OGH 7Ob154/13t

OGH7Ob154/13t16.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** GmbH & Co KG, 2. A***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OG in Baden bei Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. Mai 2013, GZ 5 R 29/13s‑19, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. Dezember 2012, GZ 35 Cg 142/11p‑15, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in seinen Punkten 1. (Nichtigkeit von Punkt 13.1 des Kreditvertrags) und 2. (Nichtigkeit von Punkt 12.1 des Kreditvertrags) und unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Punktes 4. (Abweisung des Feststellungsbegehrens betreffend die Haftung für Schäden) als Teilurteil wiederhergestellt wird.

Im Übrigen, also betreffend Punkt 3. des Ersturteils (Feststellung der Unwirksamkeit der vom 23. 3. 2011 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung der Kreditverhältnisse) werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Entscheidungsgründe:

Die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Erstklägerin ist die L***** GmbH. Die einzige Kommanditistin der Erstklägerin war zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme die P***** GmbH. Die P***** GmbH ist auch die alleinige Gesellschafterin der Zweitklägerin. Ansprechpartner für die Beklagte war auf Seiten der Klägerinnen W***** E*****, einer der kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer der L***** GmbH, der dann auch den Geschäftsführer der Zweitklägerin über die Kreditverträge informierte.

Gegenstand des Unternehmens der Erstklägerin ist die Errichtung der A***** und die spätere Vermietung oder Verpachtung unter Berücksichtigung der damit verbundenen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Die Klägerinnen beabsichtigten, diese Anlage bei projektierten Kosten von 64,4 Mio EUR zu errichten; 31 Mio EUR sollten fremdfinanziert werden.

Die Kreditfinanzierung erfolgte letztlich durch ein Bankenkonsortium unter Leitung der Beklagten. Dem Kreditabschluss gingen der Austausch von Vertragsentwürfen, Telefonate und eine ausführliche Besprechung der Vertragsentwürfe voraus. In den Vertragsentwürfen der Beklagten vom 5. 2. 2007 war vorgesehen, dass die Kreditgeberin berechtigt ist, das Kreditverhältnis ohne Vorliegen und Angabe eines Grundes unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten jeweils zum Kalenderquartalsende aufzukündigen. Auf Anfrage von W***** E***** teilte der Kundenbetreuer mit, diese Klausel könne aus dem Vertrag nicht heraus verhandelt werden. W***** E***** verfasste daraufhin ein Schreiben an die Beklagte, worin er zu einzelnen Vertragspunkten Stellung nahm; unter anderem forderte er die Verlängerung der Kündigungsfrist. Bei der anschließenden Vertragsbesprechung wurden die einzelnen ‑ schriftlich übermittelten ‑ Anmerkungen der Kunden besprochen, dabei auch die Kündigungsklausel zugunsten der Bank. W***** E*****, der auf Grund der Mitteilung seines Kundenbetreuers davon ausging, dass diese Klausel nicht wegverhandelt werden könne, wollte eine möglichst lange Kündigungsfrist erreichen und die Absicherung bekommen, dass in diesem Fall keine Mehrkosten wie etwa eine Pönale entstehen. Letztlich einigte man sich auf eine 6‑monatige Kündigungsfrist. Die Beklagte erklärte sich außerdem bereit, festzuhalten, dass im Fall einer Kündigung durch den Kreditgeber keine weiteren Kosten oder Gebühren verrechnet werden.

Auf Grund dessen erfolgte am 17. 4. 2007 das Angebot der Beklagten zum Abschluss von vier Kreditverträgen mit einem Kreditvolumen von 31 Mio EUR. Die Zweitklägerin wurde über ausdrücklichen Wunsch der Beklagten in die Kreditbeziehung aufgenommen. Die Klägerinnen nahmen das Angebot an. Bei den Kreditverträgen Kontonummer ***** über 17 Mio EUR und Kontonummer ***** über 5 Mio EUR wurde die Endfälligkeit des Kreditbetrags mit 1. 7. 2025 vereinbart. Bei den Kreditverträgen Kontonummer ***** über 4 Mio EUR und Kontonummer ***** über 5 Mio EUR verpflichteten sich die Kreditnehmerinnen, den Kreditbetrag bis zum 15. 7. 2025 in 65 vierteljährlichen Pauschalraten, bestehend aus Zinsen und Tilgungen, zurückzuzahlen. In den Punkten 13. bzw 12. dieser Kreditverträge ist jeweils die Klausel enthalten: „Der Kreditgeber ist berechtigt, das Kreditverhältnis ohne Vorliegen und Angabe eines Grundes unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils zum Ende einer Zinsperiode aufzukündigen. Im Fall einer Kündigung durch den Kreditgeber gemäß dieser Bestimmung werden den Kreditnehmern keine zusätzlichen Kosten und Gebühren verrechnet.“

