OGH 7Ob38/95

OGH7Ob38/9517.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Hans-Peter Ullmann, Rechtsanwalt, 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 6, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Verlassenschaft nach dem am 19.August 1989 verstorbenen Dr.Friedrich N*****, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** wider die beklagte Partei Z***** AG, 1015 Wien, Schwarzenbergplatz 15, vertreten durch Dr.Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 3,000.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 5.Mai 1995, GZ 4 R 80/95-92, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

28.125 (darin enthalten S 4.687,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Dr.Friedrich N***** ist am 19.8.1989 durch einen Sturz über die Krimmler Wasserfälle zu Tode gekommen.

Die Verlassenschaft nach Dr.N***** begehrt Zahlung von S 3,000.000 sA aus einem aufrechten Unfallversicherungsvertrag. Dr.N***** habe mit der beklagten Partei im Herbst 1988 einen Unfallversicherungsvertrag auf seine Person abgeschlossen, wobei Versicherungsbeginn der 22.11.1988 gewesen sei. Mit Schreiben vom 11.12.1989 sei die beklagte Partei von diesem Vertrag zurückgetreten, weil sie der Verstorbene über wesentliche Umstände unrichtig informiert habe. Er habe verschwiegen, daß ein Antrag auf Unfallversicherung bei der W*****-Versicherung abgelehnt worden sei. Der Rücktritt der beklagten Partei sei jedoch nicht berechtigt, weil die schriftliche Ablehnung des Antrages auf Abschluß einer Unfallversicherung bei der W*****-Versicherungs-AG erst nach Antragstellung an die beklagte Partei erfolgt sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage mit der noch im Revisionsverfahren wesentlichen Behauptung, der Rücktritt vom Versicherungsvertrag sei zu Recht erfolgt, weil Dr.N***** erhebliche Gefahrumstände beim Abschluß des Vertrages verschwiegen habe. Er habe eine große Zahl von Vorversicherungen bei Abschluß des Vertrages verschwiegen.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen.

Nachstehende Feststellungen sind hervorzuheben:

Dr.Friedrich N***** schloß am 29.12.1979 bei der A*****-Versicherung eine Unfallversicherung mit einem Betrag von S 500.000 im Falle des Unfalltodes zugunsten der gesetzlichen Erben ab. Diese Versicherung wurde am 16.6.1988 auf S 3,600.000 zugunsten der gesetzlichen Erben erhöht. Am 1.7.1989 wurde sie auf S 6,700.000 erhöht, nunmehr zugunsten von Mag.Dorit H*****. Die Versicherungssumme betrug S 6,700.000 im Todesfall, für den Fall dauernder Invalidität aber S 500.000. Am 24.6.1988 beantragte Dr.Friedrich N***** bei der H*****-Versicherung eine Lebensversicherunng mit einer Versicherungssumme von S 1,000.000. Dieser Antrag wurde angenommen. Am gleichen Tag stellte er bei der genannten Versicherungs-AG einen Antrag auf Unfallversicherung mit den Versicherungssummen von jeweils S 3,000.000 für Unfalltod und für dauernde Invalidität. Wenn auch in diesem Antrag die Versicherungssummen bei der A*****-Versicherung nicht angeführt sind, so erhob die Direktion der W*****-Versicherung Wien doch, daß hier eine Unfallversicherung mit einer Versicherungssumme von S 3,600.000 für den Todesfall und S 2,600.000 für dauernde Invalidität bestand. Die Direktion der W*****- Versicherung erwog, daß bei einer Person eines so fortgeschrittenen Alters wie Dr.N***** (geboren am 25.5.1930) derart hohe Versicherungen auf den Todesfall nicht mehr vertretbar seien, zumal nach Überlegung der W*****-Versicherung bei einer derartig hohen Bewertung eines Menschenlebens auch das Risiko gegeben sei, daß dieses Menschenleben einem unnatürlich frühen Ende zugeführt werde, weshalb die Annahme dieses Versicherungsantrages abgelehnt wurde. Seitens der Direktion der W*****-Versicherung in Wien erging an die Dienststelle in Innsbruck die Weisung, Dr.Friedrich N***** davon in Kenntnis zu setzen, daß dieser Versicherungsantrag vom 24.6.1988 nicht angenommen werde, da falsche Angaben im Antrag gemacht worden seien. Ein Versuch einer Mitarbeiterin in der Dienstststelle Innsbruck, doch noch die Annahme dieses Antrages zu erreichen, führte zu keiner Meinungsänderung der W*****-Versicherung, vielmehr wurde mit Schreiben vom 4.8.1989 der Antrag auf Einzelunfallversicherung abgelehnt. Eine schriftliche Ablehnung eines Versicherungsantrages ist in der Geschäftsgebarung der W*****-Versicherungen unüblich. Warum am 4.8.1989 eine schriftliche Ablehnung erfolgte, ist nicht feststellbar.

