OGH 7Ob169/22m

OGH7Ob169/22m9.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *, vertreten durch die Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei G* Versicherung AG, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Juli 2022, GZ 3 R 82/22h‑26, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 14. März 2022, GZ 53 Cg 18/21z‑20, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00169.22M.1109.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist ein klageberechtigter Verein im Sinn des § 29 Abs 1 KSchG.

[2] Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen, das im gesamten österreichischen Bundesgebiet tätig ist. Sie schließt regelmäßig Rechtsschutzversicherungsverträge mit Verbrauchern, denen sie die von ihr vorformulierten „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-versicherung 2019 (ARB 2019)“ zugrunde legt. Diese enthalten folgende Klauseln:

Klausel 1: Art 7.1.4. ARB 2019

Artikel 7

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen […]

1.4. in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.“

Klausel 3: Art 19.2.2.2. ARB 2019 (im Baustein Straf-Rechtsschutz)

Artikel 19

Schadenersatz- und Straf-Rechtsschutz für den Privat-, Berufs- und Betriebsbereich

[...]

2.2. Straf-Rechtsschutz

für die Verteidigung in Strafverfahren vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden

2.2.2. […]

Unabhängig vom Verfahrensausgang besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherte bereits mindestens ein Mal rechtskräftig wegen eines einschlägigen Vorsatzdeliktes verurteilt wurde.“

Klausel 4: Art 10.3. ARB 2019

Artikel 10

Wer wählt den Rechtsvertreter aus, durch wen und wann wird dieser beauftragt und was hat bei Vorliegen einer Interessenkollision zu geschehen?

[...]

3. Das Wahlrecht nach Pkt. 1. und 2. bezieht sich nur auf Personen, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde haben, die für das durchzuführende Verfahren in erster Instanz zuständig ist. Wenn am Ort dieses Gerichtes oder dieser Verwaltungsbehörde nicht mindestens vier solche Personen ihren Kanzleisitz haben, erstreckt sich das Wahlrecht auf eine im Sprengel des zuständigen Landesgerichtes ansässige vertretungsbefugte Person.“

[3] Der Kläger strebt mit seinem Unterlassungsbegehren an, der Beklagten die Verwendung der drei oder sinngleicher Klauseln zu verbieten und ihr zu verbieten, sich auf diese zu berufen. Die Klauseln würden gegen gesetzliche Verbote sowie gegen die guten Sitten verstoßen und seien für den Verbraucher gröblich benachteiligend und intransparent. Weiters erhob der Kläger ein Urteilsveröffentlichungsbegehren.

[4] Die Beklagte wendete ein, die Klauseln stünden mit dem Gesetz und den guten Sitten im Einklang. Sie seien nicht gröblich benachteiligend und ausreichend klar formuliert.

[5] Das wesentliche Vorbringen der Parteien zu den einzelnen Klauseln wird – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – bei der Behandlung der jeweiligen Klausel dargestellt.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge, wies das Klagebegehren betreffend die Klauseln 2 und 3 ab und bestätigte das Klagebegehren betreffend die Klauseln 1 und 4. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen wird bei den jeweiligen Klauseln wiedergegeben. Das Klagebegehren betreffend Klausel 2 wurde rechtskräftig und ist daher nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

[8] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Klausel 1 zwar in der Rechtsprechung bereits behandelt worden sei, aber nicht in einem Verbandsprozess, sondern in einem Individualprozess zwischen Unternehmern und zur Klausel 3 Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

[9] Dagegen richten sich die Revisionen des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren hinsichtlich Klausel 3 stattzugeben, und der Beklagten mit dem Begehren, das Klagebegehren hinsichtlich der Klauseln 1 und 4 abzuweisen. Hilfsweise werden jeweils Aufhebungsanträge gestellt.

[10] Die Prozessgegner beantragen jeweils die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Beide Revisionen sind zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die Klausel 1 noch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 6 Abs 3 KSchG und die Klausel 3 überhaupt noch nicht beurteilt hat. Sie sind jedoch nicht berechtigt.