Mit Schreiben vom 12. 2. 2010 stellte die Beklagte mangels Vorlage einer Fortbestehensprognose die Kredite fällig und forderte die Klägerinnen auf, die offenen Beträge den jeweiligen Konten bis längstens 3. 3. 2010 gutschreiben zu lassen oder zumindest binnen derselben Frist geeignete und auch wirtschaftlich nachvollziehbare Rückzahlungsvorschläge zu erstatten. Die Klägerinnen brachten daraufhin zu 33 Cg 49/10w des Handelsgerichts Wien eine Feststellungsklage mit dem Ziel ein, diese Kündigung der Kreditverträge aus besonderem Grund für unwirksam erklären zu lassen. Das Verfahren ist bisher noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Wegen dieser Feststellungsklage erklärte die Beklagte mit Schreiben an die Klägerinnen vom 23. 3. 2011 zusätzlich zu der bereits erfolgten Fälligstellung und hilfsweise dazu die vier Kreditverträge auf Grund der getroffenen Vereinbarungen unter Punkte 13.1 bzw 12.1 unter Einhaltung der dort genannten Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende der nächsten Zinsperiode (15. 4. 2011) aufzukündigen, sodass spätestens zum 15. 10. 2011 Fälligkeit der dann noch aushaftenden Beträge eintrete.

Mit ihrer am 10. 11. 2011 eingebrachten Klage begehrten die Klägerinnen die Feststellung, dass die im Punkt 13.1 bzw 12.1 des jeweiligen Kreditvertrags enthaltene Vereinbarung, wonach der Kreditgeber berechtigt sei, das Kreditverhältnis ohne Vorliegen und Angabe eines Grundes unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils zum Ende einer Zinsperiode aufzukündigen, nichtig sei, die mit Schreiben vom 23. 3. 2011 ausgesprochene ordentliche Kündigung der Kreditverhältnisse rechtsunwirksam sei und die Beklagte den Klägerinnen für sämtliche Schäden im Zusammenhang mit der rechtsunwirksamen Kündigung der Kreditverhältnisse hafte.

Die Klägerinnen seien Schwestergesellschaften und hätten zum Zweck der Realisierung des Thermenprojekts „A*****“ bei der Beklagten Kredite über insgesamt 31 Mio EUR aufgenommen. Die Erstklägerin sei ausschließlich zum Zwecke der Errichtung der Therme gegründet worden, sie führe keinen Betrieb und sei rein vermögensverwaltend tätig, sie sei deshalb nicht Unternehmerin im Sinne des UGB. Die Kreditverhältnisse seien umfassend besichert, die Klägerinnen seien mit keiner einzigen Kreditrate in Verzug. Die Klauseln Punkte 13.1 und 12.1 der Kreditverträge, auf die sich die Beklagte bei der ordentlichen Kündigung berufen habe, seien sittenwidrig und nicht im Einzelnen ausverhandelt worden. Hinsichtlich der Erstklägerin sei auch § 6 KSchG zu beachten. Die Kredite seien zu einem bestimmten Zweck ‑ die Errichtung der Therme ***** ‑ gewährt worden, der durch eine bloß 6‑monatige Kündigungsfrist vereitelt werde. Eine 6‑monatige Kündigungsfrist entspreche de facto einer fristlosen Kündigung, weil eine Umschuldung keineswegs leicht zu bewerkstelligen sei, gebe es doch nur wenige Kreditinstitute, bei denen ein derartiges Kreditvolumen überhaupt umgeschuldet werden könne. Der Versuch einer ordentlichen Kündigung der Kreditverträge, während das Gerichtsverfahren über die Kündigung aus wichtigem Grund anhängig sei, stelle Rechtsmissbrauch dar. Die Zweitklägerin habe die Kreditvaluta nicht erhalten, sondern diese sei entsprechend dem Baufortschritt ausschließlich der Erstklägerin ausbezahlt worden. Die Zweitklägerin sei daher bloß faktische Sicherheitengeberin zugunsten der Erstklägerin, dies verstoße gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 82 GmbHG. Die Zweitklägerin könne daher keinesfalls in Anspruch genommen werden.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Die Kredite seien von den Klägerinnen zur Gänze in Anspruch genommen und großteils, aber nicht ausschließlich zur Errichtung der Therme verwendet worden. Die Erstklägerin sei Unternehmerin im Sinn des § 1 Abs 2 KSchG. Zum 2. 2. 2010 hätten sich die offenen Verbindlichkeiten der Klägerinnen auf 32.414.600,91 EUR summiert. § 990 ABGB habe bei Abschluss der Kreditverträge im Jahr 2007 noch nicht gegolten, ebenso wenig eine vergleichbare Bestimmung. Die Vereinbarung des Rechts des Kreditgebers zur ordentlichen Kündigung eines befristeten Kreditvertrags sei mit einer angemessenen Kündigungsfrist zulässig gewesen. Eine längere Frist als die vereinbarten 6 Monate sei der Beklagten nicht zumutbar. Dieser Zeitraum müsse auch ausreichend sein, um die Kredite umzuschulden. Der einzige Geschäftszweck der Zweitklägerin sei der Betrieb des Hotels und der Therme des A*****. Ohne die Errichtung der Therme hätte die Zweitklägerin gar keine Existenzgrundlage, es liege somit keine verbotene Einlagenrückgewähr vor.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden im Zusammenhang mit der ordentlichen Kündigung der Kreditverhältnisse zum 15. 10. 2011 ab (Punkt 4. seines Spruchs) und gab den restlichen Klagebegehren statt (Punkte 1., 2. und 3. seines Spruchs). Die Kündigungsklausel sei sittenwidrig und daher nichtig. Das geringfügige Zugeständnis der Beklagten bei der Kündigungsfrist führe nicht dazu, dass diese Kündigungsklausel zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt worden sei. Dem jederzeitigen Auflösungsrecht des Kreditgebers stehe kein für den Kreditnehmer deutlich günstigerer Umstand beim Kreditverhältnis gegenüber.

