OGH 7Ob43/00z

OGH7Ob43/00z26.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Gerhard H*****, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D.*****versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Themmer ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Deckung (Streitwert S 300.000,--) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. Dezember 1999, GZ 4 R 202/99a-14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Kläger hat mit Wirksamkeit 10. 11. 1993 seine bei der beklagten Partei bestehende Rechtschutzversicherung auf Einschluss für Rechtschutz für erb- und familienrechtliche Streitigkeiten erweitert. Nach Art 2 Abs 2 ARB gilt der Versicherungsfall mit dem Zeitpunkt als eingetreten, ab dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder begonnen haben, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Nach Art 25 Abs 3 Punkt 3 besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen in erbrechtlichen Angelegenheiten, wenn der zugrundeliegende Erbfall vor Versicherungsbeginn oder innerhalb eines Jahres danach eingetreten ist. Darüber hinaus besteht nach Art 25 Abs 4 für Versicherungsfälle, die vor Ablauf von sechs Monaten ab dem vereinbarten Versicherungsbeginn eintreten, kein Versicherungsschutz.

Der Kläger beabsichtigt gegen seinen Sohn die Erbschaftsklage einzubringen, für die er eine Deckungszusage begehrt. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Vater des Klägers verstarb am 15. 11. 1995. Er hinterließ Testamente vom 19. 11. 1993 und vom 6. 2. 1994. Aufgrund letzteren Testamentes wurde dem Sohn des Klägers die Verlassenschaft eingeantwortet. Der Kläger behauptet, dass das Testament vom 6. 2. 1994 formungültig sei, weshalb die Einantwortung zu Unrecht erfolgt sei. Er begehrt für diese beabsichtigte Klage Rechtschutzdeckung.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens, es sei bereits im Jahr 1993 zu massiven familieninternen Auseinandersetzungen zur Frage der Regelung der erbrechtlichen Angelegenheit des Erblassers, der damals im 94. Lebensjahr gestanden sei, gekommen. Der Versicherungsvertrag sei in Anbetracht dieser Streitigkeiten geschlossen worden. Die Errichtung des vom Kläger als rechtsunwirksam erachteten Zeugentestamentes vom 6. 2. 1994 liege in Anbetracht des Versicherungsbeginns vom 10. 11. 1993 in der sechsmonatigen Wartefrist (Art 25 Abs 4 ARB); der Versicherungsfall sei mit Errichtung des angeblich formungültigen Testamentes eingetreten.

Beide Vorinstanzen haben dem Klagebegehren stattgegeben. Die Errichtung eines angeblich formungültigen Testamentes durch den Erblasser stelle nicht den Versicherungsfall dar, weil ein solches jederzeit widerrufen werden könne und seine Wirksamkeit erst nach dem Tod des Erblassers entfalte, wenn sich der im Testament eingesetzte Erbe auf dieses Testament berufe. Ein Zweckabschluss liege nicht vor, weil der Kläger den Versicherungsvertrag nach monatelanger reiflicher Überlegungen und als weiteren Einschluss zu dem bereits bestehenden Versicherungen abgeschlossen habe. Dem Kläger sei auch zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Existenz des zweiten Testamentes nicht bekannt gewesen. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

In der außerordentlichen Revision führt die beklagte Partei aus, dass das angeblich formungültig errichtete Testament innerhalb der Wartefrist des Art 25 Abs 4 ARB errichtet wurde und schon die Errichtung dieses Testamentes bereits einen Verstoß im Sinn des Art 2 Abs 2 ARB darstelle. Habe der Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles in Form eines behaupteten Verstoßes fest, dann ändere sich dieser Zeitpunkt nicht mehr dadurch, dass der behauptete Verstoß nicht oder erst in einem späteren Zeitpunkt erwiesen werde. Die mangelnde Kenntnis vom Verstoß Dritter gegen übernommene Rechtspflichten sei irrelevant. Es sei auch irrelevant, ob ein (formungültiges) Testament widerrufen werden könne, weil aus einem behaupteten Verstoß aufgrund eines de facto nicht widerrufenen Testament prozessiert werde. Es liege jedenfalls eine Streitigkeit innerhalb der Wartefrist vor, weil das vorgeblich formungültige Testament innerhalb der Wartezeit errichtet worden sei.

Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung liegt vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Es bedarf daher eines gesetz- oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, dass als solches nicht sofort oder nicht ohneweiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonfliktes in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen (vgl Harbauer, Rechtschutzversicherung6 Rz 39 zu § 14 ARB). Es kommt auch nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder auch unverschuldet nicht bewusst war, es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden (Harbauer aaO Rz 41).

Entgegen der Rechtsmeinung der Revisionswerberin kann aber alleine die Tatsache der Errichtung eines Testamentes durch den Erblasser, von welchem erst im Verlassenschaftsverfahren Formungültigkeit behauptet wird, nicht den Eintritt eines Versicherungsfalles darstellen, weil durch die Errichtung einer letztwilligen Verfügung gar nicht feststeht, ob diese nach dem Tod des Erblassers auch zum Tragen kommt. Dem Berufungsgericht ist daher zuzustimmen, dass der Versicherungsfall erst nach dem sich der Sohn des Klägers auf das Testament berufen hat, eingetreten ist, weil sich erst dann die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen beginnt. Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland ist zwar nicht verleichbar, weil sich dort die Rechtsschutzversicherung in familien- und erbrechtlichen Angelegenheiten lediglich auf Beratung erstreckt (vgl § 25 ARB 75 Abs 2 lit d). Aber auch dort wird festgehalten, dass ein Versicherungsfall ein solches Ereignis darstellt, das die Rechtslage des Versicherungsnehmers ändert. Ereignisse, die zwar den Versicherungsnehmer in irgendeiner Weise persönlich oder wirtschaftlich berühren, bei denen aber von vorneherein feststeht, dass sie seine Rechtslage nicht verändert haben können, wie etwa testamentarische Erbseinsetzung oder Enterbung des Versicherungsnehmers durch einen voraussichtlichen künftigen Erblasser stellen daher den Eintritt des Versicherungsfalls nicht dar (vgl Harbauer aaO vor § 21 ARB 75 Rz 162 S 566). Hier lag der Tod des Erblassers aber jedenfalls außerhalb der Wartefristen des Art 25 ARB.

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