1. Für sämtliche Klauseln sind folgende Grundsätze im Verbandsprozess maßgeblich:

[12] 1.1. Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB geht der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vor (RS0037089). Objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein „Überrumpelungseffekt“ inne wohnen (RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]; RS0014627 [T3]). Auf ihren Inhalt allein kommt es aber nicht an. Er spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (RS0014659 [T2]). Die Bestimmung darf im Text nicht derart „versteckt“ sein, dass sie der Vertragspartner – ein durchschnittlich sorgfältiger Leser – dort nicht vermutet, wo sie sich befindet und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0014646 [T14]; RS0105643 [T2]). Gegen die für die Art des Rechtsgeschäfts typischen Vertragsbestimmungen kann auch ein unerfahrener Vertragspartner nicht ins Treffen führen, er sei von ihnen überrascht worden (RS0014610). Die Ungewöhnlichkeit eines Inhalts ist nach dem Gesetzestext objektiv zu verstehen (RS0014627). Erfasst sind alle dem Kunden nachteiligen Klauseln; eine gröbliche Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234). Die Geltungskontrolle ist nicht allein auf Nebenabreden beschränkt, sondern umfasst auch Vertragsbestimmungen über die Begründung, Umgestaltung bzw Erweiterung der Hauptpflichten (RS0014603).

[13] 1.2. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ (RS0016914). Ein Abweichen vom dispositiven Recht wird unter Umständen schon dann eine „gröbliche“ Benachteiligung des Vertragspartners sein können, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung ergibt. Dies ist jedenfalls anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (RS0016914 [T3, T4, T6]). Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall gilt (RS0014676 [T7, T13, T43]).

[14] 1.3. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll dem Kunden ermöglichen, sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit der formellen Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2]). Mit dem Verbandsprozess soll nicht nur das Verbot von gesetzwidrigen Klauseln erreicht, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher – durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position – von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegen. Daraus kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für einen Kunden andernfalls unklar bleiben (RS0115217 [T8]; RS0115219 [T1, T14, T21]; RS0121951 [T4]).

[15] 1.4. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion – wie auch im Individualprozess – im Verbandsprozess nicht möglich ist (RS0038205 [insbesondere T20]).

Zu den einzelnen Klauseln in den ARB 2019:

2. Klausel 1 lautet:

„Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.“

[16] Die Klausel findet sich in Art 7.1.4. ARB 2019 („Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?“).

[17] 2.1. Der Kläger wendet sich gegen die Klausel, weil sie gegen § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 3 KSchG verstoße. Er verwies auf eine rechtskräftige zweitinstanzliche Entscheidung und brachte im Wesentlichen vor, die Klausel konkretisiere nicht, wann ein Sachverhalt in einem mittelbaren Zusammenhang mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung in einer Ausnahmesituation stehe. Der Schutzzweck des Risikoausschlusses, unüberschaubare und unkalkulierbare Teilrisiken auszunehmen, werde dadurch überspannt. Es bestehe die Gefahr einer uferlosenAusdehnung der „Mittelbarkeit“. Die Tatbestandsmerkmale „hoheitsrechtliche Anordnungen“, „Ausnahmesituation“ und „Personenmehrheit“ seien zudem unbestimmt. Das Abstellen auf die Kausalität ohne Berücksichtigung der Adäquanz führe dazu, dass der Umfang des Risikoausschlusses gänzlich unklar bleibe.

[18] 2.2. Die Beklagte verwies auf 7 Ob 42/21h und entgegnete zusammengefasst, der Ausschluss bezwecke, keine Deckung für besonders schwer kalkulierbare, weil unüberschaubare Risiken zu gewähren. Es gebe keine einschlägige dispositive Regelung. Es müsse ein zumindest mittelbarer Zusammenhang zwischen der hoheitsrechtlichen Anordnung und der Ausnahmesituation bestehen. Es sei nicht der Willkür der Beklagten überlassen, den Umfang des Risikoausschlusses zu bestimmen. Die Tatbestandsmerkmale seien ausreichend präzise.

[19] 2.3. Das Erstgericht sah die Klausel als unzulässig an, sowohl nach § 879 Abs 3 ABGB als auch nach § 6 Abs 3 KSchG. Es schloss sich im Wesentlichen der Argumentation des Klägers und einer zweitinstanzlichen Entscheidung an, wonach keine sachliche Rechtfertigung für einen derart weiten Risikoausschluss erkennbar sei und seine Tatbestandsmerkmale unbestimmt seien.