Das gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung in eine gänzliche Abweisung des Klagebegehrens ab. Die mit dem DaKRÄG (BGBl I Nr 28/2010) eingeführte Bestimmung des § 990 ABGB, wonach Vereinbarungen über ein vorzeitiges ordentliches Kündigungsrecht nicht wirksam seien, sei nur auf Kreditverträge anzuwenden, die nach dem 10. 6. 2010 geschlossen worden seien und hier daher nicht zu beachten. Verträge seien dann sittenwidrig, wenn eine Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergebe oder wenn bei Interessenkollisionen ein grobes Missverhältnis zwischen den verletzten und den geförderten Interessen vorliege. Hier seien Kreditverträge zu beurteilen, die befristet auf rund 18 Jahre abgeschlossen worden seien. Im Allgemeinen sei es zulässig, dass die Vertragsparteien die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ‑ also der vorzeitigen Beendigung eines Vertrags zu bestimmten Kündigungsterminen und unter Einhaltung bestimmter Kündigungsfristen ‑ vereinbarten. Zu berücksichtigen sei, dass auch den Klägerinnen ein vorzeitiges Rückzahlungsrecht eingeräumt worden sei. Die vereinbarte 6‑monatige Kündigungsfrist sei angemessen und unter Berücksichtigung der Interessen der beiden Streitteile ausreichend. Dabei sei vor allem zu beachten, dass die Festsetzung der Frist auf einem Vorschlag der Erstklägerin beruhe. Die Behauptung, dass eine Umschuldung bei dem hohen Kreditvolumen fast nicht möglich sei, hätten die Klägerinnen nicht unter Beweis gestellt. Das Argument, die Kündigung aus wichtigem Grund mache eine Umschuldung von vornherein unmöglich, könnte nur dann beachtlich sein, wenn eine solche Kündigung rechtswirksam erklärt worden wäre, was noch nicht feststehe. In diesem Fall wäre die später eventualiter ausgesprochene ordentliche Kündigung der Kreditverträge durch die Beklagte aber ohnehin hinfällig.

§ 6 Abs 2 Z 1 KSchG komme bereits aus dem Grund nicht zur Anwendung, weil die Beklagte bewiesen habe, dass die entsprechende Vertragsbestimmung im Einzelnen ausgehandelt worden sei. Abgesehen davon spreche die genannte Regelung nur von einem Rücktrittsrecht eines Unternehmers, sodass zweifelhaft sei, ob damit auch eine ordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses gemeint sei.

