand, die Klägerin habe den gegenständlichen Weg in ihrer Eigenschaft als Mieterin ohne jeglichen Ersitzungswillen benutzt.“
Nichts anderes kann für den vorliegenden Fall gelten; steht doch fest, dass die jahrzehntelangen Wegbenützungen und deren Gestattung durch die ÖBF jedenfalls über mehr als zwanzig Jahre (seit 1985) hindurch seitens der Kläger und ihrer Rechtsvorgänger - trotz Kenntnis hievon und von den festgestellten weiteren Aktivitäten der Wegbenützer (Errichtung einer Einschienenbahn und eines Stichweges von der Forststraße zur jeweiligen Almhütte) - völlig unbeanstandet blieb und sich die Kläger erst im Jahr 2007 gegen die Benützung durch Dritte ausgesprochen haben. Auch hier liegt die bekämpfte (Einzelfall-)Beurteilung daher im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung, weshalb keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung erblickt werden kann.
Daraus ergibt sich, dass die Entscheidung - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im Beschluss vom 16. 10. 2008 - in keinem Punkt von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Bei der Prüfung der Rechtsmittelzulässigkeit ist das Revisionsgericht gemäß § 508a Abs 1 ZPO auch nicht an einen Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO gebunden.
Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihnen die Kosten ihrer Revisionsbeanwortung zuzusprechen sind.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)