[20] 2.4. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es schloss sich der im Individualprozess zwischen zwei Unternehmern ergangenen Entscheidung zu 7 Ob 42/21h, wonach diese Klausel den Versicherungsnehmer nicht gröblich im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB benachteilige, auch für den Verbandsprozess an. Auch gegenüber einem Verbraucher habe der Versicherer ein legitimes Interesse an einer zuverlässigen Tarifkalkulation. Der Versicherungsnehmer könne von einer Rechtsschutzversicherung nicht erwarten, dass sie besonders schwer kalkulierbare, weil unabsehbare Risiken decke, die sich im Gefolge eines außergewöhnlichen Ereignisses verwirklichten, das behördliche Maßnahmen gegen eine größere Anzahl von Personen erfordere. Das vom Kläger als fehlend kritisierte Adäquanzkriterium – im Sinne eines „adäquaten“ Zusammenhangs – sei der Klausel 1 immanent, weshalb sie den Verbraucher auch nicht gröblich benachteilige.

[21] Zur Frage des Verstoßes der Klausel 1 gegen das Transparenzgebot (§ 6 Abs 3 KSchG) sei festzuhalten, dass „hoheitsrechtliche Anordnungen“ dann vorlägen, wenn ein mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteter Rechtsträger zur Erreichung seiner Ziele die ihm aufgrund seiner spezifischen Macht gegebene einseitige Anordnungsbefugnis gebrauche, demnach als Träger dieser besonderen Befehls‑ und Zwangsgewalt („Imperium“) auftrete. Eine „Anordnung“ in diesem Sinn sei nur ein verbindlicher, also ein durchsetzbarer Rechtsakt; darunter fielen nicht unverbindliche Standards, Warnungen oder Empfehlungen. Die „Personenmehrheit“ stehe sowohl im juristischen als auch im allgemeinen Sprachgebrauch für „mehr als eine Person“. Nach dem im Verbandsprozess maßgeblichen Wortlaut erfasse die Klausel nur jene hoheitsrechtlichen Anordnungen, die „an eine Personenmehrheit gerichtet“ seien. Das seien alle hoheitsrechtlichen Anordnungen, deren Adressat mehr als eine Person sei. Die vom Erstgericht angesprochenen gleichlautenden Bescheide an eine große Zahl von Einzelpersonen seien vom Wortlaut nicht erfasst. Für einen Verbraucher sei aufgrund der Formulierung in der Klausel 1 klar, stehe sein rechtliches Interesse in einem – adäquaten – Zusammenhang mit einer aufgrund einer „Ausnahmesituation“ an eine Personenmehrheit gerichteten hoheitlichen Anordnung, falle es unter den Risikoausschluss. Die Formulierung schließe im Ergebnis alle rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen solcher hoheitlichen Anordnungen vom Versicherungsschutz aus, unabhängig davon, ob die rechtlichen Interessen gegen denjenigen gerichtet seien, der die Anordnungen erlassen habe oder gegen Dritte. Der Verbraucher werde zwar den „unmittelbaren“ Zusammenhang nicht präzise vom „mittelbaren“ Zusammenhang abgrenzen können. Er verstehe aber, dass jeder adäquate Zusammenhang seine rechtlichen Interessen mit einer der in den Klauseln genannten Anordnungen ausreiche, um den Risikoausschluss zu begründen.

[22] In der Entscheidung 7 Ob 42/21h habe der Oberste Gerichtshof die COVID‑19-Pandemie unter den Begriff der „Ausnahmesituation“ subsumiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei die „Ausnahmesituation“ eine außergewöhnliche oder unübliche Situation, was den Inhalt des Begriffs aber nicht klarer mache. Ein in der Literatur gemachter Vorschlag, zur Auslegung dieses Begriffs auf die demonstrative Aufzählung der „außerordentlichen Zufälle“ in § 1104 ABGB zurückzugreifen, erscheine zwar sinnvoll; es gebe aber keine Anhaltspunkte, dass der durchschnittlich verständige Verbraucher den Begriff der „Ausnahmesituation“ in diesem Sinn verstehe. Der unbestimmte Begriff lasse daher Interpretationen zu. Dies liege weniger daran, dass die Klausel keine „Regelsituation“ definiere, als daran, dass sie die „Ausnahmesituation“ nicht näher beschreibe, etwa durch die Bezugnahme auf die Beispiele des § 1104 ABGB. Der Wortsinn von „Ausnahmesituation“ reiche von der bloß unüblichen Situation bis hin zum nicht beherrschbaren außerordentlichen Zufall im Sinn des § 1104 ABGB. Der Verbraucher könne folglich die Reichweite des Risikoausschlusses – und damit seine Rechtsposition – nicht verlässlich abschätzen. Es bestehe die Gefahr, dass er aufgrund dieses unbestimmten Begriffs davon absehe, allenfalls berechtigte Ansprüche geltend zu machen. Insofern sei die Klausel intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

