OGH 7Ob21/19t

OGH7Ob21/19t24.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R* P*, geboren am * 1960, *, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. G* P*, geboren am * 1963, *, vertreten durch Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Ehescheidung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2018, GZ 45 R 481/18w‑67, womit das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 25. Juli 2018, GZ 4 C 26/17t‑58, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E125175

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Ausspruch über das Verschulden und der Kostenentscheidung dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

„Die zwischen den Streitteilen am * vor dem Standesamt O*, eingetragen unter Familienbuch‑Nr. * geschlossene Ehe wird aus gleichteiligem Verschulden der Parteien mit der Wirkung geschieden, dass sie mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils aufgelöst ist.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 148,50 EUR (Barauslagen) bestimmten Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 425,50 EUR (Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Im Übrigen werden die Kosten gegeneinander aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am * die Ehe geschlossen. Es handelt sich um die beiderseits zweite Eheschließung. Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Der Ehe entstammen der am * geborene M* P* und die am * geborene P* P*.

Der Kläger war mit den finanziellen Angelegenheiten der Streitteile befasst, die Beklagte vertraute ihm dabei voll und ganz. Sie kamen überein, die Ehewohnung umzubauen, wobei sich der Kläger um die Finanzierung in Höhe von ca 387.000 EUR kümmerte. Sie hatten auch ein gemeinsames Konto, das schon von Beginn an immer wieder – 2013 mit rund 70.000 EUR – überzogen war. Der Kläger errichtete in der Folge eine Vielzahl von Konten und Subkonten mit verschiedensten Widmungen und Zwecken, bei fast allen war und ist der Überziehungsrahmen ausgeschöpft. 2014 löste er ohne Rücksprache mit der Beklagten gemeinsame Sparbücher auf, realisierte sie und errichtete mit dem Realisat in Höhe von 7.078,14 EUR sechs Erfolgssparkonten. Über diese war nur der Kläger verfügungsberechtigt. Per 19. 6. 2018 wies das Konto des Klägers einen Saldo von ‑2.541,35, die gemeinsamen Konten Salden von ‑3.216,22, ‑14.512,25 und ‑3.213,33 sowie das gemeinsame Konto „Bauspardarlehen“ einen Saldo von ‑221.372,50 auf.

In den letzten Jahren wollte die Beklagte die Rahmen der verschiedenen Konten immer reduzieren und aus den gemeinsamen Konten entlassen werden, während der Kläger die Rahmen eher erhöhen wollte. 2017 begann die Beklagte auch, nicht an sie adressierte Briefe, die von Inkassobüros oder von Banken kamen und von denen sie Informationen über die finanzielle Situation erwartete, zu öffnen. Ständiger Grund für Streitigkeiten in der Ehe war der Umstand, dass die Beklagte unter der zunehmend unüberschaubaren finanziellen Situation litt, und den Kläger damit immer wieder konfrontierte, von diesem aber keine Lösungsmöglichkeiten kamen. Er agierte vielmehr ausweichend und ging auf ihre Sorgen nicht ein. Er erstellte zwar eine Vielzahl von Tabellen, es blieb jedoch unklar, warum sämtliche Konten überzogen und bis zum Überziehungsrahmen ausgeschöpft waren.

Mit Wirkung vom 1. 5. 2006 wurde der Kläger amtswegig in den Ruhestand versetzt. Ab Dezember 2007 arbeitete er für ein paar Monate auf Grundlage eines Werkvertrags. 2008 machte er sich als Einzelunternehmer selbständig. In weiterer Folge gründete er mehrere Gesellschaften mbH und baute eine Holdingstruktur auf, in die die Beklagte befristet involviert war. Sie sah jedoch die Holding als „Steuerabschreibungsvehikel“, die weiteres Chaos verursachte. Sie erhielt auch keinen Einblick in die finanzielle Situation.

Der Kläger führte über Jahre eine Unzahl von verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Verfahren, und zwar Schadenersatzverfahren, Amtshaftungsverfahren, dienstrechtliche Verfahren im Zusammenhang mit ihm erteilten Weisungen und seiner Pensionierung sowie Disziplinarverfahren, Verfahren gegen seine Bank und im Zusammenhang mit dem Wohnungsumbau. Weiters schloss er sich mehreren Strafverfahren als Privatbeteiligter an.

