OGH 6Ob77/02w

OGH6Ob77/02w19.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei S*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Christof Pöchhacker, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten und gefährdenden Parteien 1. K***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, und 2. Gerhard F*****, beide vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf (Streitwert im Provisorialverfahren 43.603,70 EUR), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten und gefährdenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 28. Jänner 2002, GZ 1 R 4/02v-9, womit der Beschluss (die Einstweilige Verfügung) des Handelsgerichtes Wien vom 6. November 2001, GZ 17 Cg 56/01v-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag, zur Sicherung des Anspruches der klagenden und gefährdeten Partei gegenüber den beklagten und gefährdenden Parteien auf Unterlassung kreditschädigender Äußerungen werde den Beklagten geboten, die Behauptung und/oder Verbreitung nachstehender Äußerungen und/oder sinngleicher Äußerungen zu unterlassen:

Text

Begründung

Die Klägerin ist ein vorwiegend in der Steiermark tätiges Erdgasunternehmen.

Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der "Steirerkrone", für die der Zweitbeklagte als Redakteur tätig ist.

Auf der Titelseite der "Steirerkrone" vom 20. 9. 2001 steht:

S***** "F*****" als Privilegienstadl entlarvt!

Graz.- Exklusiv veröffentlicht die "Steirerkrone" einen Rechnungshof-Geheimbericht, in dem Prüfer die "F*****" als unfassbaren Privilegienstadl enttarnen. Millionengehälter, hohe Prämien, Zulagen und falsche Personalpolitik sorgen für Unmut (S 10/11).

Auf den Seiten 10/11 der "Steirerkrone" vom 20. 9. 2001 wurde folgender Artikel des Zweitbeklagten abgedruckt:

"Durchschnittlicher Personalaufwand 868.000 S pro Mitarbeiter, unfassbare Prämien und Zulagen nach dem Gießkannenprinzip Rechnungshof schoss sich auf Privilegienstadl "F*****" ein Dass der neueste Rechnungshofbericht streng unter Verschluss gehalten wurde, ist nachvollziehbar. Was die Bundesprüfer unter RH ZL 001.764/007-Pr/6/00 beim Energieriesen "S*****" aufgedeckt haben, geht nämlich "auf keine Kuhhaut". Die Mitarbeiter lebten offensichtlich in einem Privilegienparadies. Der Rechnungshof geißelt den finanziell viel zu hohen Personalaufwand ebenso wie die Fülle an unglaublichen Zulagen, die es im Unternehmen gab.

"Auf jeden aktiven Mitarbeiter", so listen Prüfer auf, "entfiel im Prüfjahr 99 ein Personalaufwand (inklusive Dienstgeberaufwand Anm. d. Red.) von 868.000 S." Der durchschnittliche Jahresbruttobezug - von der Aufräumerin bis hin zum Vorstandsdirektor - betrug 655.000 S. Der RH machte sich auch die Mühe diese Gagen einem Vergleich zu unterziehen.

S***** im Schnitt: 655.000 S.

Der Wirtschaftszweig Energie- und Wasserversorgung: 483.000 S.

Alle österreichischen Arbeitnehmer: 383.000 S.

Völlig ratlos schienen die Prüfbeamten aber, als sie die Benefizien der F*****angestellten durchleuchteten.

"Zurückhaltende Einstufungspolitik und eine sparsame Vorgangsweise," lautet denn auch die höfliche Empfehlung. Das spendable Unternehmen zahlte jedem Mitarbeiter pro Jahr für 110 Überstunden durchschnittlich 30.000 S Prämien - 40.000 S je Mitarbeiter - größtenteils nach der "Gießkannenmethode", Zulagen (je 6.000 S an 150.000 Mitarbeiter), Bereitschaftsentgelte (durchschnittlich 100.000 S an 50 Mitarbeiter, teilweise mehr als 200.000 S an Betriebsleiter), Reiseentgelte (je 50.000 S an 160 Mitarbeiter) und Auslagen für betrieblich eingesetzte Privat-Pkw (je 35.000 S an 80 Mitarbeiter). Die Millionen-Etage

Äußerst gut gesorgt hat die "F*****" auch für die oberen Etagen. "Die Jahresbezüge der Abteilungsleiter lagen mit 1,5 Millionen bis 1,7 Millionen Schilling bereits am unteren Ende der Bandbreite von Vorstands- und Geschäftsführerbezügen in Österreich," bekrittelt der Rechnungshof. Der höchstbezahlte Betriebsleiter - eine Ebene unter den Abteilungsleitern - hatte einen Jahresbezug von 1,4 Mio Schilling. .... zusätzlichen freiwilligen Sozialleistungen verursachten einen jährlichen Aufwand von stolzen 3,3 Millionen.