2.5. Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt:

[23] 2.5.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits zu 7 Ob 42/21h mit dem identischen Risikoausschluss (dort Art 7.1.4 ARB 2006) im Zusammenhang mit behördlichen Anordnungen zur Bekämpfung der COVID‑19-Pandemie beschäftigt. Der Oberste Gerichtshof hielt dazu fest, dass Verordnungen, die „verkehrsbeschränkende“ Maßnahmen anordneten, und die sich nicht gegen ein einzelnes Unternehmen gerichtet und nicht eine individuelle Betriebsschließung angeordnet hätten, sondern sich – bezirks‑oder landesweit – grundsätzlich an die gesamte Bevölkerung richteten, als „hoheitsrechtliche Anordnungen“, die an eine Personenmehrheit gerichtet waren, anzusehen sind (Rz 19). Die COVID‑19-Pandemie sei als „Ausnahmesituation“ zu qualifizieren. Der Risikoausschluss lasse nicht allein den Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen genügen, sondern verlange zusätzlich, dass diese aufgrund einer Ausnahmesituation erfolgen und sich überdies an eine Personenmehrheit richten. Dadurch wird klar, dass damit besonders schwer kalkulierbare, weil unabsehbare Risiken ausgeschlossen werden sollen, die sich im Gefolge eines außergewöhnlichen Ereignisses verwirklichen, das behördliche Maßnahmen gegen eine größere Anzahl von Personen erfordert (Rz 30). Strebt ein Versicherungsnehmer die Geltendmachung von Ansprüchen gegen seinen Betriebsunterbrechungsversicherer an, die darauf beruhten, dass infolge behördlicher Anordnungen zur Bekämpfung der COVID‑19-Pandemie an die Allgemeinheit gerichtete, bezirks- bzw landesweite Betretungsverbote für Beherbergungsbetriebe angeordnet waren, liege darin jedenfalls ein den Risikoausschluss begründender „mittelbarer“ Zusammenhang im Sinn des Art 7.1.4 ARB 2006 zwischen der angestrebten Rechtsverfolgung und jenen behördlichen Anordnungen vor (RS0133588).

[24] 2.5.2. Der Oberste Gerichtshof hat den inhaltsgleichen Risikoausschluss wie in der Klausel 1 in diesem Prozess zwischen zwei Unternehmern als nicht gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB angesehen. Zum einen besteht keine einschlägige dispositive Regelung, an der man sich im fraglichen Zusammenhang orientieren könnte. Zum anderen bezweckt der Ausschluss, keine Deckung für besonders schwer kalkulierbare, weil unabsehbare Risiken zu gewähren, die sich im Gefolge eines außergewöhnlichen Ereignisses verwirklichen, das überdies behördliche Maßnahmen gegen eine größere Anzahl von Personen erfordert. Ein so gestalteter Ausschluss entspricht auch den Interessen der Versicherungsnehmer nach zuverlässiger Tarifkalkulation (Rz 35; Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB ebenfalls verneinend Kronthaler in EvBl 2021/119; ders, Rechtsschutzversicherung: Die COVID‑19‑Pandemie als ausgeschlossenes Risiko?, Zak 2021/588, 324 [327 f]).

[25] Die Beklagte wendet sich naturgemäß nicht gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass Klausel 1 nicht gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB ist. Darauf braucht daher im Revisionsverfahren nicht eingegangen werden.

[26] 2.5.3. Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, dass die Begriffe „hoheitsrechtliche Anordnungen“, „Personenmehrheit“ und „in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang“ nicht intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG sind. „Hoheitsrechtliche Anordnungen“ an eine „Personenmehrheit“ liegen dann vor, wenn ein mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteter Rechtsträger zur Erreichung seiner Ziele die ihm aufgrund seiner spezifischen Macht gegebene einseitige Anordnungsbefugnis gebraucht, demnach als Träger dieser besonderen Befehls‑ und Zwangsgewalt („Imperium“) auftritt (vgl RS0130809; RS0049882 [T5]) und sich diese Anordnung „an eine Personenmehrheit“ richtet, damit an mehr als eine Person als Adressaten. Darunter fallen auch Bescheide. Für einen „unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang“ mit einer „hoheitsrechtlichen Anordnung“ ist zunächst eine (reine) Kausalverknüpfung im Sinn der conditio sine qua non erforderlich (7 Ob 42/21h [Rz 29]). Zudem muss das rechtliche Interesse des Versicherungsnehmers in einem– adäquaten – Zusammenhang mit einer aufgrund einer „Ausnahmesituation“ an eine Personenmehrheit gerichteten hoheitsrechtlichen Anordnung stehen. Der Risikoausschluss kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn sich die typische Risikoerhöhung, die zur Aufnahme gerade dieses Ausschlusses geführt hat, verwirklicht. Es bedarf – wie im Schadenersatzrecht zur Haftungsbegründung – eines adäquaten Zusammenhangs zwischen dem Rechtsstreit und der „hoheitsrechtlichen Anordnung“. Entgegen dem Argument des Klägers sind diese Begriffe nicht „zu schwammig“, sondern weisen auch für einen Verbraucher klare Konturen auf.

