Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Aufgrund des Testaments des am 3. 3. 1987 verstorbenen B***** P*****, des Großonkels der Kläger, wurden den zwei Geschwistern des Erblassers K***** und A***** P***** zwei Liegenschaften je zur Hälfte mit der Beschränkung der fideikommissarischen Substitution zu Gunsten von J***** W*****, dem Vater der Kläger, einverleibt. Noch zu Lebzeiten der Vorerben verstarb J***** W***** am 7. 8. 1995. Er hinterließ ein Testament, mit dem er die Kläger auf den Pflichtteil setzte. Am 14. 10. 1998 verstarb der Vorerbe A***** P*****.
Die Kläger begehren die Zahlung von 85.000 EUR als Pflichtteilsergänzungsanspruch hinsichtlich jener Liegenschaftshälften, zu denen inzwischen der Substitutionsfall eingetreten sei.
Das Erstgericht gab mit Zwischenurteil dem Klagebegehren dem Grunde nach statt. Die Anwartschaft des Nacherben sei vererblich, wenn nicht ein anderer Wille des Erblassers festgestellt werde. Die Forderungen der Kläger seien auch nicht verjährt, weil die Kläger dem Testament ihres Vaters entsprechend die Ergänzung ihrer Pflichtteilsansprüche forderten und nicht den letzten Willen anfechten würden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Im Zweifel müsse der Nacherbfall nicht erlebt werden. Die Zweifelsregel des § 615 Abs 2 ABGB oder die sie im konkreten Fall etwa verdrängende Regel des § 703 ABGB sei jedenfalls einer konkreten Regelungsabsicht des Erblassers nachgeordnet. Sei ein erblasserischer Wille nicht erweislich, so gelte für die terminisierte Nacherbfolge § 615 Abs 2 ABGB. Die Ansprüche der Kläger seien auch nicht verjährt; es gelange die 30-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision des Beklagten ist nicht zulässig:
1.1. Nach § 615 Abs 2 ABGB geht, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist, das Recht des fideikommissarischen Erben auch dann auf dessen Erben über, wenn er den Eintritt des Substitutionsfalls nicht erlebt. Diese Bestimmung wurde durch die III. Teilnovelle angefügt, um zu erreichen, dass die Anwartschaft des Nacherben im Zweifel vererblich ist, wenn der Tod des Vorerben den Substitutionsfall bildet (Materialien zu III. Teilnovelle, 210 f; Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger² § 615 Rz 3; SZ 25/85; 1 Ob 185/01i NZ 2002, 330). Eine an keine weitere Voraussetzung geknüpfte Berufung nach dem Tod des Vorerben gilt daher - vorbehaltlich eines anderen Willens des Erblassers - als Terminisierung (§ 705 ABGB) und nicht als Überlebensbedingung iSd § 608 ABGB (Apathy aaO).
1.2. Im Übrigen hat selbst bei einer eindeutig als Bedingung formulierten Nacherbeneinsetzung der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 6 Ob 1/90 (JBl 1990, 581 [Eccher]) nicht schematisch § 703 ABGB angewendet, sondern einer Auslegung nach dem hypothetischen Erblasserwillen den Vorzug gegeben, der zufolge der Nacherbe den Nacherbfall nicht erleben musste (Eccher, Erbrecht Rz 4/108; Apathy aaO).
1.3. Im vorliegenden Fall beschränkte sich das Testament des Erblassers auf die Anordnung, dass der Hof W***** mit allen Fahrnissen und Maschinen dem Bruder und der Schwester des Erblassers „je zur Hälfte gehört“; „Nach ihnen muss es der Hansi bekommen.“ Damit liegt aber gerade jener Fall vor, den der Gesetzgeber der III. Teilnovelle im Auge hatte. Zutreffend gingen die Vorinstanzen daher davon aus, dass das Anwartschaftsrecht des J***** W***** nach seinem Tod auf den Beklagten als dessen Erben überging.
2.1. Für die Länge der Verjährungsfrist kommt es darauf an, ob der Pflichtteilsanspruch gegen den im Testament zum Ausdruck kommenden Willen des Erblassers durchgesetzt werden soll oder sich auf das Testament stützen kann (RIS-Justiz RS0034392; vgl auch RS0034375). Diese Rechtsansicht entspricht mittlerweile der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Dass der Oberste Gerichtshof seinerzeit in den Entscheidungen SZ 45/130 und SZ 54/23 eine andere Auffassung vertreten hat, steht dem nicht entgegen. Bereits in der Entscheidung 3 Ob 223/99m hat sich der Oberste Gerichtshof eingehend mit diesen Entscheidungen und der dort vertretenen Anwendung einer dreijährigen Verjährungsfrist auseinandergesetzt und diese Rechtsansicht abgelehnt.
2.2. Die Rechtsansicht der Entscheidung 3 Ob 223/99m wurde in der Folge von mehreren Entscheidungen ausdrücklich gebilligt (vgl 6 Ob 179/02w; 1 Ob 71/02a; 7 Ob 27/03a; 3 Ob 315/05b). Auch die Entscheidung 4 Ob 214/06h (SZ 2006/189) hat diese Judikatur zustimmend referiert. Zwar hat die zuletzt zitierte Entscheidung im konkreten Fall eine dreijährige Verjährungsfrist angenommen, dies aber ausgehend von der Überlegung, dass kein Testament vorhanden war und der Noterbe seine Pflichtteilergänzungsansprüche unmittelbar aus dem Gesetz ableitet.
2.3. Für den hier vorliegenden Fall, dass die Kläger gerade nicht die letztwillige Verfügung iSd § 1487 ABGB „umstoßen“, sondern genau jenen Pflichtteil einfordern, den ihnen der verstorbene J***** W***** durch die Anordnung „Meine beiden Kinder … erhalten nur den ihnen zutreffenden Pflichtteil“ zuwenden wollte, ist aus dieser Entscheidung nichts abzuleiten. Der Anspruch ist damit nämlich gerade nicht gegen den Willen des Erblassers durchzusetzen, sondern aus der letztwilligen Verfügung selbst abzuleiten (vgl Dehn in Koziol/Bydlinski/Bollenberger² § 1487 Rz 2). Schon die Entscheidung 3 Ob 223/99m betraf einen Fall, in dem der Erblasser seine Kinder ausdrücklich auf den Pflichtteil verwiesen hatte. Zudem haben die Vorinstanzen die letztwillige Verfügung dahin ausgelegt, dass diese nicht nur einen Verweis auf das gesetzliche Noterbrecht darstellte, sondern der Erblasser beabsichtigt hatte, seinen Kindern und seiner Ehefrau den Pflichtteil zuzuwenden. Darin ist keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Im Übrigen stellt die Auslegung eines Testaments stets eine Frage des Einzelfalls dar (RIS-Justiz RS0042555 [T12]).
Damit bringt der Revisionswerber aber keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.
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