Spruch:
Dem Revisionskurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Dauer dieses Rechtsstreites im geschäftlichen Verkehr zu verbieten,
a) öffentliche Filmvorführungen, insbesondere in St. Pölten im Rahmen des Internationalen Kultur- und Filmfestivals vom 26. 7. 2001 bis 2. 9. 2001 durchzuführen, wenn dabei näher genannte Vorschriften des nö Lichtschauspielgesetzes verletzt werden und/oder kein Eintrittsgeld verlangt wird, und
b) die Etablissementbezeichnung "VAP-Vienna Art Promotion Veranstaltungen & Eventmarketing" oder ähnliche sinngleiche Etablissementbezeichnungen bei der Ankündigung, Bewerbung und Durchführung öffentlicher Filmvorführungen zu verwenden.
Der Beklagte betreibe in Wien ein nicht protokolliertes Einzelunternehmen unter der genannten Bezeichnung und veranstalte jährlich in St. Pölten ein "Internationales Kultur- und Filmfestival" mit angeschlossener gastronomischer Versorgung der Besucher. Dadurch stehe er in einem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin, die in St. Pölten und Pasching Großkinos mit teilweise eigener Gastronomie betreibe. Infolge verschiedener Gesetzesverstöße (wie etwa Vorführung der Filme ohne die erforderliche behördliche Bewilligung oder Gewerbeberechtigung, ohne bestimmte feste Betriebsstätte, ohne Zutrittsbeschränkung für Personen unter 16 Jahren oder Kinder und Jugendliche bei Aufführung von nur für Erwachsene geeigneten Filmen oder ohne Ankündigung, für welche Altersstufe der jeweils vorgeführte Film zugelassen worden sei, Gratisfilmvorführungen außerhalb des Ausnahmebereiches des § 4 Abs 6 NÖ Lichtschauspielgesetz) verschaffe sich der Beklagte gegenüber der Klägerin einen sittenwidrigen Wettbewerbsvorteil. Dazu trage auch der Umstand bei, dass er nicht der Wirtschaftskammer angehöre und daher keine Kammerumlage abführe. Öffentliche Gratisfilmvorführungen ehemaliger "Kassenrenner" und Kultfilme sei als sittenwidriges, den Wettbewerb verzerrendes Preisschleudern zu beurteilen. Der Beklagte bezeichne sein Etablissement mit "Vienna Art Promotion"; dies sei sittenwidrig irreführend und täuschend, weil die Beifügung eines geographischen Zusatzes, noch dazu in englischer Sprache, ein internationales Unternehmen und hervorragende Bedeutung im örtlich bezeichneten Bereich vortäusche, während es sich in Wahrheit um einen "Ein-Mann-Betrieb" handle.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Er sei nicht Inhaber des Einzelunternehmens "Vienna Art Promotion", sondern nur Angestellter. Er sei somit für die Unterlassungsansprüche nicht passiv legitimiert. Er veranstalte selbst kein Filmfestival, sondern sei bloß Dienstnehmer und daher Mitglied der Kammer für Arbeiter und Angestellte. Aus diesem Grund stünde er zur Klägerin auch nicht in einem Wettbewerbsverhältnis. Die behaupteten Gesetzesverletzungen seien nicht erfolgt. Weil er selbst kein Etablissement besitze, könne er es auch nicht als "Vienna Art Promotion" bezeichnen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es hielt folgenden Sachverhalt für bescheinigt: Der Beklagte ist Dienstnehmer der Dr. Kurda Al Kadhi Veranstaltungsagentur. Weder er noch die "Vienna Art Promotion" sind Mitglieder der Wirtschaftskammern Wien und Niederösterreich. Der Beklagte ist nicht Veranstalter des am Rathausplatz in St. Pölten stattfindenden internationalen Kultur- und Filmfestivals vom 26. 7. bis 2. 9. 2001. Für diesen Zeitraum wurde Dr. Kurda Al Kadhi mit Bescheid der nö Landesregierung vom 13. 7. 2001 die Bewilligung zur Veranstaltung von allen Arten von Lichtschauspielen im Rahmen des internationalen Kultur- und Filmfestivals St. Pölten erteilt und die Betriebsstätte genehmigt. Nicht bescheinigt ist, dass der Beklagte unter der Bezeichnung "Vienna Art Promotion" in Wien ein nicht protokolliertes Einzelunternehmen betreibt oder diese Bezeichnung (mit dem Zusatz "Veranstaltungen und Eventmarketing") als Etablissementbezeichnung bei der Ankündigung, Bewerbung und Durchführung öffentlicher Filmvorführungen verwendet. Rechtlich hielt das Erstgericht den Einwand der mangelnden Passivlegitimation für berechtigt, weil die dem Beklagten zur Last gelegten Verhaltensweisen (Veranstalten von Filmvorführungen, Betreiben eines Unternehmens unter einer bestimmten Bezeichnung) nicht bescheinigt worden seien.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig sei. Soweit die Rechtsrüge davon ausgehe, dass der Beklagte als "Mittelsmann" oder "für die VAP" aufgetreten sei, gehe sie nicht vom bescheinigten Sachverhalt aus und sei nicht gesetzmäßig ausgeführt. Soweit es um die Verwendung einer Etablissementbezeichnung gehe, könne eine solche Handlung auch demjenigen vorgeworfen werden, der nicht selbst das Unternehmen betreibe, sondern als Angestellter des Unternehmensinhabers unter dieser Bezeichnung auftrete; allerdings sei das diesbezügliche Vorbringen unzureichend und auch das Unterlassungsbegehren zu weit gefasst. Darin solle nämlich dem Beklagten generell die Verwendung der beanstandeten Bezeichnung ohne Hinweis darauf verboten werden, worin die Irreführung oder Täuschung liege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Haftung des Beklagten für den behaupteten Wettbewerbsverstoß unrichtig beurteilt hat; das Rechtsmittel ist in seinem Aufhebungsantrag berechtigt.
Die Klägerin verweist darauf, dass sie dem Beklagten bestimmte wettbewerbswidrige Handlungen vorwerfe, nämlich die Durchführung von Kinovorführungen unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften und die Führung einer täuschungsfähigen Etablissementbezeichnung; ob aber der Beklagte als unmittelbarer Täter oder als Mittäter (gemeint wohl: als Gehilfe) zu beurteilen sei, habe das Gericht unter Berücksichtigung aller rechtlichen Gesichtspunkte des behaupteten Sachverhalts zu prüfen. Diese Ausführungen sind zutreffend.
Klagegrund ist das tatsächliche Vorbringen, also die kurze und vollständige Angabe der rechtserzeugenden Tatsachen (Fasching, LB² Rz 1040; SZ 44/41; ÖBl 1987, 132 ua). Das Gericht hat im Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes jenen Sachverhalt zu beurteilen, den ihm die Parteien unterbreiten (SZ 42/138; RdW 1986, 272). Soweit ein bestimmter Rechtsgrund ausdrücklich geltend gemacht wird, ist das Gericht daran gebunden und darf der Klage nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben (SZ 68/178 mwN). Hat sich der Kläger hingegen auf keinen bestimmten Rechtsgrund festgelegt, hat das Gericht den festgestellten Sachverhalt unter Zugrundelegung der beiderseitigen Behauptungen nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (Fasching aaO Rz 647; JBl 1978, 200; EvBl 1991/169 uva). Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen (MietSlg 38.775f). Eine unrichtige rechtliche Qualifikation wirkt sich dann nicht zum Nachteil des Klägers aus, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (MietSlg 38.776).
Die Klägerin wirft dem Beklagten im Wesentlichen vor, öffentliche Filmvorführungen unter Missachtung gesetzlicher Vorschriften veranstaltet und bei dieser Tätigkeit eine täuschungsfähige Etablissementbezeichnung verwendet zu haben. Nach dem bescheinigten Sachverhalt ist der Beklagte Dienstnehmer einer Veranstaltungsagentur; nicht er, sondern sein Dienstgeber ist als Veranstalter das Internationalen Kultur- und Filmfestivals 2001 in St. Pölten aufgetreten. Nicht bescheinigt ist, dass der Beklagte ein Einzelunternehmen mit der beanstandeten Etablissementbezeichnung führt.
Bei dieser Sachlage übersieht die Beurteilung der Vorinstanzen, dem Beklagten fehle die passive Klagelegitimation, dass die wettbewerbsrechtliche Verantwortung des Beklagten nicht schon allein deshalb entfällt, weil er Dienstnehmer des gegenüber der zuständigen Landesregierung als verantwortlicher Veranstalter in Erscheinung getretenen Unternehmers ist. Mag nämlich auch der Beklagte in der Klage fälschlich als Unternehmer und Lichtspielveranstalter bezeichnet worden sein, ändert diese unrichtige rechtliche Qualifikation durch den Kläger nichts daran, dass der Beklagte auch als (weisungsabhängiger) Dienstnehmer für sein Verhalten wettbewerbsrechtlich verantwortlich sein kann.
Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch richtet sich zunächst gegen den Rechtsverletzer, also den unmittelbaren Täter ("Störer"); das ist derjenige, der sich tatbestandsmäßig verhält (vgl ÖBl 1990, 154 - Media-Analyse 1988), von dem die Beeinträchtigung ausgeht und auf dessen maßgeblichen Willen sie beruht (Gamerith, Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen "Gehilfen", WBl 1991, 305 ff [306] mwN zu Lehre und Rsp in FN 2 - 4). Die Passivlegitimation scheitert nicht daran, dass der Beklagte Arbeitnehmer ist (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 34 Rz 42). Die Handlungen von Betriebsangehörigen sind Wettbewerbshandlungen, wenn sie der Förderung des Wettbewerbs des Unternehmers dienen. Diese Personen können sich in Bezug auf ihre zivilrechtliche Haftung nicht darauf berufen, in fremdem Auftrag gehandelt zu haben, doch setzt ihre Verurteilung Wettbewerbsabsicht voraus (Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht³ 73).
Unselbständig Tätige, die fremden Wettbewerb fördern, also zugunsten oder zu Lasten dritter "Wirtschaftstreibender" in den Marktablauf eingreifen, agieren im geschäftlichen Verkehr. Handeln im geschäftlichen Verkehr des Unternehmens liegt bei jeder unternehmensbezogenen Handlung eines Bediensteten oder Beauftragten vor. Dieses Tatbestandsmerkmal ist unabhängig davon, ob der Bedienstete die Handlung "ohne eigene willensmäßige mitbestimmende Beteiligung" begangen hat. Auch ein einfacher Verkäufer, der über eine Ware zur Irreführung geeignete Angaben nur deshalb macht, weil er dies von anderen Verkäufern so gehört (sich aber sonst nichts dabei gedacht) hat, handelt im "geschäftlichen Verkehr". Würde man den Begriff auf die Förderung eigener Geschäftszwecke beschränken, könnte Förderung fremden Wettbewerbs durch Unselbständige bei Tatbeständen, die geschäftlichen Verkehr voraussetzen, nie wettbewerbswidrig sein (Gamerith aaO 312).
Die Verurteilung wegen eines Wettbewerbsverstoßes, zu dessen Tatbestand Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs gehört, setzt voraus, dass die Wettbewerbshandlung subjektiv von der entsprechenden Wettbewerbsabsicht getragen ist (SZ 55/111 = ÖBl 1983, 127 - Immobilien-Abgabeprovision; ÖBl 1999, 229 - ERINASOLUM mwN). Der Störer muss also in der Absicht handeln, eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Wettbewerbers zu fördern. Das erfordert in Bezug auf den wettbewerblichen Charakter des Verhaltens, dass sich der Störer mindestens der Wirkung seiner Handlung auf die Beeinflussung der Marktverhältnisse bewusst ist, diese also, wenn schon nicht bezweckt, so doch jedenfalls in Kauf nimmt. Dazu muss aber der Handelnde mindestens jene Tatumstände kennen, die diese Beeinflussung der Marktverhältnisse hervorrufen, wenn auch nicht die darüber hinausgehenden verschuldensbegründenden Faktoren. Beim unmittelbaren Täter ist ein Handeln in Wettbewerbsabsicht ohne Kenntnis jener Tatumstände kaum denkbar (Gamerith aaO 312).
Ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht haben die Vorinstanzen die passive Klagelegitimation unrichtig beurteilt. Nach dem bisherigen Verfahrensstand und unter Berücksichtigung des bisher erstatteten Vorbringens kann die wettbewerbsrechtliche Verantwortung des Beklagten als unmittelbarer Täter mit der Absicht, den Wettbewerb seines Dienstgebers zu fördern, nicht abschließend beurteilt werden. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren daher zu prüfen haben, ob der Beklagte die ihm in der Klage vorgeworfenen Handlungen - wenn auch nicht als selbständiger Unternehmer, sondern im Auftrag seines Dienstgebers - begangen hat, und es wird sodann unter Beachtung der aufgezeigten Grundsätze über den Sicherungsantrag neuerlich zu entscheiden haben. Sollte der Sicherungsantrag berechtigt sein, wird das Erstgericht zu beachten haben, dass das Unterlassungsgebot nur zukünftiges Verhalten umfassen kann; konkrete Handlungen des Beklagten in der Vergangenheit fallen - mögen sie damals auch wettbewerbswidrig gewesen sein - jedenfalls nicht darunter.
Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.
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