[27] Unklar und daher intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG ist jedoch der Begriff „Ausnahmesituation“. Als „Ausnahmesituation“ wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine „außergewöhnliche, unübliche, eine Ausnahmesituation darstellende Situation“ verstanden (https://www.duden.de/rechtschreibung/Ausnahmesituation ). Nach der Intention der Klausel 1 erfasst der Ausschluss sogenannte Kumulrisiken (vgl Schalke, Corona‑Fälle aus der Rechtsschutzpraxis, NJW 2020, 2758). Zwar kann zum Begriff „Ausnahmesituation“ die allgemein verständliche, durchaus lebensnahe demonstrative Aufzählung „außerordentlicher Zufälle“ in § 1104 ABGB zählen (Kronthaler in EvBl 2021/119). Damit der Risikoausschluss zur Anwendung gelangt, muss die „Ausnahmesituation“ von einer „Regelsituation“ abweichen. Der Begriff „Ausnahmesituation“ wird von der Beklagten nicht näher definiert. Er ist so unbestimmt, dass im allgemeinen Sprachbereich gerade keine klaren Kriterien bestehen, die eine zweifelsfreie Zuordnung jeder möglichen Situation entweder als Regelfall oder als Ausnahme zulassen. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der in der Klausel 1 verwendete Begriff zahlreiche Interpretationen zulässt, die von der bloß unüblichen Situation bis hin zum nicht beherrschbaren außerordentlichen Zufall im Sinn des § 1104 ABGB reichen. Da der Verbraucher aber die Reichweite des Risikoausschlusses – und damit seine Rechtsposition – nicht verlässlich abschätzen kann, besteht die Gefahr, dass er aufgrund des unbestimmten Begriffs „Ausnahmesituation“ davon absieht, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den beklagten Versicherer geltend zu machen.

[28] 2.5.4. Die Klausel 1 ist damit intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG.

3. Klausel 3:

„Unabhängig vom Verfahrensausgang besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherte bereits mindestens einmal rechtskräftig wegen eines einschlägigen Vorsatzdeliktes verurteilt wurde.“

[29] Die Klausel findet sich in Art 19.2.2.2. ARB 2019 des Rechtsschutzbausteins Straf‑Rechtsschutz.

[30] 3.1. Der Kläger brachte vor, die Klausel verstoße gegen § 864a ABGB und § 879 Abs 3 ABGB, weil der Risikoausschluss auch dann gelte, wenn die Vorstrafe wegen eines Vorsatzdelikts bereits getilgt sei und/oder wenn der Versicherungsnehmer im Folgeverfahren nur wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts verurteilt oder gar freigesprochen werde. Das sei für den Verbraucher überraschend und nachteilig (§ 864a ABGB) und benachteilige ihn gröblich (§ 879 Abs 3 ABGB). Die Klausel sei auch intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG), weil nicht klar sei, was eine „einschlägige Vorverurteilung“ sei. Es bleibe insbesondere offen, ob auch verwaltungsbehördliche Vorverurteilungen die Deckung ausschließen.

[31] 3.2. Die Beklagte verteidigte die Bestimmung als sachlich gerechtfertigt und transparent. Der Versicherungsnehmer könne beim Straf-Rechtsschutz nicht erwarten, dass alle Auseinandersetzungen gedeckt seien. Es gehe darum, erhöhte Risiken vom Versicherungsschutz auszuschließen. In der Rechtsschutzversicherung sei die Deckung schon gesetzlich ausgeschlossen, wenn der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei (§§ 61, 152 VersVG). Der Verbraucher wisse, was eine „einschlägige Vorverurteilung“ sei.