Der Beklagten könne ein Interesse an der ihr nach der Vereinbarung zustehenden ordentlichen Kündigung der Kreditverträge nicht abgesprochen werden, falls die schon davor ausgesprochene, von den Kreditnehmern aber bekämpfte Fälligstellung des Kredits aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung unwirksam sein sollte. Die Erklärung der ordentlichen Kündigung während des anhängigen Gerichtsverfahrens über die Wirksamkeit der Auflösung der Kreditverträge aus wichtigem Grund stelle keinen Rechtsmissbrauch dar.

Auf die von den Klägerinnen behauptete verbotene Einlagenrückgewähr müsse nicht eingegangen werden, weil diese Frage erst dann relevant werde, wenn zu prüfen sei, welcher Kreditnehmer nach der Beendigung des Kreditvertrags den aushaftenden Betrag zurückzuzahlen habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage der Sittenwidrigkeit einer Vertragsbestimmung, mit der dem Kreditgeber bei einem befristeten Kreditvertrag ein ordentliches Kündigungsrecht eingeräumt werde, noch nicht auseinandergesetzt habe.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der Klägerinnen mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Die behaupteten Mängel des Verfahrens liegen nicht vor:

1.1 Das Berufungsgericht war nicht verpflichtet, die Feststellungen des Erstgerichts wortwörtlich und in allen Einzelheiten wiederzugeben, zumal es bei der Behandlung der von der Beklagten allein erhobenen Rechtsrüge auf die strittigen Fragen eingegangen ist (RIS‑Justiz RS0041815; RS0043138). Aus der Begründung des Berufungsgerichts geht auch unmissverständlich hervor, dass und welche Feststellungen ergänzt wurden, sodass die anderen davon nicht betroffenen Tatsachenfeststellungen eindeutig übernommen wurden.

1.1.1 Die Klägerinnen rügen, dass das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen um Feststellungen über den Inhalt der Kreditverträge zum vorzeitigen Rückzahlungsrecht der Kreditnehmer ohne Beweiswiederholung ergänzte.

Die Berücksichtigung des Inhalts einer in den Feststellungen genannten Urkunde, deren Echtheit zugestanden wurde und deren Richtigkeit unbestritten blieb, erfordert nicht die amtswegige Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (RIS‑Justiz RS0121557).

1.1.2 Die von den Klägerinnen auf eine unrichtige Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichts gegründete Aktenwidrigkeit liegt demnach ebenfalls nicht vor.

1.2 In seiner aktuellen Rechtsprechung vertritt der Oberste Gerichtshof die Ansicht, dass die Berücksichtigung eines neuen, den geltend gemachten Anspruch begründenden Rechtsgrundes oder einer neuen Einwendung durch das Berufungsgericht einen Verstoß gegen § 482 Abs 1 ZPO bildet. Anders als im Fall der Ergänzung des Verfahrens durch Aufnahme neuer Beweismittel oder durch die Feststellung neuer behaupteter Tatsachen im Zuge einer Beweisergänzung wird durch die Bejahung eines neuen geltend gemachten Anspruchs oder einer neu geltend gemachten Einrede die gründliche, das heißt die richtige Beurteilung der „Rechtssache“ im Sinn des § 503 Z 2 ZPO gehindert. „Streitsache“ ist der durch das Vorbringen der Partei erster Instanz abgegrenzte Streitgegenstand (5 Ob 43/06v, 1 Ob 25/13b, RIS‑Justiz RS0112215; Zechner in Fasching , Konecny ² IV/1, § 503 ZPO Rz 8; E. Kodek in Rechberger ZPO³ § 482 ZPO Rz 6).

Die Klägerinnen haben sich bereits im erstgerichtlichen Verfahren auf die Sittenwidrigkeit der und die gröbliche Benachteiligung durch die beanstandete Klausel berufen, was von der Beklagten bestritten wurde. Der Verweis auf das auch den Kreditnehmerinnen eingeräumte vorzeitige Rückzahlungsrecht stellte daher keine neue ‑ anspruchsvernichtende ‑ Einrede dar, sondern ein innerhalb der durch das Parteivorbringen im Verfahren erster Instanz gezogenen Grenzen des Streitgegenstands gebrachtes Argument zur Entkräftung der rechtlichen Begründung der Klägerinnen.

1.3 Die Klägerinnen machen als weiteren Mangel geltend, von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Monaten auch vor dem Hintergrund einer notwendigen Umschuldung von 31 Mio EUR als ausreichend und damit als angemessen anzusehen sei, die Einräumung der vorzeitigen Rückzahlungsmöglichkeit ein Entgegenkommen der Bank darstelle und der Kreditzweck längst verwirklicht sei, überrascht worden zu sein.

