European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0060OB00096.04T.0527.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat den beklagten Parteien die mit 1.170,18 EUR (darin enthalten 195,03 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Hält der Oberste Gerichtshof entgegen dem nach § 508a Abs 1 iVm § 521a Abs 2 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes den Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 528 Abs 1 ZPO für nicht zulässig, kann sich die Zurückweisung des ordentlichen Revisionsrekurses auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§§ 510 Abs 3 letzter Satz, 528a ZPO).
Das Rekursgericht begründete seinen gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit, dass die Rechtsfrage erheblich sei, ob ein vorläufiger Landesrechnungshofbericht den Journalisten seiner Pflicht, eine Stellungnahme der von der Berichterstattung betroffenen Person einzuholen, enthebe.
Rechtliche Beurteilung
Der zu sichernde Unterlassungsanspruch ist jedoch verschuldensunabhängig (RIS‑Justiz RS0107911). Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Frage würde sich daher allenfalls nur stellen, wenn zu prüfen wäre, ob den Beklagten der Rechtfertigungsgrund des § 6 Abs 2 Z 2 lit b MedienG zuzugestehen wäre. Nach dieser Bestimmung besteht der Entschädigungsanspruch des Betroffenen nach § 6 Abs 1 MedienG wegen übler Nachrede selbst bei Unwahrheit der Veröffentlichung nicht, wenn ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung bestanden hat und auch bei Aufwendung der gebotenen journalistischen Sorgfalt hinreichende Gründe vorgelegen sind, die Behauptung für wahr zu halten. Ob diese Voraussetzungen hier zutreffen, ist aber - wie noch ausgeführt wird - nicht entscheidend. Es kommt daher auch nicht auf die im Revisionsrekurs weiters als erheblich relevierte Frage an, ob dieser Rechtfertigungsgrund nicht nur auf kreditschädigende, sondern auch auf ehrenbeleidigende Äußerungen Anwendung findet, wobei hiezu der Vollständigkeit halber festzuhalten ist, dass sich die zitierte Bestimmung gerade auf die üble Nachrede, also auf in ehrenbeleidigender Form aufgestellte Tatsachenbehauptungen bezieht und vom Wortlaut her rein kreditschädigende Tatsachenmitteilungen iSd § 1330 Abs 2 ABGB nicht mitumfasst, sondern insoweit allenfalls analog angewendet werden kann (vgl SZ 73/198). Es bedarf auch keiner weiteren Erwägungen, ob die im Sinn des zitierten Rechtfertigungsgrundes vorzunehmende Interessenabwägung im Fall einer unwahren Tatsachenbehauptung auch hier (anders als in SZ 73/198 geht es nicht um eine dringende Warnung der Bevölkerung vor betrügerischen Machenschaften) zugunsten der Beklagten ausfallen müsste.
Denn das Rekursgericht ging ohnehin davon aus, dass aus dem in seiner Entscheidung hervorgehobenen und vom Erstgericht als bescheinigt angenommen Sachverhalt jedenfalls abzuleiten sei, "dass die Differenz von S 3,5 Millionen auf S 2,13 Millionen, somit S 1,37 Millionen (im Zusammenhang mit der Verwendung von Förderungsgeldern) nicht nachvollziehbar ist, dass der Kläger eine der Jugendsportakademie gewährte Subvention von S 2 Millionen zugewendet erhalten hat, ohne dafür Rechnungen ausgestellt zu haben und ohne der Aufforderung der Kärnten Sport Koordination zum Nachweis der widmungsgemäßen Verwendung entsprochen zu haben, sowie dass der Kläger sich den der Jugendsportakademie gewidmeten Betrag von S 3,15 Millionen zugewendet hat, ohne Nachweise darüber zu erbringen, welche konkreten Leistungen er hiefür an die Jugendsportakademie erbracht hat". Damit sei aber den Beklagten die Bescheinigung, dass Millionenförderungen ohne Nachweis einer widmungsgemäßen Verwendung geflossen seien, gelungen. Daran würden die Bestätigungen des Amtes der Kärntner Landesregierung (wonach die vorgelegten Rechnungen für die Subventionen des Landes von der Buchhaltung des Amtes der Kärntner Landesregierung als "rechnerisch" und von der Kärnten Sport Koordination als "sachlich" richtig befunden worden seien) sowie die Aussagen der Auskunftspersonen nichts ändern, weil die Aufgaben des Landesrechnungshofes nach dem Inhalt des Prüfungsauftrages nicht nur gewesen sei, die Satzung der Subventionsempfänger zu überprüfen, sondern auch, ob der öffentliche Subventionsgeber die Prüfung der ordnungsgemäßen Verwendung sachgerecht vorgenommen habe; die Kärnten Sport Koordination sei damit von der Prüfung des Landesrechnungshofes genauso betroffen wie der Kläger. Der wahre Tatsachenkern des vom Zweitbeklagten verfassten und in der Tageszeitung der Erstbeklagten erschienen Artikels über den vorläufigen Bericht des Kärntner Landesrechnungshofes und der in diesem Artikel enthaltenen strittigen Äußerungen wurde demnach vom Rekursgericht darin erblickt, dass die Verwendung von Subventionsgeldern (zum Teil in Millionenhöhe) nicht durch entsprechend konkrete und im einzelnen objektiv nachvollziehbare Rechnungen oder Kalkulationen dargelegt werden konnte und dennoch (weitere) Förderungen "geflossen" seien. Nach Ansicht des Rekursgerichtes kommt es daher bei Prüfung der Richtigkeit der Äußerungen im Gegensatz zur Ansicht des Erstgerichtes nicht darauf an, ob Förderungsgelder in Millionenhöhe widmungswidrig verwendet wurden, sondern ob ihre Verwendung hinreichend nachvollzogen werden kann.
Sinn und Bedeutungsinhalt einer beanstandeten Äußerung wie auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden, ob eine auf einem wahren Tatsachenkern zurückzuführende wertende Meinungsäußerung oder ein reines Werturteil vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der Äußerung für den unbefangenen Adressaten. Es handelt sich hiebei um Rechtsfragen, die jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den konkreten Formulierungen in ihrem Zusammenhang, der Form der Äußerung und des Gegenstandes, den sie betrifft und allen sonstigen Umständen, die für den Eindruck auf das angesprochene Publikum maßgebend sein können, beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0078409). Ein auf § 1330 ABGB gestützter Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der in Anspruch Genommene unwahre Tatsachen verbreitet hat. Unwahr ist eine Äußerung nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Gegenstand des Wahrheitsbeweises ist nicht der vollständige Beweis der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung, es genügt der Beweis der Richtigkeit des Tatsachenkerns. Der Wahrheitsbeweis ist schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RIS‑Justiz RS0079693). Die Frage, ob der Tatsachenkern, der wahr sein muss, im Einzelfall enger oder weiter zu ziehen ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (6 Ob 328/99z; 6 Ob 251/03k).
Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichtes, nämlich dass der erkennbare Aussagegehalt der strittigen Äußerung, wonach Millionenförderungen ohne entsprechenden Verwendungsnachweis geflossen seien, auf einen wahren Tatsachenkern (objektiv nicht aussagekräftige Rechnungen, Überweisungen von Subventionsgeldern auf Konten, die nicht auf die Förderungsberechtigten lauteten usw) zurückzuführen seien, liegt nicht vor. Wenn sich die Rechtsansicht der zweiten Instanz im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung hält, hat die Frage, ob auch eine andere rechtliche Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar wäre, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 2 ZPO (RIS‑Justiz RS0107768; 6 Ob 244/01b; 6 Ob 238/02x).
Dies gilt auch für jene Passage im Zeitungsartikel, dass von "Schwarzgeldverdacht" gesprochen werde. Zwar fallen auch bloße Verdächtigungen unter § 1330 ABGB, weil diese Bestimmung bei anderer Auslegung gegen geschickte Formulierungen wirkungslos wäre (RIS‑Justiz RS0031816; RS0031753). Im Hinblick darauf, dass im Artikel umfangreich und mit wiederholten Hinweisen auf den Landesrechnungshofbericht dargestellt wurde, warum die aufgezeigten Umstände im Sinn einer Verdachtslage auf Schwarzgeldflüsse gewertet werden könne und zudem auch die Stellungnahme der "Verantwortlichen" hiezu wiedergegeben wurde, es sei bloß ein Irrtum vorgelegen (nämlich dass, wie es dem Vorbringen des Klägers entsprach, ein als "Jugendkonto" bezeichnetes Konto zwei Jahre hindurch irrtümlich in den Vereinsbilanzen nicht aufschien), kann im Sinn der Ausführungen des Rekursgerichtes auch diese Passage als wertende, auf einem offengelegten Tatsachenkern beruhende Äußerung qualifiziert werden.
Die Beurteilung des Rekursgerichtes, dass ein Wertungsexzess nicht vorliege, entspricht der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 77/02w (MR 2003, 25 "Privilegienstadel") zu einem insoweit vergleichbaren Fall. Dort führte der Oberste Gerichtshof bereits aus, dass Informationen und Werturteile über die finanzielle Gebarung einer der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegenden juristischen Person eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse beträfen und ein Pressebericht über einen (dort ebenfalls noch nicht veröffentlichten) Rechnungshofbericht in Beachtung der Rechtsprechung des EGMR auch dann durch Art 10 EMRK gerechtfertigt sei, wenn er eine scharfe, auf einer vielleicht schmalen Tatsachenbasis beruhende und möglicherweise auch polemisch übersteigert formulierte Kritik zu einem derartigen Thema von öffentlichen Interesse enthalte.
Soweit der Kläger die Zulässigkeit des Revisionsrekurses mit dem Hinweis auf ein anhängiges Privatanklageverfahren gegen den Zweitbeklagten und ein Medienstrafverfahren gegen die Erstbeklagte begründet, ist ihm zu erwidern, dass die Entscheidung im Provisorialverfahren der endgültigen Entscheidung im Hauptverfahren nicht vorgreift und im Fall einer strafgerichtlichen Verurteilung der Beklagten der Beachtung der Bindungswirkung dieser Verurteilung nicht entgegensteht (6 Ob 99/03g; MR 2003, 223).
Der Revisionsrekurs ist daher mangels Abweichens der Entscheidung des Rekursgerichtes von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 402, 78 EO iVm den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Aufgrund ihrer Ausführungen zur Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ist die Revisionsrekursbeantwortung als zu zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen.
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