[32] 3.3. Das Erstgericht folgte der Argumentation des Klägers und gab dem Klagebegehren statt. Aus § 1 Tilgungsgesetz (TilgG) folge, dass auch der Versicherer dem Versicherungsnehmer keine getilgten Verurteilungen entgegenhalten dürfe, weshalb die Berücksichtigung getilgter Verurteilungen gröblich benachteiligend sei (§ 879 Abs 3 ABGB). Die Klausel sei auch intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne nicht zweifelsfrei feststellen, ob eine „einschlägige Vorverurteilung“ vorliege.

[33] 3.4. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten statt und wies das Klagebegehren hinsichtlich dieser Klausel ab. Klausel 3 normiere einen Risikoausschluss. Das Risiko, wegen einer Vorsatztat verfolgt zu werden, liege bei Versicherungsnehmern, die bereits ein Mal wegen eines einschlägigen Vorsatzdelikts verurteilte worden seien, (ex ante betrachtet) höher als bei Personen, die zuvor noch nicht wegen eines einschlägigen Vorsatzdelikts verurteilt worden seien. Der Beklagten sei zuzugestehen, dass sie dieses erhöhte Risiko nicht tragen wolle. Die Klausel biete keine wesentliche Einschränkung gegenüber dem Standard, den der Versicherungsnehmer beim Straf‑Rechtsschutz erwarten könne. Dispositive Regelungen, von denen die Beklagte zum Nachteil des Verbrauchers abweichen würde, seien nicht ersichtlich. Der Risikoausschluss sei daher nicht überraschend (§ 864a ABGB) und sachlich gerechtfertigt (§ 879 Abs 3 ABGB). § 1 TilgG habe auf nachteilige Folgen, die aufgrund eines im Rahmen der bürgerlich‑rechtlichen Privatautonomie geschlossenen Vertrags mit einer Verurteilung verbunden seien, keinen Einfluss. Diese Bestimmung stehe einem privatautonom vereinbarten Risikoausschluss, der getilgte und nicht getilgte Vorverurteilungen gleichbehandle, nicht entgegen.

[34] Die Klausel 3 sei auch nicht intransparent. Die Beschränkung des Risikoausschlusses auf „einschlägige“ Vorverurteilungen sei für den Verbraucher günstiger als die Anknüpfung an jegliche Vorverurteilung. Mit „einschlägigen Vorverurteilungen“ seien solche wegen Taten gemeint, die „auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen“ (vgl § 71 StGB). Auch der Oberste Gerichtshof verwende das Wort „einschlägig“ in Strafsachen regelmäßig in diesem Zusammenhang. Das Wort „einschlägig“ sei, wenngleich ihn das Gesetz nicht verwende, ein strafrechtlicher Fachbegriff. Das Transparenzgebot stehe der Verwendung von Fachbegriffen nicht entgegen: Es setze voraus, dass Begriffe verwendet werden, die dem Verbraucher geläufig seien oder von ihm jedenfalls festgestellt werden könnten. Was eine „einschlägige Vorverurteilung“ sei, sei jedenfalls für einen Verbraucher feststellbar; dass Juristen mitunter schwer feststellen könnten, ob eine Vortat „auf der gleichen schädlichen Neigung beruht“, mache den Begriff noch nicht intransparent. Dass eine Vorverurteilung sowohl eine gerichtliche als auch eine verwaltungsbehördliche sein könne, ergebe sich aus dem unmittelbaren Zusammenhang des Risikoausschlusses mit dem „Straf‑Rechtsschutz für die Verteidigung in Strafverfahren vor Gerichten oder vor Verwaltungsbehörden“. Auch insofern sei keine Intransparenz zu erkennen.

[35] 3.5. Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

[36] 3.5.1. Die Klausel 3 regelt einen Risikoausschluss. Kein Versicherungsschutz im Straf‑Rechtsschutz besteht im Zusammenhang mit der Strafverfolgung wegen Handlungen und Unterlassungen, die nur vorsätzlich begangen werden können, wenn der Versicherte bereits mindestens ein Mal rechtskräftig wegen eines einschlägigen Vorsatzdelikts verurteilt wurde. Ein Versicherungsnehmer hat stets mit Risikoausschlüssen und ‑begrenzungen zu rechnen, weil es in Österreich keine All‑Risk‑Versicherung gibt (RS0119747).

