Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.087,10 (darin enthalten EUR 347,85 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit der gegen seinen Rechtsschutzversicherer erhobenen Deckungsklage begehrt der Kläger die Bezahlung der Prozesskosten betreffend die Rückforderung eines im August 1997 gewährten Darlehens und die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für den damit in Zusammenhang stehenden Schadensfall mit Ausnahme jener Ansprüche des Klägers, für die die endgültige Schadenshöhe feststeht und der Leistungsanspruch gegen die Beklagte bereits fällig ist (ON 26). Die Beklagte wendet Verjährung des Anspruches auf Rechtsschutzdeckung für diesen Versicherungsfall ein. Bereits im November 1997 habe sich die Notwendigkeit einer Interessenwahrnehmung so konkret abgezeichnet, dass der Kläger mit dem Entstehen von Rechtskosten hätte rechnen müssen; er habe aber erst am 14. 2. 2002 erstmalig Deckung begehrt.
Der für die Fälligkeit des Deckungsanspruches maßgebende Art 2 Z 3 ARB 1988 hat folgenden Wortlaut:
„In den übrigen Fällen gilt der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.
Bei mehren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben."
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt. Die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass zur Frage, inwieweit ein im Rahmen der Privatautonomie zulässiges Verhalten des Versicherungsnehmers, etwa die Stundung eines Darlehens, Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles in der Rechtschutzversicherung habe, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Die Revisionswerberin hält daran fest, dass der Versicherungsfall bereits in dem Moment eingetreten sei, als der Darlehensnehmer entgegen der schriftlichen Vereinbarung die überlassene Darlehensvaluta samt Zinsen erstmals nicht zurückgezahlt habe. Außerdem vermisst sie eine „ergänzende" Feststellung, die das Berufungsgericht jedoch ausdrücklich nicht getroffen hat. Die zuletzt erstatteten Revisionsausführungen zeigen daher schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil sie sich von den - nicht mehr bekämpfbaren - Feststellungen der Tatsacheninstanzen (wonach keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Darlehensgewährung und einer - vom Versicherungsschutz nicht umfassten - selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit des Klägers bestehen) entfernen.
Dem weiter aufrecht erhaltenen Vorwurf einer unrichtigen Auslegung des Art 2 Z 3 ARB 1988 durch die Vorinstanzen ist entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof zu dieser Klausel bereits in mehreren Entscheidungen ausführlich Stellung genommen und dabei folgenden Standpunkt vertreten hat:
Rechtliche Beurteilung
Als Versicherungsfall nach dieser Bestimmung gilt der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, des Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Es bedarf daher eines gesetz- oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort oder nicht ohne weiteres nach außen hin zu dringen zu braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlicher, objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonfliktes in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen (7 Ob 43/00z mwN; Maier in Harbauer, Rechtsschutzversicherung7 § 14 ARB 75 Rz 39; RIS-Justiz RS0114001; 7 Ob 62/03y). Es kommt nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder auch unverschuldet nicht bewusst war; es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangen, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden (RIS-Justiz RS0114001 = 7 Ob 43/00z mwN; Böhme, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung11 § 14 Abs 3 ARB Rz 11; zu allem: 7 Ob 268/01i).
Bei mehreren Verstößen gegen gesetzliche oder vertragliche Pflichten ist der Versicherungsschutz - im Einklang mit der deutschen Praxis - zu verneinen, wenn der erste Verstoß schon, für sich allein betrachtet, nach der Lebenserfahrung geeignet war, den Rechtskonflikt auszulösen, oder zumindest noch erkennbar nachwirkte und den endgültigen Ausbruch der Streitigkeit nach dem Vorliegen eines oder mehrerer weiterer Verstöße noch mitauslöste, sohin „adäquat kausal" war (Maier aaO § 14 ARB 75 Rz 57; Böhme aaO § 14 Abs 3 ARB Rz 12). War nach der Sachlage schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, so ist eine Mehrzahl solcher Verstöße als Einheit zu qualifizieren. Ist dagegen kein einheitliches Verstoßverhalten erkennbar, dann handelt es sich bei jedem weiteren Verstoß um einen rechtlich selbständigen neuen Verstoß (zu allem: 7 Ob 202/98a = RIS-Justiz RS0111811; 1 Ob 326/99v = VersE 1826). Der Revision ist daher zuzugestehen, dass gemäß Art 2 Z 3 ARB 1988 der Versicherungsschutz zu verneinen ist, wenn (schon) der erste Verstoß nach der Lebenserfahrung für sich allein geeignet war, den Rechtskonflikt auszulösen oder zumindest noch erkennbar nachwirkte und den endgültigen Ausbruch der Streitigkeit nach dem Vorliegen eines oder mehrerer weiterer Verstöße noch mitauslöste. Demgemäß wurde die Wertung, dass der Erstverstoß in einem Unterhaltsstreit zwischen Vater und Sohn einen engen inneren und äußeren Zusammenhang mit den weiteren Unterhaltsverletzungen (nach Stundung) aufweise und daher bereits den „Keim" des anschließenden Konflikts in sich getragen habe, „(zumindest) als vertretbar" beurteilt (1 Ob 326/99v = VersE 1826).