Überraschend ist eine Rechtsansicht, wenn sie bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt wurde und daher keine Gelegenheit zur Stellungnahme bestand oder das Prozessgericht einen maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkt, der von einer Partei „ins Spiel gebracht“ und von der Gegenseite erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden war, seiner Entscheidung zugrundelegte (7 Ob 83/05i; 1 Ob 215/05g mwN). In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er auf Grund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte.

Die Klägerinnen legen nicht dar, welches konkrete neue Tatsachenvorbringen sie im Fall der von ihnen vermissten Erörterung erstattet hätten; sie beschränken sich vielmehr darauf, ihre rechtlichen Schlussfolgerungen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts entgegenzuhalten.

2. Ein Kreditvertrag begründet im Regelfall ein auf gegenseitige Leistung, nämlich Zurverfügungstellung von Kredit gegen Vergütung (Zinsen und Provision) gerichtetes Dauerschuldverhältnis (RIS‑Justiz RS0019211). Ein Dauerschuldverhältnis kann auf unbestimmte oder bestimmte Zeit geschlossen werden. Zum befristeten Dauerschuldverhältnis wird vertreten, dass die Vertragsparteien bis zum vereinbarten Endtermin durch die Befristung auf ihr ordentliches Kündigungsrecht verzichten, soferne eine Vereinbarung des Rechts zur vorzeitigen Kündigung nicht getroffen wird (vgl bestandrechtliches Schrifttum, Würth/Zingher/Kovanyi Miet‑ und Wohnrecht I 22 § 29 MRG Rz 4; Böhm-Schuster in Korinek/Krejci Handbuch zum MRG 479 f, 1 Ob 72/98i).

3. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Diese durch das KSchG eingeführte Bestimmung dient nach dem Willen des Gesetzgebers der Verhinderung unfairer Vertragsbestimmungen und soll in der Regel schwächere Vertragsparteien gegen einen Missbrauch der Privatautonomie durch einen typischerweise überlegenden Vertragspartner schützen. Nach den Gesetzesmaterialien treffen bei den in AGB und Vertragsformblättern enthaltenen Klauseln über Nebenbestimmungen des Vertrags häufig zwei Momente aufeinander: Einerseits die objektive Unbilligkeit solcher Bestimmungen infolge einseitiger Verschiebung des vom Gesetz vorgesehenen Interessenausgleichs durch den Vertragsverfasser zum Nachteil seines Partners und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ bei diesem Vertragspartner, durch die dieser den Vertragsbestandteil zum Inhalt seiner Erklärung macht, den er nicht wirklich will. Bei der in einem „beweglichen System“ vorzunehmenden Beurteilung, ob eine in AGB oder in einem Vertragsformblatt enthaltene Bestimmung eine „gröbliche“ Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt, hat sich der Rechtsanwender am dispositiven Recht als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren. Nach ständiger Rechtsprechung können Abweichungen vom dispositiven Recht unter Umständen schon dann eine gröbliche Benachteiligung sein, wenn sich dafür keine sachliche Rechtfertigung ins Treffen führen lässt, jedenfalls aber dann, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht. Die Beurteilung, ob die Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm sachlich gerechtfertigt ist, erfordert damit eine umfassende, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Interessensabwägung, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (10 Ob 125/05p, 9 Ob 15/05d, 6 Ob 253/07k je mwN).

Der Umstand, dass die Vertragspartner Kaufleute (Unternehmer) sind, steht der Beurteilung einer vertraglichen Abrede als sittenwidrige Bestimmung nicht grundsätzlich entgegen; allenfalls ist im Einzelfall eine besonders gravierende Ungleichgewichtslage in der durch den Vertrag festgelegten Rechtsposition zu fordern. Je weniger die Bevorzugung eines Vertragspartners ‑ am dispositiven Recht gemessen ‑ sachlich gerechtfertigt erscheint, desto eher wird auch im Handelsverkehr die Sittenwidrigkeit zu bejahen sein (RIS‑Justiz RS0119324).