[37] 3.5.2. Dem Versicherer steht es frei, bestimmte Risiken vom Versicherungsschutz auszunehmen. Voraussetzung ist, dass dies für den Versicherungsnehmer klar erkennbar geschieht (vgl RS0016777 [T4]) und die Klausel weder objektiv ungewöhnlich (im Sinn eines Überrumpelungs‑oder Übertölpelungseffekts) noch branchenunüblich oder „versteckt“ – sondern an systematisch richtiger Stelle genannt – ist (vgl RS0014646; RS0105643).

[38] Die Klausel 3 ist nicht objektiv ungewöhnlich, weil sie nicht von den Erwartungen des Versicherungsnehmers deutlich abweicht, mit denen er nach den Umständen vernünftigerweise rechnen durfte. Der Klausel liegt – sie ist im Straf‑Rechtsschutz, für den sie gilt, enthalten – kein Überrumpelungs‑ oder Übertölpelungseffekt inne. Für den typischen Versicherten ist durchaus erwartbar, dass im Zusammenhang mit dem Straf‑Rechtsschutz auf die bereits erfolgte Verurteilung wegen eines einschlägigen Vorsatzdelikts Rücksicht genommen wird.

[39] 3.5.3. Der Kläger erachtet die Klausel 3 insofern als sachlich nicht gerechtfertigt und gegen § 879 Abs 3 ABGB verstoßend, als jemand, der ein Mal wegen einer einschlägigen Vorsatztat verurteilt worden sei, generell und für alle Zukunft unter Verdacht stehe, dass künftige strafrechtliche Vorwürfe gegen ihn ebenfalls berechtigt sein würden. Der Kläger bestreitet nicht das Argument des Berufungsgerichts, dass das Risiko, wegen einer Vorsatztat verfolgt zu werden, von Versicherungsnehmern, die bereits ein Mal wegen eines einschlägigen Vorsatzdelikts verurteilt wurden, – ex ante betrachtet – höher ist als bei Personen, bei denen dies nicht der Fall ist. Wenn die Beklagte dieses Risiko im Straf‑Rechtsschutz nicht tragen will, ist dies sachlich gerechtfertigt und der Risikoausschluss nicht unangemessen und für den einschlägig vorbestraften Versicherungsnehmer voraussehbar.

[40] Zudem besteht keine einschlägige positive Regelung, an der man sich in diesem Zusammenhang orientieren könnte. Nach § 1 Abs 3 TilgG werden Rechte dritter Personen, die sich auf die Verurteilung gründen, durch die Tilgung nicht berührt. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass trotz Tilgung der Strafe sehr wohl – zivilrechtliche – Konsequenzen für einen Verurteilten bestehen bleiben können. Das vom Kläger angeführte Argument der „Täterrehabilitierung“ kann nicht dazu führen, dass die Beklagte gerade das – vom Kläger nicht in Abrede gestellte – erhöhte Risiko von Wiederholungsstraftätern tragen müsste.

[41] 3.5.4. Die Klausel 3 ist auch nicht im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG intransparent. Zutreffend führte das Berufungsgericht aus, dass die Beschränkung des Risikoausschlusses auf „einschlägige“ Vorverurteilungen solche Taten meint, die „auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen“ (vgl § 71 StGB). Die in Klausel 3 gewählte Formulierung ist eine solche, die üblicherweise im strafrechtlichen Kontext verwendet wird (vgl etwa 15 Os 120/21t) und deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig – oder für ihn zumindest feststellbar (RS0115217 [T3]) – ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist für einen durchschnittlichen Verbraucher erkennbar, dass eine Verurteilung wegen Einbruchsdiebstahls mit einer angelasteten Straftat eines Betrugs „einschlägig“ ist, weil es sich bei beiden um Vermögensdelikte (vgl Sechster Abschnitt, Handlungen gegen fremdes Vermögen, §§ 125168g StGB) handelt. Mag auch der Begriff der „einschlägigen“ Vorverurteilung in Randbereichen auslegungsbedürftig sein, ist dieser Begriff dennoch nicht intransparent.

[42] Dass eine frühere Verurteilung wegen Vorsatzes sowohl eine gerichtliche als auch eine verwaltungsbehördliche sein kann, bestreitet der Kläger nicht mehr.

