OGH 7Ob124/21t

OGH7Ob124/21t15.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Stefula und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* K*, vertreten durch Mag. Paul Wolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch Dr. Farhad Paya Rechtsanwalt GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 34.252,40 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 19. Mai 2021, GZ 2 R 37/21k‑36, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E132978

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508 Abs 2 Satz 2 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Grundlage für eine Haftung des Arztes oder Krankenhausträgers wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch eine Operation eingegriffen wird. Der Patient muss in die jeweilige konkrete Behandlungsmaßnahme einwilligen; Voraussetzung für eine sachgerechte Entscheidung des Patienten ist eine entsprechende Aufklärung durch den Arzt. Fehlt es daran, so ist die Behandlung grundsätzlich rechtswidrig, auch wenn der Eingriff selbst medizinisch indiziert und lege artis durchgeführt wird (RS0118355, RS0026783). Steht dem Patienten bei der Aufnahme in ein Krankenhaus nicht das Recht zu, nur von einem bestimmten Arzt operiert zu werden, so hängt die Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten in die Operation nicht davon ab, ob er über die Person des Operateurs aufgeklärt worden ist. Allerdings darf ein anderer Arzt den Eingriff nicht vornehmen, wenn der Patient erklärt, er wolle sich nur von einem bestimmten Arzt operieren lassen. Bei einer solchen Erklärung ist die Einwilligung des Patienten auf die Operation durch einen bestimmten Arzt beschränkt. Daraus folgt aber auch, dass dann, wenn – ungeachtet des Fehlens eines Anspruchs auf die Operation durch einen bestimmten Arzt – zwischen den Parteien des Behandlungsvertrags die Operation durch einen bestimmten Arzt (zumindest schlüssig) vereinbart wurde, der Vertragspartner des Patienten verpflichtet ist, diesen darüber aufzuklären, dass an dem vorgesehenen Termin die Operation durch diesen Arzt nicht erfolgen könne und daher ein anderer Arzt den Eingriff vornehmen werde (RS0118356).

[2] 2.1 Der Kläger teilte dem – ihm empfohlenen – Oberarzt der Beklagten mit, von ihm persönlich operiert werden zu wollen, was dieser ihm nach Einsicht in seinen Terminkalender für die am 10. 4. 2017 in Aussicht genommene Operation ausdrücklich zusicherte. Tatsächlich wurde die Operation – ohne den Kläger hierüber zu informieren – vom Assistenzarzt lediglich unter Aufsicht des Oberarztes vorgenommen.

[3] 2.2 Die Beklagte zieht das Vorliegen einer Vereinbarung zur Person des Operateurs nicht mehr in Zweifel, sie vermeint jedoch, dass als Operateur derjenige anzusehen sei, dem die Leitung und Aufsicht bei der Operation obliege.

[4] 2.3 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich die Beschränkung der Einwilligung des Klägers auf die Operation durch den Oberarzt auf dessen persönliche Durchführung und nicht aufdie bloße Ausübung der Oberaufsicht durch ihn bezogen habe, ist nicht korrekturbedürftig. Gerade bei medizinischen Eingriffen kommt es in besonderem Maß auf das Geschick, das Urteilsvermögen und die Erfahrung des die Operation ausführenden Arztes an, dem der Patient ein besonderes Vertrauen entgegenbringen muss. Selbst wenn man davon ausgeht, dass durch die Aufsicht des Oberarztes eine korrigierende Eingriffsmöglichkeit sichergestellt war, wurde damit der Erwartung des Klägers nicht entsprochen. Besteht doch in diesem Fall dessen ungeachtet die Gefahreiner Komplikation während der Operation – beispielsweise wegen mangelnder Erfahrung des Assistenzarztes –, deren Folgen nicht in jedem Fall durch einen umgehenden Eingriff folgenlos saniert werden können. Für die Frage der vorweg erteilten Einwilligung in die Operation hat es keine Bedeutung, dass die nachfolgende Operation lege artis durchgeführt wurde.

[5] 2.4 Damit ist auch die weitere Beurteilung der Vorinstanzen, das Unterbleiben der Aufklärung über den Umstand, dass der Oberarzt die Operation nicht persönlich durchführe, sondern bloß überwache, bewirke die Unwirksamkeit der Einwilligung des Klägers in die Operation und begründe damit die Haftung für die nachteiligen Folgen wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (vgl RS0026783 [T5]), nicht zu beanstanden.

[6] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung.

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