Penibel aufgelistet: Kinderzulagen 1,1 Millionen S, Fahrtkostenvergütungen für 1,3 Millionen S, Telefonkosten-Vergütung (150.000 Schilling) und sogar Ferienwohnungs-Mietenzuschüsse in der Höhe von 120.000 Schilling.

Vorstand zu groß

Die drei Vorstandmitglieder (der Rechnungshof bemängelt unter anderem, dass für diese Unternehmensgröße einer zu viel sei) schlagen sich mit mehr als satten 120.000 S brutto monatlich (und das natürlich 14 mal plus einer erfolgsabhängigen Prämie) kräftig zu Buche.

Heftige Kritik setzt es auch an der Großzügigkeit gegenüber einem ausgeschiedenen Vorstandsmitglied. "Zwecks Nutzung der Erfahrungen" schloss die Unternehmung mit ihm drei Konsulentenverträge ab (Honorare bis Ende Dezember 2000 insgesamt 329.400 S, Reisespesen in den ersten zwölf Monaten knapp 90.000 S). Und: "Neben einer Abfertigung und einer Jahresprämie von insgesamt 3,3 Millionen S erfolgt auch die nicht vertragskonforme Abgeltung von 38 unverbrauchten Urlaubstagen in Höhe von 432.000 S." Was pro Urlaubstag die "hübsche Summe" von 11.368 S ergibt .... Der Aufsichtsrat

Präsident des Aufsichtsrates, also des Kontrollgremiums der "S*****", war zum Prüfzeitraum der Unternehmer Gerald Raidl. Von der "Steirerkrone" auf den Rechnungshofbericht angesprochen, bestätigt R***** die Zahlen. Er betont aber auch, sofort nach der Endbesprechung mit den Prüfbeamten - mit denen er übrigens bestens zusammen gearbeitet habe - reagiert zu haben. "Wie es sich für einen freiheitlichen Aufsichtsratspräsidenten geziemt". Er hätte mit den Privilegien aufgeräumt. In seiner Amtszeit seien - vor allem, was die Spitzeneinkommen betrifft - kräftige Abstriche durchgesetzt worden. "Darüber hinaus wurde auch der Personalstand reduziert, viele Frühpensionierungen durchgesetzt." Das steirische Unternehmen stünde somit heute besser da denn je."

Das in den Artikel gestellte, ein Gebäude und eine Tafel mit der Aufschrift "F*****" zeigende Lichtbild ist mit dem Satz: "Die Konzernzentrale der 'S*****' in Graz - der Rechnungshof kritisierte Privilegien heftig" unterlegt. In der den Artikel illustrierenden Karikatur klopft ein in einen Talar, auf dem "Rechnungshof" steht, gekleideter Mann an eine Tür mit der Aufschrift "S*****", an deren Türknopf ein Schild "NICHT STÖREN" hängt. Neben dem Talarträger steht ein Mann, dem sein Steirerhut "hoch geht". Auf beide blickt aus einem neben der Tür gelegenen Fenster ein den Vorhang zur Seite schiebender Mann. Das Fenster gibt den Blick frei auf eine Tafel mit dem Wort "Privilegien", einen Mann, der Geldscheine an sich drückt, eine Hand, die Münzen hochwirft, und auf fliegende und liegende Geldscheine. In dem im Artikel bezogenen Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofs vom April 2000 heißt es, der Rechnungshof habe von Juli bis November 1998 die Gebarung der Klägerin geprüft. Die Klägerin sei eine kostenbewusste und dynamisch geführte Unternehmung. Weiters wurde in dem Bericht unter anderem Folgendes ausgeführt:

"Auf jeden aktiven Mitarbeiter entfielen 1999 ein Personalaufwand von 868.000 S. Der durchschnittliche pro Kopf Jahresbruttobezug betrug 655.000 S. Eine Reihung von durchschnittlichen Jahresbruttobezügen ergab folgendes Bild:

S***** AG 655.000 S

Wirtschaftszweig Energie- und Wasserversorgung 483.000 S

Alle Arbeitnehmer Österreichs 383.000 S

Zusätzlich zu ihren Bezügen verfügten die Mitarbeiter der S***** AG über Firmenpensionszusagen.