Die im ersten Hauptstück des KSchG enthaltenen Regeln über das Verbrauchergeschäft, insbesondere auch der Klauselkatalog des § 6 KSchG, können nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung als Konkretisierungsmaßstab für die gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB dienen, weil diese Bestimmungen erkennen lassen, welche Regelungen der Gesetzgeber für ungültig erachtet, wenn ungleich starke Vertragspartner einander gegenüberstehen (RIS‑Justiz RS0016850). Die Einzeltatbestände des § 6 KSchG können daher zur Auslegung der gröblichen Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB auch bei Verträgen herangezogen werden, die kein Verbrauchergeschäft nach § 1 KSchG sind, sofern eine vergleichbare Ungleichgewichtslage besteht. Zu beachten bleibt allerdings, dass der Gesetzgeber das Unternehmer- Verbraucher-Verhältnis für besonders schutzwürdig hält und die Unterlegenheit des Verbrauchers daher als noch gravierender empfindet als die des dem Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ausgesetzten (10 Ob 125/05p, 9 Ob 15/05d, 6 Ob 253/07k mwN). Die Inhaltskontrolle beschränkt sich auf Nebenbestimmungen. Nicht erfasst wird hingegen die Hauptleistungspflicht, für die in den §§ 879 Abs 2 Z 4 und 934 ABGB spezielle Regelungen enthalten sind. In Lehre und Rechtsprechung ist die Abgrenzung der Haupt‑ von den Neben‑(Leistungs‑)pflichten so zu ziehen, dass die Ausnahmen dieser Gesetzesbestimmung möglichst eng verstanden werden, dass also Hauptpunkte nur diejenige Vertragsbestandteile sind, die die individuelle (zahlenmäßige) Umschreibung der beiderseitigen Leistungen festlegen, während Bestimmungen, die die Preisberechnung in allgemeiner Form regeln (zB in welcher Form eine Preisanpassung bei geänderten Marktverhältnissen erfolgt), nicht unter die Ausnahme von der Inhaltskontrolle im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB fallen (10 Ob 125/05p, 9 Ob 15/05d, 6 Ob 253/07k je mwN).

3.1 Für die Verwendung von AGB als Anknüpfungspunkt entschied sich der Gesetzgeber, weil es sich dabei um einen verhältnismäßig leicht fassbaren typischen Fall einer solchen Ungleichgewichtslage handelt, doch muss Entsprechendes auch gelten, wenn sich ein Vertragsteil der vorformulierten Erklärung des anderen oder eines Dritten unterwirft, gleichwohl ob § 879 Abs 3 ABGB analog herangezogen oder Abs 1 dieser Gesetzesstelle im Sinn des Abs 3 konkretisiert wird ( Bollenberger in KBB³ § 879 Rz 22, 1 Ob 144/04i, 6 Ob 206/12f je mwN).

3.2 Die Beklagte hält der Anwendung des § 879 Abs 3 ABGB entgegen, dass die beanstandete vorformulierte Vertragsbestimmung individuell ausverhandelt worden sei:

3.2.1 Für das Zustandekommen einer Individualabrede reicht es nicht aus, dass eine Vertragsbestimmung zwischen den Vertragsparteien bloß erörtert und dem Geschäftspartner bewusst gemacht wird. Vielmehr kann von einer individuellen Vereinbarung in Abgrenzung von einem Formularvertrag nur gesprochen werden, wenn der Geschäftspartner auch hinsichtlich des Vertragsinhalts eine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener berechtigter Interessen hat; wenn und soweit es ihm also möglich war, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Sein Vertragspartner muss daher zu einer Abänderung des von ihm verwendeten Textes erkennbar bereit gewesen sein (vgl RIS‑Justiz RS0121396, 6 Ob 206/12f, 2 Ob 22/12t je mwN).

3.2.2 Nach den Feststellungen wurde zwar letztlich die Kündigungsfrist und die Kostentragung im Fall der ordentlichen Kündigung durch die Beklagte ausverhandelt. Die Frage, ob der Beklagten aber überhaupt ein ordentliches Kündigungsrecht eingeräumt werden soll, wurde ‑ als gerade nicht verhandelbar ‑ von den Gesprächen nicht berührt. Hinsichtlich des wesentlichen Punktes, nämlich der Aufnahme des ordentlichen Kündigungsrechts des Kreditgebers, lag keine Änderungsbereitschaft der Beklagten vor, was für die Klägerinnen auch deutlich zu erkennen war. Dass die Dauer der Kündigungsfrist und die Kostentragung letztlich auf Vorschlag der Klägerinnen eine Änderung erfuhr, führt nicht dazu, dass die diese Änderungsmöglichkeit erst voraussetzende Klausel über die Einräumung des Kündigungsrechts an sich ausverhandelt wurde.