Im Haushalt der Streitteile waren die Akten permanent präsent und es herrschte eine unerträgliche Stimmung. Der Kläger verwendete seine gesamte Zeit darauf, sich auf die Prozesse vorzubereiten und kannte kein anderes Thema mehr. Er versuchte auch Freunde und Kollegen von seinen Rechtsansichten zu überzeugen, wodurch sich diese von den Streitteilen zurückzogen. Zu Hause bereitete er sich auf seine – umfangreich angestrengten – Verfahren vor, sammelte Unterlagen und ging nicht auf die Bitten der Beklagten ein, damit aufzuhören und sich lieber um die Familie zu kümmern. Die Beklagte weigerte sich in der Folge, weiterhin Ansprechpartner des Klägers für seine Prozesse zu sein.

2007 ging die Beklagte eine ehewidrige Beziehung ein. Diese war Ende des Sommers beendet. Danach fanden die Streitteile wieder zueinander.

Die Beklagte litt unter Stimmungsschwankungen und warf dem Kläger begründend mit 2008/2009 immer wieder vor, dass er ein Versager, unfähig, ihr Sargnagel, das Letzte und viel schlechter als ihr erster Mann sei. Sie beschwerte sich darüber, dass er nichts mache, zu wenig zum Familieneinkommen beitrage, phlegmatisch, still und nichtssagend sei. Sie bezeichnete ihn auch als „dick und fett“, als „Sozialschmarotzer, der nichts dazu beiträgt, der das Geld nur ausgibt“. Sie stellte ihm unter anderem in Aussicht, dass sie ein Verhältnis mit einem anderen Mann eingehen werde, wenn er sich nicht ändere.

Der Kläger bemerkte im April oder Mai 2012, dass die Beklagte neuerlich ein Verhältnis hatte. Die Beklagte versicherte ihm, dass sie das Verhältnis beende und die Streitteile nahmen eine Eheberatung in Anspruch. 2013 zog die Beklagte für drei Wochen aus der Ehewohnung aus. Danach nahm sie das Verhältnis wieder auf, woraufhin der Kläger im Herbst 2013 die Scheidungsklage einbrachte.

Die Streitteile unterzogen sich einer Mediation, woraufhin im Scheidungsverfahren Ruhen eintrat. 2014 wurde die Mediation abgebrochen.

Im November 2016 fand der Kläger heraus, dass die ehewidrige Beziehung der Beklagten länger als von ihr angegeben – nämlich mit Unterbrechungen über vier Jahre bis Ende 2015/Anfang 2016 – gedauert hatte.

Die Ehe war für den Kläger seit November 2016 unheilbar zerrüttet, für die Beklagte seit Herbst 2016.

2016/2017 schlug die Beklagte dem Kläger mit der Hand ins Gesicht, wodurch seine Brille zerbrach. Sie warf ihm auch Sachen nach.

Im Juni 2017 verbrachte die Beklagte mit einer Freundin einen Urlaub in Kroatien. Sie lernte den Vermieter des Appartements kennen, den sie öffentlich küsste und auf dessen Schoß saß, was von ihrer Freundin fotografiert wurde.

Der Kläger strebt die Scheidung aus dem Alleinverschulden der Beklagten an. Er begründete dies unter anderem damit, dass die Beklagte die Ehe gebrochen, ihn beschimpft und beleidigt habe und ihm gegenüber auch tätlich geworden sei.