Der Rechnungshof empfahl, eine zurückhaltende Einstufungspolitik anzustreben. Zusätzlich sollte neu eintretenden - ähnlich wie bei vielen anderen Energieversorgungsunternehmungen Österreichs - ein Großteil der zusätzlichen Leistungen nicht mehr zuerkannt werden. Eine sparsame Vorgangsweise hielt der Rechnungshof weiters bei den jeweils pro Jahr zuerkannten Überstundenentgelten (30.000 S für durchschnittlich 110 Überstunden je Mitarbeiter), Prämien (40.000 S je Mitarbeiter, größtenteils nach der Gießkannenmethode), Zulagen (je 6.000 S an 150 Mitarbeiter), Bereitschaftsentgelten (durchschnittlich 100.000 S an 50 Mitarbeiter und bis zu mehr als 200.000 S an Betriebsleiter), Reiseentgelten (je 50.000 S an 160 Mitarbeiter) und denen Zahlungen für die betrieblich eingesetzten Privat-Pkw (je 35.000 S an 80 Mitarbeiter) für notwendig.

Laut Mitteilung der Landesregierung sei im Jahr 2000 ein Projekt über eine entsprechende leistungsgerechte Entlohnung geplant. Ferner sei mit Beginn November 1998 eine noch restriktivere Überstundenhandhabung, die bereits eine 20 %-Reduktion gebracht habe, eingeführt worden.

Die Jahresbezüge der Abteilungsleiter lagen mit 1,5 Mill S bis 1,7 Mill S bereits am unteren Ende der Bandbreite von Vorstands- und Geschäftsführerbezügen in Österreich. Der höchstbezahlte Betriebsleiter - eine Ebene unter dem Abteilungsleitern - hatte einen Jahresbezug von 1,4 Mill S. Insgesamt verfügten sieben Mitarbeiter der S***** AG neben den drei Vorstandsmitgliedern faktisch über Geschäftsführerbezüge.

Die zusätzlichen freiwilligen Einzelleistungen verursachten einen jährlich Aufwand von 3,3 Mill S. Im Einzelnen handelte es sich Kinderzulagen (1,1 Mill S), Fahrtkostenvergütungen (1,3 Mill S), Telefonkostenvergütungen (150.000 S), Ferienwohnung-Mietenzuschüsse (120.000 S) und einen Zinsenverzicht für Dienstnehmerdarlehen (180.000 S).

Der Rechnungshof empfahl, die Bezüge für Abteilungsleiter und Betriebsleiter zu vermindern sowie die zusätzlichen freiwilligen Sozialleistungen nur mehr tatsächlich bedürftigen Dienstnehmern zu gewähren.

Laut Stellungnahme der Landesregierung würden die betroffenen Abteilungsleiter voraussichtlich bis 2001, die Betriebsleiter bis 2007 aus der Unternehmung ausscheiden. Bei den Nachfolgern werde eine Bezugskürzung erfolgen. Die Sozialleistungen wären jedoch Bestandteil der Individualarbeitsverträge und daher nicht einstellbar. Bei neu Eintretenden seien jedoch Stichtagsregelungen möglich. Wäre es 1997 zur vom Aufsichtsratspräsidium befürworteten Wiederbestellung des bisherigen Vorstandsmitglieds gekommen, dann hätte sich die Unternehmung für fünf Jahre einen monatlichen Pensionszuschuss von etwa 127.000 S (Stand 1998) und die Konsulentenkosten erspart. Weiters bemängelte der Rechnungshof die nicht vertragskonforme Ablöse der Urlaubsansprüche. Nach Auffassung des Rechnungshofs war beim Vorstandsmitglied B die vorgezogene Abfertigungszahlung auf Basis der früheren höheren Monatsbezüge ein nichtgerechtfertigtes Entgegenkommen an dem zur E***** übergewechselten Vorstand. Der Rechnungshof räumte jedoch ein, dass der betreffende zum damaligen Zeitpunkt sofort mit seinem maximalen vertraglichen Anspruch hätte in Pension gehen können. Die Gewährung einer Zinsengutschrift für die um drei Monate verzögerte Auszahlung der Abfertigung unterstrich die großzügige Vorgangsweise bei diesem Vorstandmitglied."