3.3 Die hier strittige, im Wesentlichen nicht ausverhandelte Nebenbestimmung in den von der Beklagten vorformulierten Kreditverträgen unterliegt daher der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB.

3.3.1 Nach der mit dem DaKRÄG (BGBl I Nr 28/2010) eingeführten Bestimmung des § 990 ABGB sind Vereinbarungen, durch die dem Kreditgeber ein nicht an sachlich gerechtfertigte Gründe geknüpftes Recht zur vorzeitigen Kündigung eines auf bestimmte Zeit geschlossenen und seinerseits schon erfüllten Kreditvertrags eingeräumt wird, unwirksam. Gemäß Art 11 § 1 und 2 DaKRÄG ist § 990 ABGB nur auf Kreditverträge anzuwenden, die nach dem 10. 6. 2010 geschlossen wurden.

Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, dass Gesetze grundsätzlich nicht zurückwirken (§ 5 ABGB) und § 990 ABGB auf die vorliegende, im Jahr 2007 vereinbarte Klausel nicht unmittelbar zur Anwendung gelangt.

3.3.2 Koziol (in Avancini/Iro/Koziol , Österreichisches Bankenvertragsrecht II, 1/53 und 1/87) hält ‑ nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des § 990 ABGB ‑ eine Klausel, nach welcher dem Kreditgeber bei einem befristeten Kreditvertrag das Recht zur vorzeitigen Kündigung des Vertrags ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes eingeräumt wird, dann für zulässig, wenn dabei eine angemessene Frist eingehalten werden muss (siehe auch Iro in Avancini/Iro/Koziol , Österreichisches Bankenvertragsrecht I 1/158).

3.3.3 Dem ist nicht zu folgen. Auch außerhalb von Unternehmer‑Verbraucher‑Verhältnissen ist es der Kreditgeber, der den maßgeblichen Einfluss auf die vertragliche Ausgestaltung des Kreditverhältnisses ausübt.

Die Interessenlage von Kreditnehmer und Kreditgeber ist, insbesondere auch was eine vorzeitige Beendigung des auf bestimmte Zeit geschlossenen Kreditverhältnisses angeht, völlig unterschiedlich.

Der Kreditnehmer, der das Geld ja benötigt, stellt sich gerade bei einem befristeten Kreditverhältnis von vornherein auf dessen vereinbarte Dauer ein und trifft seine wirtschaftlichen Dispositionen danach. Entzieht der Kreditgeber vorzeitig die für das Unternehmen erforderlichen Geldmittel, läuft dies in der Regel den wirtschaftlichen Dispositionen des Kreditnehmers zuwider, was zu schweren Beeinträchtigungen des Kreditnehmers, bis hin zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, führen kann. Dies selbst dann, wenn dem Kreditnehmer eine an sich angemessene Frist zur Umschuldung zur Verfügung steht. Eine mittlerweile geänderte Marktlage kann dazu führen, dass der Kreditnehmer die Umschuldung zu weitaus schlechteren, ihn wirtschaftlich belastenden Bedingungen vornehmen muss. Nicht übersehen werden darf, dass eine vorzeitige ‑ grundlose ‑ Kündigung auch die Gefahr mit sich bringt, dass der Kreditnehmer in einen zweifelhaften Ruf gerät, könnten doch andere Kreditinstitute hinter der grundlosen Kündigung einen nicht genannten wichtigen Grund vermuten, was eine Umschuldung erschweren, sogar unmöglich machen könnte. Weiters würde eine grundlose vorzeitige Kündigungsmöglichkeit des Kreditgebers diesem die Gelegenheit bieten Druck auszuüben, um nachträglich die Vereinbarung für ihn günstigerer Konditionen wie insbesondere höherer ‑ als den ursprünglich ausverhandelten ‑ Kreditzinsen zu erzielen. Dem steht das nicht besonders gewichtige Interesse des Kreditgebers gegenüber, eine grundlose Kündigung einfacher und schnell durchsetzen zu können als eine außerordentliche, einen gewichtigen Grund vorsetzende. Dieses Interesse ist aber jedenfalls wesentlich geringer zu bewerten als das Interesse des Kreditnehmers, den Kredit über die gesamte vereinbarte Dauer zu behalten, wenn er keinen wichtigen Grund für eine vorzeitige Beendigung setzt. Andernfalls ist ohnedies ein außerordentliches Kündigungsrecht des Kreditgebers vorgesehen. An dieser unterschiedlichen Interessenlage ändert auch die vereinbarte Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung durch den Kreditnehmer nichts. Im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Kreditverhältnisses durch den Kreditnehmer verliert der Kreditgeber schlimmstenfalls die Zinsen bis zur neuerlichen Ausleihung des Geldes, was aber der Beeinträchtigung der Interessen des Kreditnehmers nicht gleichkommt. Zu beachten ist auch, dass der Kreditnehmer oftmals ‑ wie hier ‑ bei einer vorzeitigen Beendigung durch Umschuldung eine nicht unbeachtliche Pönale zu leisten hat.

