Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung hat der den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung über Gefahrenumstände im Sinn des § 22 VersVG anfechtende Versicherer das Vorliegen der Arglist durch den Täuschenden zu beweisen. Arglist ist die vorsätzliche Herbeiführung oder die Ausnützung eines schon vorhandenen Irrtums. Eine arglistige Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur die verschwiegene oder unrichtig angezeigte Tatsache kannte, sondern auch um die Erheblichkeit dieser Tatsache für den Versicherer wusste. Arglist liegt demnach vor, wenn der Getäuschte absichtlich oder doch bewusst durch unrichtige Vorstellungen zur Einwilligung in einen Vertragsschluss gebracht wurde. Aus der wissentlichen Falsch- oder Nichtbeantwortung einer vom Versicherer gestellten Frage (etwa nach Vorerkrankungen) allein lässt sich der Schluss auf eine Täuschungsabsicht nicht ziehen; vielmehr erfordert Arglist im Sinn des § 22 VersVG, dass der Versicherungsnehmer durch die Falsch- oder Nichtbeantwortung auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen wird, wenn er die Wahrheit sagt (7 Ob 38/95, VersE 1675 = VR 1998/454).
Letzteres haben die Vorinstanzen ungeachtet des Umstands, dass der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags Außendienstmitarbeiter der Beklagten war und eine entsprechende Ausbildung bekommen hatte, nicht als erwiesen angenommen. Nach den (vom Berufungsgericht übernommenen) Feststellungen des Erstgerichts bleibt nämlich die Möglichkeit offen, dass der Kläger Vorerkrankungen deshalb nicht erwähnte, weil er sie infolge (weitgehender) Heilung für gänzlich unbeachtlich für die Risikoeinschätzung der Beklagten gehalten habe; hingegen steht gerade nicht fest, dass der Kläger dabei befürchtet hat, die Beklagte könnte andernfalls den Versicherungsvertrag mit ihm überhaupt nicht oder nur zu anderen (für ihn ungünstigeren) Bedingungen abschließen. Dem Einwand der Revisionswerberin, das Berufungsgericht sei von oberstgerichtlicher Judikatur, nämlich von den Entscheidungen 7 Ob 277/04t und 7 Ob 253/05i abgewichen, ist entgegenzuhalten, dass diese Entscheidungen mit der vorliegenden Rechtssache insofern nicht vergleichbar sind, als dort jeweils die Täuschungsabsicht als evident erachtet wurde. Ob das Verhalten eines Versicherungsnehmers anlässlich des Abschlusses des Versicherungsvertrags arglistig war, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher, wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (7 Ob 38/95; 7 Ob 277/04t ua). Richtig ist, dass die von der Revisionswerberin für erheblich erachtete Frage, ob der prima-facie-Beweis auch für das Vorliegen von Arglist zulässig ist, in der Entscheidung 7 Ob 38/95 offen gelassen und vom Obersten Gerichtshof auch später nicht beantwortet wurde. Prölss in Prölss/Martin, VVG27 führt dazu aus, dass die von der (deutschen) Rechtsprechung aufgestellte (nicht immer konsequent angewendete) Regel, dass Willensentschlüsse nicht prima facie bewiesen werden könnten, zweifelhaft sei, da auch insoweit Erfahrungssätze bestünden und der von der herrschenden Meinung konstruierte Unterschied zwischen dem (für den Nachweis von Willensentschlüssen „zulässigen") Indizienbeweis und dem Anscheinsbeweis nicht existiere. Die Frage muss aber auch hier nicht abschließend beantwortet werden, da kein allgemeiner Erfahrungssatz besteht, dass ein Versicherungsnehmer, der Antragsfragen bewusst unrichtig beantwortet, regelmäßig auch mit Arglist in Bezug auf die Willensbildung des Versicherers gehandelt hat (RIS-Justiz RS0103030). Aber auch ein Erfahrungssatz, wonach dies (das Vorliegen von Arglist) etwa für einen entsprechend geschulten Versicherungsangestellten, der Antragsfragen bewusst unrichtig beantwortet, in aller Regel zutrifft, liegt nicht vor. Ein Beweis des Vorliegens arglistiger Täuschung durch den Kläger nach den Regeln des Anscheinsbeweises kommt daher im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin wirft schließlich auch die Verneinung der „Unversicherbarkeit" des Klägers im Sinn des Art 16 der dem Versicherungsvertrag der Streitteile zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 1997) keine erhebliche Rechtsfrage auf, die die Zulassung der außerordentlichen Revision rechtfertigen könnte. Art 16 AUVB 1997 („Unversicherbare Personen") hat folgenden Wortlaut:
1.) Unversicherbar und jedenfalls nicht versichert sind Personen, die dauernd vollständig arbeitsunfähig oder von einem schweren Nervenleiden befallen sind, sowie Geisteskranke.
Vollständige Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn dem Versicherten infolge Krankheit oder Gebrechen nach medizinischen Gesichtspunkten die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann und auch tatsächlich keine Erwerbstätigkeit vorliegt.
2.) Hinsichtlich einer unversicherbaren Person kommt ein Versicherungsvertrag nicht zustande.
Wenn der Versicherte während der Laufzeit des Versicherungsvertrags unversicherbar geworden ist, erlischt der Versicherungsschutz. Gleichzeitig endet der Vertrag für diesen Versicherten."
Die Interpretation dieser Bestimmungen durch das Berufungsgericht folgt den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen, dass bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren hat (RIS-Justiz RS0050063), die einzelnen Klauseln objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen sind (RIS-Justiz RS0008901), wobei stets der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen ist (7 Ob 231/04b; 7 Ob 58/05p mwN; 7 Ob 216/07a uva).
Zwar ist die Auslegung von Versicherungsbedingungen, zu denen - wie hier - nicht bereits oberstgerichtliche Judikatur existiert, im Hinblick darauf, dass sie in aller Regel einen größeren Personenkreis betreffen, grundsätzlich revisibel. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung allerdings nicht, wenn der Wortlaut der betreffenden Bestimmung so eindeutig ist, dass keine Auslegungszweifel verbleiben können (7 Ob 59/06m; 7 Ob 115/06x; 7 Ob 216/07a; 7 Ob 82/07w ua). Dies trifft im vorliegenden Fall zu, zumal vom Erstgericht unbekämpft festgestellt wurde, dass beim Kläger zu keinem Zeitpunkt eine vollständige und dauernde Berufsunfähigkeit vorlag. Eine solche ist, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch bei einer Dysthymie nicht zwingend anzunehmen, handelt es sich dabei doch nur um eine „chronifiziert depressive Verstimmung", die je nach Schwere, Grad und Dauer der einzelnen Episoden nicht die Kriterien für eine leichte oder mittelgradige rezidivierende depressive Störung erfüllt. Da dem Kläger jeweils nur befristete Berufsunfähigkeitspensionen zuerkannt wurden und er vor dem Unfall eine Vereinbarung getroffen hatte, wonach er ab 1. 7. 2006 als Halbtagskraft arbeiten sollte, kann keine Rede davon sein, dass er bis zum Unfall „dauernd vollständig arbeitsunfähig" gewesen oder geworden wäre.
Da die Beklagte auch im Rahmen ihrer Rechtsrüge keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufwirft, ist ihr demnach unzulässiges außerordentliches Rechtsmittel zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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