Die Beklagte bestreitet und stellt einen Mitverschuldensantrag gemäß § 60 Abs 3 EheG im Sinne eines alleinigen Verschuldens des Klägers. Ihre außereheliche Beziehung sei vom Kläger verziehen worden. Dieser habe sie laufend provoziert, sodass es vorgekommen sei, dass sie impulsiv reagiert habe.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile und sprach das überwiegende Verschulden der Beklagten aus. Dem Kläger wurden Verletzungen der Pflicht zur anständigen Begegnung vorgeworfen. Er habe sich bezüglich seiner Verfahren übermäßig engagiert und über Jahre in Prozesse verstrickt. Er sei auf die Bitten der Beklagten, die Sachen auf sich beruhen zu lassen und an die Familie zu denken, nicht eingegangen. Er habe auch versucht, seine finanzielle Situation zu verschleiern. Die Beklagte wiederum habe die Treuepflicht durch Eingehen zweier ehewidriger Beziehungen verletzt, wobei der Kläger die erste Beziehung verziehen habe. Die Beklagte habe den Kläger beschimpft und sei ihm gegenüber handgreiflich geworden, sodass sie auch die Pflicht zur anständigen Begegnung verletzt habe. Das Erstgericht hat die von den Ehegatten gesetzten Eheverfehlungen gegeneinander abgewogen und darauf verwiesen, dass der Kläger zwar die Zerrüttung der Ehe eingeleitet, die von der Beklagten gesetzten Verfehlungen aber betreffend Häufigkeit, Schwere und Dauer doch zu Lasten der Beklagten gewichtet, sodass ihr überwiegendes Verschulden festgestellt wurde.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Weder Ruhen des Scheidungsverfahrens noch die Durchführung einer Mediation zwischen den Ehegatten bewirkten den Ablauf der Frist des § 57 EheG. Das Erstgericht habe bei der Abwägung des Verschuldens zutreffend darauf verwiesen, dass die Ehefrau über einen Zeitraum von vier Jahren – wenn auch mit Unterbrechungen – eine ehewidrige Beziehung unterhalten und dem Kläger gegenüber immer wieder tatsachenwidrig das Ende der Beziehung beteuert habe. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beklagte den Kläger auch beschimpft habe und gegen ihn handgreiflich geworden sei, sei von ihrem überwiegenden Verschulden auszugehen. Bei dieser Gewichtung der Eheverfehlungen werde auch berücksichtigt, dass der Kläger mit der Zerrüttung begonnen habe, die Eheverfehlungen der Beklagten jedoch massiver, häufiger und während eines längeren Zeitraums gesetzt worden seien, sodass ein überwiegendes Verschulden der Beklagten auszusprechen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das überwiegende Verschulden des Klägers, hilfsweise das gleichteilige Verschulden der Parteien auszusprechen, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zur Wahrung der der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.

1.1 Gemäß § 57 Abs 1 EheG erlischt das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens, wenn der Ehegatte nicht binnen sechs Monaten die Klage erhebt. Fortgesetztes ehewidriges Verhalten ist als Einheit aufzufassen, sodass der Fristablauf auf die letzte Handlung abzustellen ist (RS0057240).

1.2 Dem Ehegesetz ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass eine Eheverfehlung auch dann verfristet sein könnte, wenn sie zwar – wie hier – fristgerecht mit Klage geltend gemacht wurde, dann aber das Verfahren längere Zeit ruhte (RS0036722). Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Frist des § 57 EheG nicht um eine Verjährungsfrist, sondern um eine materiell‑rechtliche Ausschlussfrist. Die Anwendung des § 1497 ABGB kommt daher aufgrund der Fassung der §§ 57, 59 EheG, die nur auf die Klagserhebung abstellen, nicht in Betracht (1 Ob 301/00x mwN). Entgegen der Rechtsmeinung der Beklagten ist hier daher keine Verfristung eingetreten.

2.1 Unter Umständen kann aber das Ruhen des Verfahrens bedeuten, dass die mit Klage geltend gemachte Eheverfehlung verziehen wurde (RS0036722 [T2]; 3 Ob 238/06f).

2.2 Verzeihung im Sinn des § 56 EheG ist nur dann anzunehmen, wenn der gekränkte Ehegatte durch sein Gesamtverhalten zum Ausdruck bringt, dass er das als Eheverfehlung empfundene Fehlverhalten seines Ehepartners nicht mehr als solches betrachtet und daher vorbehaltlos bereit ist, mit ihm die Ehe fortzusetzen (RS0057075). Für die Verzeihung ist der Ehegatte beweispflichtig, der die Verfehlung(en) begangen hat (RS0106971). Ob Verzeihung anzunehmen ist, betrifft einen inneren Vorgang, der in erster Linie nach freier Beweiswürdigung festzustellen und somit dem vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Tatsachenbereich zuzuordnen ist (RS0043961).

2.3 Der Kläger brachte im Herbst 2013 die Scheidungsklage, unter anderem gestützt auf eine ehewidrige Beziehung der Beklagten ein. Im Jänner 2014 trat Ruhen des Verfahrens ein, weil die Streitteile beabsichtigten, eine Mediation durchzuführen. Im November 2016 fand der Kläger heraus, dass die außereheliche Beziehung der Beklagten – entgegen ihrer Beteuerungen – mit Unterbrechungen über vier Jahre, nämlich von 2012 bis Ende 2015/Anfang 2016 andauerte, weshalb der Kläger das Verfahren fortsetzte.

Für eine Verzeihung dieses (anhaltenden) Ehebruchs gibt es daher weder Anhaltspunkte im Sachverhalt, noch vermag die Beklagte solche aufzuzeigen.

3.1 Der Ausspruch, dass die Schuld eines Gatten überwiegt, ist nur dann zulässig, wenn dessen Verschulden erheblich schwerer ist als das des anderen. Dabei kommt es nicht allein auf die Schwere der Verfehlung an sich, sondern auch darauf an, in welchem Umfang die Verfehlung zu der schließlich eingetretenen Zerrüttung der Ehe beigetragen hat, also jenes eines Streitteils fast völlig in den Hintergrund tritt (RS0057858 [insbes T12, T16, T17]; vgl auch RS0056751; RS0056755). Bei der Beurteilung des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten sind alle Umstände zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen (RS0057303). Weil das überwiegende Verschulden, insbesondere bei den Scheidungsfolgen, dem alleinigen Verschulden gleichgestellt wird, ist ein strenger Maßstab anzulegen (RS0057821 [T8]). Unheilbare Zerrüttung ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben (RS0056832).

3.2 Ein Ehepartner verstößt gegen die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung, Rücksichtnahme und zum ehelichen Bemühen, dem anderen Ehepartner das Zusammenleben erträglich zu machen, wenn er ein Verhalten an den Tag legt, das den anderen kränkt oder geeignet ist, ihm Aufregung zu bereiten (RS0055998). Ein Zurückziehen des Ehegatten aus dem Familienverband begründet eine schwere Eheverfehlung (RS0056505). Die zum Wesen der Ehe gehörende Gemeinsamkeit der Lebensführung beschränkt sich keineswegs auf eine rein räumliche Gemeinsamkeit, sie erfordert auch ein geistig‑seelisches Miteinander. Sie beinhaltet, dass bei der Freizeitgestaltung Kompromisse geschlossen werden müssen, damit auch die Interessen und Wünsche des Partners berücksichtigt werden (RS0056053 [T2, T10]). Wiederholte grundlose Beschimpfungen und überhaupt die Verletzung der Verpflichtung zur anständigen Begegnung zwischen den Ehegatten begründen eine schwere Eheverfehlung (RS0056711). Ehebruch ist eine der schwersten Eheverfehlungen, weil der darin gelegene Treuebruch regelmäßig die Vertrauensgrundlagen der ehelichen Gemeinschaft tiefgreifend und nachhaltig erschüttert (RS0056559 [T6]). Demnach kommt es auch hier bei der Beurteilung darauf an, ob und inwieweit er zur Zerrüttung der Ehe beigetragen hat und welches Gewicht ihm im Vergleich zu den Eheverfehlungen des anderen Ehepartners zukommt (RS0056496). Er muss nicht immer zum überwiegenden Verschulden führen (RS0057303 [T5]). Sobald die Zerrüttung eingetreten ist, haben Eheverfehlungen grundsätzlich bei der Verschuldensabwägung kein entscheidendes Gewicht (RS0057338, RS0056767 [T2]), es sei denn, dass der verletzte Ehegatte bei verständiger Würdigung diese Eheverfehlung noch als zerrüttend empfinden durfte oder eine Vertiefung der Zerrüttung durch die Verfehlung nicht ausgeschlossen werden kann, wie insbesondere bei Beleidigungen und Misshandlungen (RS0056887). Eheverfehlungen zu einer Zeit, zu der die gänzliche Zerrüttung der Ehe bereits eingetreten war und keiner der Ehegatten mehr eine Rettung der Ehe erhoffte, dürfen aber nicht derart schwer beurteilt werden, wie gleichartige Verfehlungen in einer Zeit, die zumindest noch von einem Teil als intakt empfunden wird (RS0057389).

4.1 Das verdichtete Rechtsbewusstsein des Klägers, der über Jahre hinweg unzählige Verfahren führte, überschattete das Leben der Streitteile derart, dass der Kläger seine Zeit ausschließlich mit dem Vorbereiten und Führen der Verfahren verbrachte. Er war auch nicht mehr imstande, über ein anderes Thema zu sprechen. Dieses Verhalten war zweifellos (einleitend) massiv ehezerstörend, ließ es doch keinen partnerschaftlichen Umgang, ein geistig‑seelisches Miteinander zu. Weiters ließ der Kläger die Beklagte über ihre finanzielle Situation trotz ihrer Nachfragen im Unklaren. Entgegen der Bitten der Beklagten war der Kläger nicht dazu bereit, Missstände auf den Konten zu verringern, sondern begegnete den entsprechenden Bitten der Beklagten lediglich mit der Errichtung zahlreicher unübersichtlicher Konten und Tabellen, die keine Aufklärung gaben. Auch dies ist eine schwere Eheverfehlung.

4.2 Demgegenüber hatte die Beklagte bereits 2007 eine – verziehene – ehewidrige Beziehung. 2012 begann sie eine weitere, die über vier Jahre – mit Unterbrechungen – andauerte und die sie während des anhängigen Scheidungsverfahrens, entgegen ihrer Beteuerungen, die Beziehung beendet zu haben, bis Ende 2015/Anfang 2016 fortsetzte. Weiters beschimpfte die Beklagte den Kläger immer wieder und setzte ihn herab. Auch dieses Verhalten war (insgesamt) massiv die Ehe schädigend. Hinzu kommen – allerdings nach der festgestellten Zerrüttung der Ehe – Tätlichkeiten der Beklagten gegenüber dem Kläger und das öffentliche Austauschen von Zärtlichkeiten mit dem Vermieter ihres Ferienappartements.

4.3 Wie ausgeführt ist ein überwiegendes Verschulden einer Seite nach der ständigen Judikatur nur dann auszusprechen, wenn es erheblich schwerer wiegt als das des anderen, der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt und das Verhalten der anderen Seite dagegen eher zu vernachlässigen ist. Weder das Verhalten des Klägers noch jenes der Beklagten tritt aber in diesem Sinn völlig in den Hintergrund. Beiden Parteien sind schwere Eheverfehlungen anzulasten. Im Hinblick auf das Verhalten des Klägers, das ein geistig‑seelisches Miteinander ausschloss, begründet der Ehebruch der Beklagten kein überwiegendes Verschulden. Auch die Berücksichtigung der anderen festgestellten Verhaltensweisen führt insgesamt zu dem Ergebnis, dass beide Parteien gleichermaßen zur Zerrüttung der Ehe beigetragen haben, weshalb in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen das gleichteilige Verschulden der Parteien auszusprechen war.

5. Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 43 Abs 1 ZPO. Im Fall eines gleichteiligen Verschuldens hat Kostenaufhebung einzutreten. Gemäß § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der halben Pauschalgebühr.

Ausgehend vom endgültigen Prozessergebnis und einem gleichteiligen Erfolg beider Parteien im Rechtsmittelverfahren hat die Beklagte Anspruch auf Ersatz der halben Pauschalgebühr des Berufungs- und Revisionsverfahrens (§§ 50 Abs 1, 43 Abs 1 letzter Satz ZPO; 1 Ob 67/06v).

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