Nachdem am 28.7.1988 Weisung seitens der Direktion der W*****-Versicherung in Wien ergangen war, den Versicherungsantrag des Dr.Friedrich N***** nicht anzunehmen, wurde dies Dr.N***** von Friedrich S*****, einem Mitarbeiter der W*****-Versicherung mitgeteilt und die Ablehnung damit begründet, daß eine vorbestehende Unfallversicherung nicht angegeben worden sei. Friedrich S***** bot Dr.N***** über dessen Wunsch an, den Vertrag bei einer anderen Versicherung unterzubringen. Auf einem Formular der Z***** für Unfallversicherungen füllte sodann Friedrich S***** für den Antragsteller Dr.Friedrich N***** die Spalten sowohl auf der Vorderals auch auf der Rückseite des Antrages aus. Die Frage "Wurde von einem anderen Versicherer eine Unfall- oder Volksunfallversicherung bereits abgelehnt oder gekündigt" ist mit "nein" beantwortet. Dieser Antrag vom 7.10.1988 trägt die Unterschrift des Antragstellers Dr.N*****. Beim Ausfüllen des Versicherungsantrages vom 7.10.1988 wies Friedrich S***** anläßlich der Fragestellung "Wurde von einem anderen Versicherer eine Unfall- oder Volksunfallversicherung bereits abgelehnt oder gekündigt" Dr.N***** darauf hin, daß man hier den abgelehnten Antrag bei der W*****-Versicherung eintragen solle. Dr.Friedrich N***** lehnte diesen Vorschlag ab. Der Versicherungsantrag wurde über Günther K*****, einen selbständigen Versicherungsmakler, der beklagten Partei übergeben. Ein noch fehlendes Beiblatt zur Unfallversicherung gelangte an Friedrich S*****, der es mit Datum vom 3.11.1988 nach Angaben des Dr.Friedrich N***** ausfüllte. Darin ist ua angefragt, ob offene Anträge bestehen bzw ob frühere Anträge bzw Anträge von welcher Gesellschaft abgelehnt, aufgehoben oder gekündigt wurden. Friedrich S***** wies Dr.N***** darauf hin, daß hier die abgelehnte Versicherung der Winterthur angeführt werden müsse, Dr.N***** lehnte jedoch ab, diesen Antrag anzuführen. Friedrich S***** brachte das Beiblatt direkt zur beklagten Partei und gab es bei Johann L*****, einem Angestellten der beklagten Partei, ab. Dieser wußte, daß Friedrich S***** hauptberuflicher Mitarbeiter der W*****-Versicherung war und fragte ihn, warum die W*****-Versicherung diesen Vertrag nicht selbst abschließe. Darauf erklärte ihm Friedrich S*****, das hänge mit den Annahmerichtlinien der W*****-Versicherung zusammen. Hier solle eine zu hohe Versicherungssumme versichert werden. Es ist nicht feststellbar, daß Friedrich S***** in diesem Zusammenhang erklärt hätte, die W*****-Versicherung habe den Antrag bereits abgelehnt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung vom 7.10.1988 bestanden über die im Antrag angeführten Versicherungsverträge hinaus eine Unfallversicherung vom 19.6.1982 bei der B*****, eine Risiko-Lebensversicherung bei der W***** AG vom 1.9.1988 in Höhe von S 1,200.000, eine Er- und Ablebensversicherung von Oktober 1979 bei der G*****, eine Er- und Ablebensversicherung bei der B***** AG vom 1.12.1985 sowie eine Lebensversicherung bei der W*****-Versicherung lautend auf S 1,000.000. Alle diese Versicherungsverträge sind im Antrag vom 7.10.1988 nicht angeführt. Wären sie sowie der abgelehnte Antrag der W*****-Versicherung der beklagten Partei zum Zeitpunkt der Antragstellung bekannt gewesen, hätte diese den Antrag vom 7.10.1988 abgelehnt.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, Dr.Friedrich N***** habe nicht nur die Ablehnung der W*****-Versicherung, sondern auch abgeschlossene Lebensversicherungen und Kreditrestschuldversicherungen verschwiegen. Der Versicherungsnehmer hafte für die Richtigkeit eines ausgefüllten Fragebogens. Enthalte dieser Fragebogen vom Versicherungsnehmer zu vertretende unrichtige Angaben, liege es im Falle der Anfechtung des Vertrages an ihm, den Nachweis zu erbringen, daß die Verschweigung nicht arglistig erfolgt sei. Zumindest der abgelehnte Antrag der W*****-Versicherung sei bewußt, somit arglistig verschwiegen worden.

