European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00111.16Y.0706.000
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Der Kläger begehrt,
1. den zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen fondsgebundenen Lebensversicherungs‑ vertrag … mit dem Garantiefondskonzept ... zu Polizzennummer … als unwirksam aufzuheben, und
2. die Beklagte schuldig zu erkennen, dem Kläger den Betrag von 13.535,72 EUR zuzüglich 4 % Zinsen pa seit Klagseinbringung Zug um Zug gegen die Rückübertragung seiner Rechte aus der fondsgebundenen Lebensversicherung … mit dem Garantiefondskonzept ... zu Polizzennummer … zu bezahlen.
Der Kläger bewertete sein Begehren zu Punkt 1. mit 1.500 EUR und er stellte hilfsweise auch ein Feststellungsbegehren. Er brachte – soweit hier wesentlich – vor, sein Begehren zu Punkt 1. sei auf Rechtsgestaltung gerichtet und gründe sich darauf, dass ihn die Beklagte nicht gemäß § 165a VersVG über sein Rücktrittsrecht belehrt habe. Der Kläger habe der Beklagten nunmehr seinen Vertragsrücktritt erklärt; diesen habe die Beklagte jedoch abgelehnt. Er leiste zur Vermeidung eines unberechtigten „Mahnlaufs“ laufend Prämienzahlungen unter ausdrücklichem Vorbehalt der Rückforderung. Das Zahlungsbegehren umfasse die bisher geleisteten Prämien (11.276,80 EUR) und die von der Beklagten daraus gezogenen Nutzungen (2.258,92 EUR).
Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Begehre der Kläger sowohl die (rechtsgestaltende) Vertragsaufhebung als auch die daraus abgeleitete Rückzahlung erbrachter Leistungen, gelte als gesamter Streitgegenstand nur der Wert des Leistungsbegehrens, der hier nicht den Betrag von 15.000 EUR (§§ 51 Abs 1, 52 JN) übersteige.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und vertrat ebenfalls die Rechtsansicht, dass bei Verbindung eines Rechtsgestaltungsbegehrens mit einem daraus abgeleiteten Begehren auf Rückzahlung geleisteten Entgelts dem Vertragsaufhebungsbegehren keine über das betreffende Verfahren hinausgehende Bedeutung zukomme. Das Rechtsgestaltungsbegehren sei daher nicht gesondert zu bewerten.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die zur maßgeblichen Bewertungsfrage bisher vorliegende Rechtsprechung zu Zielschuldverhältnissen ergangen und daher noch ungeklärt sei, ob diese auch für Dauerschuldverhältnisse mit künftigen Zahlungs‑ verpflichtungen gelte.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichts ersatzlos aufzuheben und diesem die Einleitung des ordentlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt, weil die Vorinstanzen die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts zu Unrecht verneint haben.
1.1. Konformatsbeschlüsse sind gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar, es sei denn, dass die Klage – wie im vorliegenden Fall – ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (formalrechtlich begründete Klagezurückweisung [RIS‑Justiz RS0044487]), somit im Ergebnis eine endgültige Verweigerung der Sachentscheidung über das Rechtsschutzbegehren vorliegt (RIS‑Justiz RS0044536).
1.2. Das (Revisions‑)Rekursverfahren gegen eine a-limine-Zurückweisung der Klage ist einseitig. Der Beklagte ist am Rechtsmittelverfahren daher nicht zu beteiligen, ist aber auch an die im a-limine-Verfahren ergehende Zuständigkeitsentscheidung nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0039200).
2. Klarzustellen ist weiters, dass die zu klärende Bewertungsfrage unabhängig davon zu entscheiden ist, ob das vom Kläger erhobene Rechtsgestaltungsbegehren materiell berechtigt ist.
3. Die Vorinstanzen sind jener Rechtsprechung gefolgt, nach welcher sich der Streitwert in einem Verfahren über einen Rechtsgestaltungsanspruch und über ein damit verbundenes Leistungsbegehren auf Rückzahlung geleisteten Entgelts allein nach der Höhe des Leistungsbegehrens bestimmt, weil die Entscheidung über den Rechtsgestaltungsanspruch in einem solchen Fall keine über das betreffende Verfahren hinausgehende Bedeutung habe (RIS‑Justiz RS0018806).
4. Bereits das Rekursgericht hat allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass die nach diesem Grundsatz judizierten Fälle durchwegs die Aufhebung von Kaufverträgen betrafen (4 Ob 629/88; 2 Ob 539/94; 2 Ob 179/14h; vgl auch 6 Ob 36/04v). In solchen Konstellationen führt die Beurteilung des Zahlungsbegehrens, das auf die Rückzahlung geleisteten Entgelts gerichtet ist, zur abschließenden Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses, weshalb die Entscheidung über den verbundenen Rechtsgestaltungsanspruch in einem solchen Fall keine über das betreffende Verfahren hinausgehende Bedeutung hat. Auf die hier erhobenen Begehren trifft dies jedoch nicht zu:
5. Der Kläger hat vorgebracht, dass die Beklagte den von ihm erklärten Vertragsrücktritt abgelehnt habe und er zur Vermeidung allfälliger Verzugsfolgen weiterhin unter Vorbehalt der Rückforderung die laufenden Prämienzahlungen leiste. Bei dieser Sachlage will der Kläger aus dem Rechtsgestaltungsbegehren gerade über das vorliegende Verfahren hinausgehende Wirkungen, nämlich eine Beurteilungsgrundlage auch für die laufenden Prämienzahlungen, ableiten. Es besteht dann aber auch kein Grund, ihm eine gesonderte Bewertung dieses Rechtsgestaltungsbegehrens zu versagen.
6. Im Ergebnis folgt:
6.1. Behauptet der Kläger, im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses (zur Vermeidung von Verzugsfolgen unter Rückzahlungsvorbehalt) laufend Leistungen zu erbringen, dann ist die gesonderte Bewertung eines auf Vertragsaufhebung gerichteten Rechtsgestaltungsbegehrens auch dann nicht zu beanstanden, wenn es mit einem Begehren auf Rückzahlung in der Vergangenheit erbrachter Zahlungen verbunden ist. Für die Wertzuständigkeit (§§ 51 Abs 1, 52 JN) ist dann die Summe von Rechtsgestaltungs‑ und Zahlungsbegehren maßgeblich. In Stattgebung des Revisionsrekurses ist daher dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
6.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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