Für den Standpunkt der Revisionswerberin ist daraus aber nichts zu gewinnen; bereits in der letzgenannten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof nämlich auch dargelegt, dass dies deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufwerfe, weil das jeweilige Vertretbarkeitsurteil des Berufungsgerichts zu den Fragen nach der rechtlichen Einordnung einer Stundungszusage und des Vorliegens eines adäquaten Kausalzusammenhangs des Erstverstoßes mit dem Folgeverstoß allein durch die besonderen Umstände des Einzelfalls determiniert sei (in diesem Sinne auch: Maier aaO § 14 ARB 75 Rz 57). Wegen der für letzteren Streitpunkt bedeutsamen Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 7 Ob 202/98a bedürfe es insofern keiner weiterführenden Ausführungen zum Verständnis des Art 2 Z 3 ARB1988, um dadurch die Grundlage für die Beurteilung der Vertretbarkeit einer Rechtsansicht erst zu ermitteln. Der Anlassfall erfordere aber auch keine Weiterentwicklung jener Grundsätze, an welchen der Oberste Gerichtshof die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht messe (1 Ob 326/99v).
Nichts anderes kann für das Rechtsmittel der Beklagten gelten; geht es doch auch hier um die einzelfallbezogen zu beantwortende Frage des adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen dem Erstverstoß (nämlich der unterbliebenen Rückzahlung des Darlehens zum ersten Fälligkeitszeitpunkt) und dem Folgeverstoß des Darlehensnehmers durch die Zahlungsverweigerung nach der neuerlichen Fälligstellung mit Schreiben vom 10. 3. 2000 (im Anschluss an die von November 1997 bis März 2000 gewährte Stundung). Von diesem Verstoß ausgehend war die dreijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs 1 VersVG zum Zeitpunkt des Deckungsaufforderungsschreibens vom 14. 2. 2002 nämlich noch nicht abgelaufen.
Nach den dargestellten, vom Obersten Gerichtshof entwickelten Grundsätzen kann aber auch von einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierenden, weil außerhalb der Bandbreite dieser Judikatur liegenden Fehlbeurteilung keine Rede sein. Die wiederholt bekundete Stundungsbereitschaft des Klägers beruhte im vorliegenden Fall nämlich darauf, dass der Darlehensnehmer früher immer pünktlich Zahlung geleistet hatte. Anders als in der Entscheidung 1 Ob 326/99v musste der Kläger hier auch bei der gebotenen objektiven Betrachtung mit einem weiteren gleichartigen Verstoß von vornherein nicht rechnen. Die bekämpfte Beurteilung, dass die Gefahr einer entsprechenden Auseinandersetzung [zunächst] nicht erkennbar gewesen sei, dass hier also kein „einheitliches Verstoßverhalten" im dargestellten Sinne erblickt werden könne, liegt daher im Rahmen der zitierten Rechtsprechung:
Muss der Gläubiger die Leistung fällig stellen (zB durch Kündigung), so kommt es auf die Nichtleistung nach Fälligkeit an. Beim Streit um die Rückzahlung eines Darlehens mit unbestimmter Fälligkeit ist der Versicherungsfall daher erst mit der Kündigung des Darlehens durch den Darlehensgeber eingetreten (Prölss/Armbrüster in Prölss/Martin27 § 14 ARB 75 Rz 18 und 27). Von einer derartigen Konstellation muss im vorliegenden Fall aber ausgegangen werden; wurde doch die Stundung der Darlehensrückzahlung ohne neuen Fälligkeitstermin und nach der Ankündigung des Darlehensnehmers, so zurückzuzahlen, „wie es sich eben bei ihm ausgehen werde" gewährt.
Die Revision, in der somit keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird, ist als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO; der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.
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