Der Rechnungshof hielt die Vorstandsbezüge für marktkonform. Das Erstgericht erließ die aus dem Spruch ersichtliche einstweilige Verfügung. Der Hinweis auf den Privilegienstadl enthalte nach allgemeiner Auffassung gerade jener Leser, die sich eines Lexikons nicht bedienten, den unehrenhaften Vorwurf, sich gegenseitig sachlich nicht gerechtfertigte Vorteile zuzuschanzen und diese zu verbergen, weshalb sie auch entlarvt werden müssten. Der Vorwurf enthalte den Tatsachenkern des Bezugs von sachlich nicht gerechtfertigten Leistungen. Auch bei kritischer Betrachtung könne aus dem Rechnungshofbericht ein solches unehrenhaftes Verhalten der Mitarbeiter der Klägerin bzw ein sachlich nicht gerechtfertigter Bezug für deren Tätigkeit nicht herausgelesen werden, sondern nur das Aufzeigen eines weiteren Einsparungspotentials. Hinzu komme, dass die Beklagten bei der Zitierung des Rechnungshofberichtes die Angabe unterlassen hätten, auf welchen Zeitraum sich der Bericht beziehe. Es seien auch die aus dem Bericht ersichtlichen Stellungnahmen des Unternehmens bzw der Steirischen Landesregierung über die bereits eingeleiteten und auch schon zum Tragen gekommenen weiteren Verbesserungen bei der Gehaltsstruktur der Mitarbeiter der Klägerin nicht dargestellt worden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten gegen diese Entscheidung nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es vertrat folgende Auffassung:

Die sowohl auf der Titelseite als auch im Blattinneren gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe, sie sei vom Rechnungshof als Privilegienstadl entlarvt bzw als unfassbarer Privilegienstadl enttarnt worden sowie, der Rechnungshof habe sich auf den Privilegienstadl F***** eingeschossen, seien Tatsachenbehauptungen, die rufschädigend und zugleich wegen des Vorwurfs unehrenhaften Verhaltens auch ehrenbeleidigend seien. Von den angesprochenen Verkehrskreisen werde die Verwendung des Begriffs "Privilegienstadl" in Bezug auf die Klägerin zweifellos so verstanden, dass den leitenden Angestellten und Mitarbeitern der Klägerin in Relation zu allen Arbeitnehmern Österreichs große finanzielle Bezugsvorteile zukämen, wobei durch die Aufmachung der Beklagten der unrichtige Anschein erweckt werde, die Klägerin hätte diese sachlich nicht gerechtfertigten finanziellen Vorteile verheimlicht bzw zu verbergen versucht. Dass dies der Fall gewesen wäre, sei dem Rechnungshofbericht nicht zu entnehmen. Dort werde nämlich die Klägerin als kostenbewusste und dynamisch geführte Unternehmung bezeichnet, die sich laufend am Markt im Wettbewerb mit anderen Primärenergieträgern zu behaupten habe. Es werde empfohlen, noch weitere Kostensenkungsaktivitäten in den beeinflussbaren Bereichen (zB Personalaufwand und sonstiger Aufwand) Platz greifen zu lassen, Synergien mit der E***** und deren Tochtergesellschaften anzustreben und letztlich die künftige Dividendenpolitik den wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen.