Das Berufungsgericht übernahm die dargestellten Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen rechtliche Beurteilung. Bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung im Sinne des § 22 VersVG habe die Versicherungsunternehmung zu beweisen, daß der Versicherungsnehmer positiv wisse, daß die Versicherungsunternehmung irre und daß dieser Irrtum einen Einfluß auf die Willensbildung ausübe. Wer Arglist behaupte, müsse hiefür den vollen Beweis erbringen. Zwar lehne die deutsche und die österreichische Rechtsprechung die Zulassung des Anscheinsbeweises in bezug auf die vom Versicherer im Zusammenhang mit der Arglistanfechtung zu beweisenden Tatsachen ab (SZ 51/52; doch führe Rummel in Rummel2 Rz 2 zu § 870 ABGB dazu aus, daß es für das Vorliegen von List zwar generell keine Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis gebe, daß aber nicht ausgeschlossen sein sollte, daß im Einzelfall der erste Anschein für List spreche. Das Berufungsgericht schloß sich der Auffassung an, daß der Anscheinsbeweis im Hinblick auf die arglistige Täuschung in entsprechend besonders gelagerten Einzelfällen zugelassen werden müsse. In der hier zu beurteilenden Rechtssache handle es sich um einen derart besonders gelagerten Einzelfall, weil der Versicherungsnehmer Dr.Friedrich N***** tot sei und daher die absolute Unmöglichkeit gegeben sei, von ihm näheres zur "subjektiven Tatseite" zu erfahren. Die Täuschungsabsicht des Versicherungsnehmers sei hier geradezu offenkundig im Sinne des § 269 ZPO, weshalb dem Versicherer der Anscheinsbeweis ermöglicht werden müsse.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil es von dem Rechtssatz, daß die Versicherungsunternehmung den vollen Beweis der von ihr behaupteten arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer erbringen müsse, in dem besonders gelagerten Fall abgegangen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, wie die beklagte Partei zutreffend in der Revisionsbeantwortung ausführt, unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung hat der den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechtende Versicherer das Vorliegen der Arglist durch den Täuschenden zu beweisen (VersR 1978, 954; VersR 1981, 568). Arglist liegt dann vor, wenn der Getäuschte absichtlich oder doch bewußt durch unrichtige Vorstellungen zur Einwilligung in einen Vertragsabschluß gebracht wurde. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß List die positive Kenntnis des Täuschenden erfordert, daß der andere (überlistete) Teil irrt und sein Irrtum einen Einfluß auf den Willensentschluß ausübt, daß also der Versicherungsnehmer auf die Entschließung des Versicherers Einfluß nehmen will und sich bewußt ist, daß der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen wird, wenn er die Wahrheit sagt (vgl Prölss/Martin25 Z 2 zu § 22 VersVG).

In der Entscheidung SZ 51/52 wurde zwar ausgesprochen, daß sich die Zulässigkeit des prima-facie-Beweises auf die Feststellung des Kausalablaufes beschränke und daher das Vorliegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises erwiesen werden könne. Ob diese Aussage in dieser allgemeinen Form noch zutrifft, muß aber nicht beurteilt werden (vgl auch den Hinweis in der angefochtenen Entscheidung auf Rummel2, Rz 2 zu § 870 ABGB).

Das Berufungsgericht hat nämlich zu Recht auf die hier vorliegenden Umstände des Einzelfalles verwiesen und aufgrund der festgestellten besonderen Umstände des Einzelfalles das Vorliegen der Täuschungsabsicht durch Dr.N***** bejaht. Ob aber im konkreten Fall nach den besonderen Umständen des Einzelfalles Täuschungsabsicht angenommen wurde, stellt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar.

Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte