European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00151.24T.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger hat eine Gewerbeberechtigung für das „Handels‑ und Handelsagentengewerbe“. Zwischen ihm und der Beklagten besteht ein Betriebshaftpflicht-Versicherungsvertrag. Das versicherte Risiko ist „Betriebsart: Heizungs‑, Lüftungs‑, Klimaanlagen – Handel mit Montage“. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung 2004 (AHVB 2004) zugrunde. Sie lauten auszugsweise:
„ 1. Versicherungsfall
1.1 Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen (Punkt 2) erwachsen oder erwachsen könnten.
[…]
2. Versicherungsschutz
2.1 Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer
2.1.1 die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen (in der Folge kurz 'Schadenersatzverpflichtung' genannt);
2.1.2 die Kosten der Feststellung und der Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung im Rahmen des Art 5.5“
Rechtliche Beurteilung
[2] 1.1. Das Haftpflichtversicherungsrecht ist von der Spezialität der versicherten Gefahr beherrscht, wonach nur für solche Schadenfälle Versicherungsschutz besteht, die sich aus dem im Versicherungsschein (der Versicherungspolizze und ihren Nachträgen) umschriebenen „versicherten Risiko“ ableiten lassen (RS0081038). Sinn und Zweck einer Betriebshaftpflichtversicherung ist es, alle Haftpflichtgefahren, die dem versicherten oder mitversicherten Betriebsangehörigen aus dem betreffenden Betrieb erwachsen können, unter Versicherungsschutz zu stellen. Das Betriebshaftpflichtrisiko ist daher nicht nur auf typische Betriebsgefahren beschränkt, sondern umfasst im Hinblick auf die Vielfalt der mit einem Betrieb verbundenen Haftpflichtgefahren alle Tätigkeiten, die mit diesem Betrieb in einem inneren ursächlichen Zusammenhang stehen (RS0081009; RS0081310). Die Auslegung der in der Versicherungspolizze enthaltenen Risikobeschreibung hat sich auch bei der Betriebshaftpflichtversicherung am Verständnis eines redlichen und verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren. Maßgebend ist dabei nach ständiger Rechtsprechung der Umfang der Gewerbeberechtigung. Über die Gewerbeberechtigung offensichtlich hinausgehende Tätigkeiten sollen nach dem Verständnis des Erklärungsempfängers vom Versicherungsschutz grundsätzlich ausgeschlossen sein (RS0081243; RS0081310; RS0080538).
[3] 1.2. Der Deckungsanspruch des Haftpflichtversicherten ist – wie erwähnt – durch das versicherte Risiko spezialisiert und von dem vom Geschädigten erhobenen Anspruch abhängig (RS0081015). Andernfalls hätte es nämlich der Versicherungsnehmer in der Hand durch bloße, dem Anspruch des Geschädigten widersprechende, Behauptungen Deckung zu erlangen. Grundlage für die Prüfung, ob ein gedeckter Versicherungsfall vorliegt, ist daher der geltend gemachte Anspruch ausgehend von dem vom Geschädigten behaupteten Sachverhalt (RS0081927 [T7]; RS0081015 [T1]).
[4] 2.1. Dem Kläger wurde von einem von ihm (angeblich) geschädigten Dritten (in Hinkunft Geschädigter) der Streit verkündet. Unstrittig wurde er damit von diesem ernstlich in Anspruch genommen (RS0121097 [T1]). Dies gilt somit – im Gegensatz zum Vorbringen des Revisionswerbers – nicht nur bei der Beurteilung von Risikoausschlüssen.
[5] 2.2. Der Geschädigte wird gerichtlich von der dortigen Klägerin mit der Begründung belangt, die von ihm ausgeführte Heizungs‑ und Belüftungsanlage samt Wärmeregulierung in einem Geflügelmaststall sei unterdimensioniert. Der Geschädigte begründet sein rechtliches Interesse am Beitritt des Klägers als Nebenintervenient damit, dass sie ursprünglich Geschäftspartner gewesen seien und geplant hätten, die Anlage für die dortige Klägerin umzusetzen. Im Zuge der Planung des Bauvorhabens habe der Kläger Konzepte und Pläne erstellt und Berechnungen vorgenommen. Der Zweck hiefür, nämlich in die Einreichplanung des Geschädigten einzufließen, sei dem Kläger bekannt gewesen. Das Konzept sei als Grundlage für den Vertrag zwischen dem Geschädigten und der dortigen Klägerin erstellt worden.
[6] 3.1. Beim Handels‑ und Handelsagentengewerbe (§ 154 GewO) handelt es sich unstrittig um ein freies Gewerbe.
[7] 3.2. Unter „Handel“ (Handelstätigkeit) ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nur die auf den Warenaustausch zwischen den einzelnen Wirtschaftsmitgliedern gerichtete, gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit zu verstehen, wobei bereits beim Erwerb der Ware der Zweck, diese an andere Wirtschaftsmitglieder weiterzugeben, zugrunde liegen muss. Seit der GewRNov 2002 sind die Nebenrechte der Gewerbetreibenden in § 32 GewO 1994 geregelt (4 Ob 21/05z mwN). Nach § 32 Abs 1 Z 8 GewO dürfen die Gewerbetreibenden Arbeiten, die im zulässigen Umfang ihrer Gewerbeausübung liegen, planen. Das Recht zur Planung ist umfangmäßig beschränkt und von der tatsächlichen Ausübung des Gewerbes abhängig.
[8] 3.3. Die Vorinstanzen vertraten, dass ausgehend vom behaupteten Sachverhalt des Geschädigten der Kläger sich nicht darauf beschränkt habe, Kennzahlen und Daten eines Planers zu übernehmen, von denen ausgehend er sodann „konzipierte“ (= plante), welche Teile seines Warenangebots er dafür benötigen würde, um zu prüfen, ob er eine hinreichende Anlage liefern könne. Die Konzeption(= Planung) der Lüftungs- und Wärmegewinnungsanlage für den Hühnerstall samt Berechnungen zur benötigten Luftmenge für die Küken, welche in die Einreichplanung und die Ausschreibung des Projekts des Geschädigten einfließen sollte, übersteige die „Planung eines Handels“ mit zugekaufter Ware. Das dem Kläger in § 32 Abs 1 Z 8 GewO eingeräumte Recht, Arbeiten im Rahmen seines Gewerbes (Handel) durchzuführen, sei damit offensichtlich überschritten worden.
[9] 3.4. Der Kläger verweist in seiner Revision im Wesentlichen darauf, dass er nach § 32 Abs 1 Z 8 GewO berechtigt sei, bevor er entsprechende Anlagen liefere, anhand der ihm übermittelten Daten bestimmte Berechnungen durchzuführen, um die Anlage richtig zu dimensionieren bzw deren Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Derartige Vorplanungsarbeiten seien jedenfalls nötig, damit er seine Produkte und Komponenten überhaupt verkaufen könne. Planungsleistungen, die im Zusammenhang mit der Vermarktung von ihmvertriebener Produkte erbracht würden, seien daher vom Versicherungsschutz umfasst.
[10] 3.5. Diese Argumentation setzt sich aber weder mit der Beurteilung des Berufungsgerichts auseinander, wonach der Geschädigte seinen Schadenersatzanspruch auf die Erstellung des Konzepts (Planung) als vom Kläger zu erbringende Hauptleistung gründe noch mit jener, dass diese „reinen Planungsleistungen“ – als Hauptleistung und damit offensichtlich – die nach der Gewerbeberechtigung zulässige Handelstätigkeit überschreite. Seine Revision zeigt damit keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung auf.
[11] 3.6. Davon ausgehend erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die vom Kläger erbrachten Planungsarbeiten darüber hinaus dem reglementierten Gewerbe der Ingenieurbüros vorbehalten wären. Dass der Kläger auch über das Gewerbe des Ingenieurbüros verfügte, ist insoweit nicht von Relevanz, als es nicht unter die versicherte Betriebsart fällt.
[12] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
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