Der Rechnungshof habe die Entwicklung des Personalstands der Klägerin für durchaus angemessen, im Vergleich mit anderen Energieversorgungsunternehmungen sogar für sparsam und die Vorstandsbezüge für marktkonform gehalten. Der Rechnungshof habe zusammenfassend in den Schlussbemerkungen unter anderem die Empfehlungen hervorgehoben, beim Personalstand Synergieeffekte mit der E***** und ihrer Tochtergesellschaften anzustreben, im Bereich des Personalaufwands Einsparungsmöglichkeiten durch zurückhaltende Einstufungen zu nutzen und auf eine sparsame Vorgangsweise bei zusätzlichen Leistungen (zB Überstunden, Prämien) zu achten, die Überbesetzung im Vorstandsbereich zu überdenken, die Vorstandsbezüge nicht an Gleitklauseln zu binden, nicht konsumierte Urlaube künftig nicht mehr abzugelten, die Bezüge für Abteilungsleiter und Betriebsleiter zu vermindern und die zusätzlichen freiwilligen Sozialleistungen nur noch tatsächlich bedürftigen Dienstnehmern zu gewähren. Diese trotz der genannten Empfehlungen im Gesamtzusammenhang durchaus positive Bewertung der Gebarung der Klägerin verkehrten die Beklagten durch die reißerische Aufmachung und die - wenn auch richtige - Zitierung einzelner Positionen aus dem Zusammenhang ins Gegenteil. Es werde nämlich der Eindruck erweckt, die Klägerin hätte die sachlich nicht gerechtfertigten finanziellen Vorteile ihrer leitenden Angestellten und Mitarbeiter zu verheimlichen versucht. Mit diesen wertenden Äußerungen hätten die Beklagten aber ungeachtet des Umstands, dass sich ihre Kritik an konkreten Fakten orientiert habe, die Grenzen zulässiger Kritik überschritten. Da feststehe, dass die Beklagten durch die inkriminierten Äußerungen gegen § 1330 Abs 1 und 2 ABGB verstoßen hätten, erübrige es sich darauf einzugehen, ob die Beklagten zusätzlich auch durch die unterlassene Abgabe des Zeitpunktes auf den sich der Rechnungshofbericht beziehe, eine weitere relevante Verfälschung des Rechnungshofsberichts in rufschädigender Weise zu Lasten der Klägerin zu verantworten hätten.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist aus folgenden Erwägungen zulässig und auch berechtigt.

Sinn und Bedeutungsgehalt einer beanstandeten Äußerung wie auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der Äußerung für den unbefangenen Durchschnittsadressaten der Äußerung (SZ 71/96 mwN; 6 Ob 47/02h uva). Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie vom angesprochenen Verkehrskreis - hier von der "Steirerkrone" angesprochene, am wirtschaftlichen Geschehen interessierte Leser - bei ungezwungener Auslegung verstanden wird, wobei die Ermittlung des Bedeutungsinhalts im Allgemeinen eine Rechtsfrage ist, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere aber von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang, abhängt (SZ 71/96 mwN). Dabei ist für die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung wesentlich, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (MR 1994, 111; SZ 68/97 ua). Auch eine wertende Äußerung kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn sie auf eine entsprechende Tatsache schließen lässt, somit dem eine rein subjektive Auffassung wiedergebenden Werturteil entnommen werden kann, dass es von bestimmten Tatsachen ausgeht ("konkludente Tatsachenbehauptung"; SZ 68/97 mwN; MR 1994, 111 uva). Auch Aussagen, die auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, sind objektiv nachprüfbar, wenn sie greifbare, einem Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand haben und von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Empfänger in diesem Sinn aufgefasst werden. Dass das Verhalten eines Dritten aufgrund eigener gedanklicher Tätigkeit interpretiert und einer wertenden Stellungnahme unterzogen wird, schließt somit das Vorliegen einer Tatsachenmitteilung nicht aus (MR 1994, 111; SZ 68/97). Dem Recht auf Kritik und wertendes Urteil auf Grund konkreter Tatsachen kommt in der Interessensabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung ein höherer Stellenwert zu, wenn die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden und kein massiver Wertungsexzess vorliegt (6 Ob 47/02h mwN = MR 2002, 213).

Nach diesen rechtlichen Grundsätzen enthält die Bezeichnung "Privilegienstadl" im Aufmacher auf der Titelseite im Zusammenhang mit dem übrigen Text des Aufmachers und die beanstandete Artikelüberschrift im Zusammenhalt mit der Kopfzeile im wesentlichen Kern - entgegen der Auffassung des Rekursgerichts - keine auf ihre Richtigkeit überprüfbare substantiierte Aussage über unehrenhaftes oder gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten, schon gar nicht in dem Sinn, dass man sich Ebei der Klägerin im großen Stil gegenseitig ungerechtfertigte Vorteile zuschanzt" - so die Klägerin -, sondern für den Leser ersichtlich die pauschale Meinung des Textverfassers, in einem Rechnungshofbericht aufgezeigte finanziellen Aufwendungen der Klägerin im Personalbereich seien als anstößig zu bewerten. Es wird nicht - wie die Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung meint - zum Ausdruck gebracht, "unfassbarer Privilegienstadel" sei eine Beurteilung von Rechnungshofprüfern. Auch die Verwendung der Vokabeln "entlarven" und "enttarnen" deuten für den Durchschnittsadressaten im gegebenen Zusammenhang nicht auf die Tatsache der (versuchten) Verheimlichung „sachlich nicht gerechtfertigter finanzieller Vorteile" durch die Klägerin hin. Erkennbar werden hier diese Vokabeln in dem Sinn gebraucht, dass vorher nicht öffentlich bekannte Umstände Gegenstand eines Rechnungshofberichts sind. All dies illustriert die in den Artikel gestellte Karikatur.