Im Übrigen stellt ein ordentliches Kündigungsrecht des Kreditgebers auch eine Abweichung vom dispositiven Recht dar, wonach der Abschluss eines befristeten Kreditverhältnisses gerade den Verzicht auf die Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts beinhaltet. Eine sachliche Rechtfertigung hiefür wird von der Beklagten gar nicht ins Treffen geführt.

Davon ausgehend ist eine Vertragsbestimmung, die dem Kreditgeber die Möglichkeit einer ‑ wenn auch an die Einhaltung einer an sich angemessenen Kündigungsfrist gebundenen ‑ Kündigung ohne Grund einräumt, gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB.

3.3.4 Aus der Entscheidung 2 Ob 116/57 ist für die Beklagte nichts gewonnen, weil diese zu einer völlig anderen Rechtslage erging.

3.3.5 Das Ergebnis ist auch in Einklang zu bringen mit den Wertungen, die dem neu eingeführten ‑ hier noch nicht unmittelbar anzuwendenden ‑ § 990 ABGB vom Gesetzgeber zugrunde gelegt wurden.

Nach den Erläuterungen (650 der BlgNR XXIV GP) will § 990 ABGB gerade der allzu gravierenden Schieflage bei der Vertragsgestaltung hinsichtlich der vorzeitigen Auflösung eines befristeten Kreditvertrags, durch die der Kreditnehmer diesbezüglich der Willkür des Kreditgebers ausgesetzt wäre, durch ius cogens entgegen wirken. Wenn sich der Kreditgeber bei einem befristeten und von ihm bereits erfüllten Kreditvertrag das Recht vorbehalten will, das Kreditverhältnis auch außerhalb sachlich gerechtfertigter Gründe, also nach seinem Belieben, vorzeitig aufzulösen, ist eine solche vertragliche Vereinbarung nichtig. § 990 ABGB umfasst sogar zwischen zwei Unternehmen individuell ausgehandelte Kündigungsklauseln ( P. Bydlinski , Das neue ABGB, Darlehensrecht, ecolex 2010, 520 f; Stabentheiner , Das neue Darlehensrecht des ABGB, ÖJZ 2010, 98).

3.3.6 Der Revision ist daher Folge zu geben und die Unwirksamkeit der beanstandeten Klauseln festzustellen.

4. Zur Beurteilung steht aber auch das Begehren der Klägerinnen auf Feststellung an, dass die mit Schreiben vom 23. 3. 2011 ausgesprochene ordentliche Kündigung unwirksam sei.

Nach ständiger Rechtsprechung können Rechtshandlungen wie Kündigungen nicht erfolgreich zum Gegenstand einer Feststellungsklage im Sinn des § 228 ZPO gemacht werden (8 ObA 5/08f, 5 Ob 218/10k, RIS‑Justiz RS0039087, RS0039036).

Die Bestimmung des § 182a Satz 2 ZPO ordnet neben der allgemeinen Erörterungspflicht des Sach‑ und Rechtsvorbringens der Parteien ausdrücklich an, dass das Gericht ‑ sieht man von Nebenansprüchen ab ‑ seine Entscheidung nur auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, stützen darf, wenn es sie zuvor mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Grundsätzlich hat sich die Manuduktionspflicht im Rahmen des behaupteten Anspruchs zu bewegen, in diesem Bereich ist auf eine Vervollständigung des Sachvorbringens oder auch darauf zu dringen, dass das Begehren schlüssig gemacht wird.

Im vorliegenden Fall ist daher in diesem Umfang die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen, um den Klägerinnen die Gelegenheit zu geben, ihr Klagebegehren schlüssig zu stellen.

5. Die Klärung der Frage, ob die Erstklägerin als Verbraucherin und eine allfällige Rückzahlungsverpflichtung der Zweitklägerin als verbotene Einlagenrückgewähr zu qualifizieren sind, ist nicht erforderlich.

6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte