OGH 7Ob198/17v

OGH7Ob198/17v21.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*-Aktiengesellschaft, *, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. G* F*, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Z* GmbH, und 2. B* Aktiengesellschaft, *, beide vertreten durch die Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Feststellung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 13. September 2017, GZ 40 R 104/17s‑24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 3. März 2017, GZ 5 C 103/16p‑16, berichtigt mit Beschluss vom 14. März 2017, GZ 5 C 103/16p‑18, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121337

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Stützt der Kläger das Klagebegehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, so entbindet ihn eine solche Leerformel nicht von der Verpflichtung, die rechtserzeugenden Tatsachen vorzubringen (RIS-Justiz RS0037591). Klagegrund ist nämlich das tatsächliche Vorbringen, also die kurze und vollständige Angabe der rechtserzeugenden Tatsachen. Das Gericht hat im Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes jenen Sachverhalt zu beurteilen, den ihm die Parteien unterbreiten. Soweit ein bestimmter Rechtsgrund ausdrücklich geltend gemacht wird, ist das Gericht daran gebunden und darf der Klage nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben. Hat sich der Kläger hingegen auf keinen bestimmten Rechtsgrund festgelegt, hat das Gericht den festgestellten Sachverhalt unter Zugrundelegung der beiderseitigen Behauptungen nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen. Eine unrichtige rechtliche Qualifikation wirkt sich dann nicht zum Nachteil des Klägers aus, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (4 Ob 12/02x mwN).

1.2. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, die Klägerin habe kein Sachvorbringen erstattet, welches die Beurteilung erlauben würde, dass der Erstbeklagte deshalb nicht (mehr) Bestandnehmer sei, weil seine Rechte auf die Zweitbeklagte übergegangen seien. Die daraus abgeleitete Folgerung, eine Klagsstattgebung aus diesem von der Klägerin sogar (und auch noch in ihrer Revision) ausdrücklich bestrittenen Klagsgrund wäre im vorliegenden Einzelfall eine Überschreitung des Klagebegehrens, ist nicht korrekturbedürftig und begründet daher nicht die Zulässigkeit der Revision.

2.1. Nach § 12a Abs 1 Satz 1 MRG tritt im Fall, dass der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen veräußert, der Erwerber des Unternehmens anstelle des bisherigen Hauptmieters in das Hauptmietverhältnis ein.

2.2. Demgemäß ist Voraussetzung des Mietrechtsübergangs, dass ein lebendes Unternehmen unter Wahrung der Unternehmensidentität veräußert wird und der Erwerber dieses Unternehmen zur Weiterführung übernimmt (9 Ob 4/05m mwN).

Für die Definition eines Unternehmens in diesem Sinn griff der Oberste Gerichtshof auf die zum Mietengesetz ergangene Rechtsprechung zurück. Danach ist als Unternehmen eine selbständig organisierte Erwerbsgelegenheit zu verstehen, die neben den Betriebsmitteln unter anderem auch den Standort, der wieder den Kundenstock beeinflusst, also den sogenannten Goodwill, umfasst. Um von einem lebenden Unternehmen sprechen zu können, ist es weder erforderlich, dass unbedingt sämtliche für ein solches in Betracht kommenden Erfordernisse gegeben sind, noch dass eine kaufmännische oder gewerbliche Tätigkeit vorliegt (5 Ob 284/97v mwN). Für die Übertragung eines lebenden Unternehmens ist es wesentlich, dass die ein Unternehmenszubehör bildenden Mietrechte im Zweifel an Bedeutung gegenüber den übrigen Unternehmenswerten, insbesondere gegenüber den immateriellen Unternehmenswerten (Goodwill) zurücktreten (vgl RIS-Justiz RS0010048). Die Identität des veräußerten Unternehmens mit dem vom Erwerber fortgeführten muss gewahrt bleiben (vgl RIS-Justiz RS0070075). An dieses Erfordernis sind keine strengen Anforderungen zu stellen, sodass auch die Verlagerung des Schwerpunkts von einer Warengattung auf die andere, der Vertrieb von Waren anderer Herkunft oder die Änderung der Ausgestaltung des Geschäftslokals nichts am Vorliegen einer Unternehmensveräußerung iSd § 12a Abs 1 MRG ändert, wenn nach wie vor die Identität des Unternehmens gewahrt bleibt; dies ist dann der Fall, wenn der Erwerber den Standort beibehält, den Kundenstock übernimmt und den Betrieb mit Waren von (im Wesentlichen) gleicher Art fortführt (9 Ob 4/05m mwN).