Der Revisionsrekurs rügt auch mit Erfolg, dass das in den beanstandeten Äußerungen liegende Werturteil, dessen tatsächliche Grundlagen entgegen der Auffassung der Vorinstanzen auch in zeitlicher Hinsicht richtig im Artikel wiedergegeben wurden, nicht als rechtlich unzulässige Kritik angesehen werden darf. Die gegenteilige Beurteilung des Rekursgerichts berücksichtigt nicht hinreichend die Rechtspositionen der Beklagten aus Art 10 EMRK. Im Sinne der von innerstaatlichen Gerichten zu beachtenden ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bildet die Meinungsäußerungsfreiheit eine der wichtigsten Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft und eine der grundlegenden Bedingungen für ihren Fortschritt und die Selbstverwirklichung jedes Menschen. Unter den Einschränkungen des Absatzes 2 des Art 10 EMRK, die eng ausgelegt werden müssen, ist sie nicht nur auf "Nachrichten" oder "Meinungen", die positiv aufgenommen oder als nicht verletzend oder als indifferent angesehen werden, anwendbar, sondern auch auf solche, die verletzen, schockieren oder beunruhigen (EGMR vom 26. 2. 2002 - Dichand ua gegen Österreich, MR 2002, 84 = ÖJZ 2002, 464 = ecolex 2002, 393 mwN). Immer wieder betont der EGMR, dass es nur geringen Raum gemäß Art 10 Abs 2 EMRK für Beschränkungen der politischen Rede oder für Debatten über Fragen des öffentlichen Interesses gibt. Die Presse spielt eine wichtige Rolle in einer demokratischen Gesellschaft. Obwohl sie gewisse Grenzen nicht überschreiten darf, insbesondere in Bezug auf die Ehre und Rechte anderer, ist es nichtsdestoweniger ihre Pflicht, Informationen und Meinungen über alle Angelegenheiten von öffentlichem Interesse - in einer mit ihren Aufgaben und Verantwortlichkeiten übereinstimmenden Weise - zu vermitteln. Art 10 EMRK schützt nicht nur den Inhalt der mitgeteilten Meinungen und Informationen, sondern auch die Form, in der sie mitgeteilt werden. Journalistische Freiheit umfasst auch den möglichen Rückgriff auf ein Ausmaß an Übertreibung oder sogar Provokation. Wenn eine Aussage auf ein Werturteil hinausläuft, kann die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs dennoch davon abhängen, ob es eine ausreichende Tatsachengrundlage für die bekämpfte Aussage gibt, weil auch ein Werturteil ohne jede unterstützende Tatsachengrundlage exzessiv sein kann (MR 2002, 84 mwN)

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die von den Vorinstanzen verfügte Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig ist:

Die Klägerin unterlag der Kontrolle durch den Rechnungshof, sodass Informationen und das Werturteil über ihre Personalaufwendungen eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse betraf, konnten diese doch Anlass zu öffentlicher Diskussion geben. Für das Werturteil waren im Artikel genügend viele Tatsachen vorhanden. Wenngleich die Beklagten auf einer vielleicht schmalen Tatsachenbasis eine scharfe, möglicherweise auch polemisch übersteigert formulierte Kritik zu einem Thema von öffentlichem Interesse veröffentlichten, so ist sie dennoch rechtlich als zulässig anzusehen, denn Art 10 EMRK schützt auch Meinungen, die verletzen, schockieren oder verstören. Ein Wertungsexzess liegt nicht vor.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher im Sinn einer Abweisung des Sicherungsantrags abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 402 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO. Als Bemessungsgrundlage waren gemäß § 10 Z 6 lit a RATG 270.000 S bzw 19.620 EUR heranzuziehen. Kosten der Äußerung zum Sicherungsantrag waren nicht zuzusprechen, weil diese nicht in I. Instanz, sondern erst im Revisionsrekurs verzeichnet wurden, sodass der Anspruch auf Ersatz dieser Kosten gemäß § 54 Abs 1 ZPO präkludiert ist.

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