[43] 3.5.5. Die Klausel 3 verstößt daher weder gegen § 864a ABGB noch gegen § 879 Abs 3 ABGB und ist auch nicht intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

4. Klausel 4:

„Das Wahlrecht nach Pkt. 1. und 2. bezieht sich nur auf Personen, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde haben, die für das durchzuführende Verfahren in erster Instanz zuständig ist. Wenn am Ort dieses Gerichtes oder dieser Verwaltungsbehörde nicht mindestens vier solche Personen ihren Kanzleisitz haben, erstreckt sich das Wahlrecht auf eine im Sprengel des zuständigen Landesgerichtes ansässige vertretungsbefugte Person.“

[44] Die Klausel findet sich in Art 10.3. ARB 2019. Art 10 ARB 2019 befasst sich unter anderem mit der freien Anwaltswahl des Versicherungsnehmers.

[45] 4.1. Der Kläger räumt ein, dass die Klausel § 158k Abs 2 VersVG wiedergebe. Diese Bestimmung sei aber nach der Rechtsprechung dahin einschränkend auszulegen, dass der Versicherungsnehmer auch einen nicht ortsansässigen Vertreter wählen dürfe, wenn dieser verbindlich erkläre, seine Leistungen wie ein ortsansässiger Vertreter zu verrechnen. Da die Klausel diese Einschränkung nicht enthalte, sehe sie eine sachlich nicht gerechtfertigte Beschränkung der freien Anwaltswahl vor und verstoße gegen § 879 Abs 3 ABGB. Sie sei auch intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG), weil sie dem Versicherungsnehmer die wahre Rechtslage verschleiere und ihn von der Verfolgung berechtigter Ansprüche abhalte. Hilfsweise beantragte der Kläger die Nichtigerklärung des gesamten Art 10 ARB 2019 (und nicht nur der Klausel 4).

[46] 4.2. Die Beklagteist der Ansicht, es handle sich um eine deklaratorische Klausel, die nur den Gesetzestext des § 158k Abs 2 VersVG wiedergebe und keiner Inhaltskontrolle unterliege. Vom Klauselverwender dürfe nicht mehr Transparenz als vom Gesetzgeber gefordert werden. Würde man eine bestimmte Interpretation des Gesetzestextes durch die Rechtsprechung in die Klausel aufnehmen, bestünde das Risiko, dass eine Änderung der Rechtsprechung die Klausel nachträglich unzulässig mache.

[47] 4.3. Die Vorinstanzen erachteten die Klausel als unvollständig und damit als intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG (7 Ob 156/20x). Die Klausel gebe die geltende Rechtslage nur unvollständig wieder. Sie lasse die Information weg, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch ein nicht ortsansässiger Rechtsanwalt gewählt werden könne.

[48] 4.4. Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

[49] 4.5.1. Der Oberste Gerichtshof beurteilte bereits zu 7 Ob 156/20x [Klausel 11] eine inhaltsgleiche Klausel.Er führte dazu aus, eine Klausel in Rechtsschutzversicherungsbedingungen, wonach das freie Anwaltswahlrecht auf Personen eingeschränkt wird, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde haben, ist unvollständig und intransparent, selbst wenn sie sich am Gesetzestext orientiert. Sie lässt nämlich die (im Sinne der Rechtsprechung des EuGH) erforderliche Information weg, dass bei richtlinienkonformer Auslegung unter bestimmten Voraussetzungen ein nicht ortsansässiger Rechtsanwalt gewählt werden kann. Das ist dann der Fall, wenn sich der nicht ortsansässige Rechtsvertreter dazu bereit erklärt, seine Leistungen wie ein ortsansässiger Vertreter zu verrechnen, weil damit der Sinn und Zweck der Klausel (kostensparende und prämiensenkende Wirkung) gewahrt bleibt (RS0125556). Die Klausel 4 verletzt das Transparenzgebot, weil in ihr diese wesentliche Information weggelassen wird und deren Fehlen geeignet ist, beim Adressaten eine unrichtige Vorstellung von seinen Rechten zu erwecken und ihn von der Verfolgung berechtigter Ansprüche abzuhalten.

[50] 4.5.2. Weder die Argumente der Beklagten noch die von ihr zitierten Meinungen in der Literatur, die gar nicht auf den Inhalt der Klausel 4 Bezug nehmen, bieten Anlass, von dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abzugehen.

[51] 4.5.3. Klausel 4 verstößt daher gegen § 6 Abs 3 KSchG und ist unwirksam.

[52] 5. Auf die Leistungsfrist und die Urteilsveröffentlichung geht die Revision der Beklagten – wie schon in der Berufung – nicht ein.

[53] 6. Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 41 und § 50 ZPO.

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