2.3. In der Rechtsprechung wird der Begriff des Unternehmens und dessen Fortbestehens als rechtliche und wirtschaftliche Einheit (RIS-Justiz RS0020398 [T1]) – als organisierte Erwerbsgelegenheit mit Allem, was zum Begriff des Goodwill gehört (RIS-Justiz RS0020398 [T4]) – seit jeher auch zur Abgrenzung von Miete und Pacht (§ 1091 ABGB) herangezogen: Als Pachtmerkmale (die nicht alle gleichzeitig erfüllt sein müssen – RIS-Justiz RS0020513 [T5]) werden– neben der Überlassung von Räumlichkeiten – angesehen, dass auch all das überlassen werden muss, was für den Betrieb eines in Bestand gegebenen Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand notwendig ist, somit die Betriebsmittel wie die Geschäftseinrichtung und das Warenlager, der Kundenstock, das erforderliche Personal und die Gewerbeberechtigung, sowie die Vereinbarung einer Betriebspflicht (RIS-Justiz RS0020398, RS0020513 [insb T15]; vgl RS0020338 [T12]), worin sich das wirtschaftliche Interesse des Bestandgebers an Tatsache und Art der Unternehmensfortführung zeigt (vgl RIS-Justiz RS0020513 [T9, T19]). Bei der Unterscheidung zwischen Geschäftslokalmiete und Unternehmenspacht kommt es immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz RS0031183, RS0020513 [T5], RS0020338 [T10], RS0020398 [T7, T13]).

2.4. Eine korrekturbedürftige inhaltliche Fehlbeurteilung der Vorinstanzen, die auf Grundlage der genannten Rechtsprechung im vorliegenden Einzelfall den Übergang eines lebenden Unternehmens bejahten, ist nicht erkennbar.

3. Auch die anderen in der Ausführung der Revision angesprochenen Fragen reichen nicht über die Bedeutung des vorliegenden Einzelfalls hinaus.

3.1. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand im Sinn des § 1118 erster Fall ABGB (§ 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG) liegt vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (vgl RIS-Justiz RS0020981, RS0067832, RS0068076, RS0102020), oder wenn durch das nachteilige Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Vermieters oder der anderen Mieter geschädigt oder gefährdet werden (vgl RIS-Justiz RS0020940, RS0021031, RS0070348). Diese Bestimmungen sollen die Möglichkeit für die Auflösung des Bestandverhältnisses bieten, weil das für sein Weiterbestehen erforderliche Vertrauen weggefallen ist. Grundlage für einen Auflösungsanspruch ist ein vertragswidriges Verhalten. Der Mieter muss sich also so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist (7 Ob 99/17k; RIS-Justiz RS0020867). Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0021018, RS0068103, RS0113693).

Im vorliegenden Fall wurden geringfügige Adaptierungsarbeiten wenige Tage vor der geplanten Unternehmensübergabe an die Zweitbeklagte durchgeführt, hinsichtlich welcher eine Substanzgefährdung weder behauptet wurde noch ersichtlich ist. Die Einschätzung der Vorinstanzen, dass weder dadurch noch durch den Umstand, dass diese Arbeiten drei Tage vor Ablauf des kartellrechtlichen Durchführungsverbots durchgeführt wurden, ein die Interessen des Vermieters erheblich beeinträchtigender Vertragsauflösungsgrund vorliegt, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Nichts anderes gilt für den Umstand, dass der Erstbeklagte eine Abschlagszahlung– welche die damalige Vermieterin als weit höhere Forderung in die Parteiengespräche eingeführt hatte und mit der sie am zwischen Erstbeklagtem und Zweitbeklagter vereinbarten Unternehmenskaufpreis partizipieren wollte – anbot.

3.2. Nicht korrekturbedürftig ist schließlich auch die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung der Mietvertragsklausel, wonach die Bestimmungen des MRG analog auf dieses Vertragsverhältnis anzuwenden sind, dass dies § 12a MRG einschließt, nicht jedoch § 1 MRG über den Geltungsbereich dieses Gesetzes.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte