European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00008.24F.1106.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Mit in Rechtskraft erwachsenem Teilurteil vom 3. 9. 2020 (ON 173) bestätigte das Berufungsgericht die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung rückständigen Unterhalts gemäß § 69 Abs 2 ABGB für den Zeitraum ab 1. 9. 2015 samt Verzugszinsen sowie eines laufenden Unterhalts von 1.230 EUR monatlich ab 1. 6. 2018. Im Umfang eines für denselben Zeitraum (1. 9. 2015 bis laufend) vom Erstgericht abgewiesenen Mehrbegehrens fasste es einen Aufhebungsbeschluss. Der Oberste Gerichtshof wies den Rekurs des Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluss sowie die ebenfalls vom Beklagten erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 25. 11. 2020 zurück (6 Ob 210/20f).
[2] Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zur Erbringung weiterer, zu den bereits rechtskräftig zugesprochenen Unterhaltsbeiträgen hinzutretenden Unterhaltsbeiträgen zuzüglich Zinsen für die Vergangenheit ab 1. 9. 2015 sowie zur Leistung eines zusätzlichen laufenden Unterhalts von 1.770 EUR ab 1. 6. 2018 monatlich.
[3] Ein Mehrbegehren, das sich auf den gesamten Zeitraum einschließlich laufenden Unterhalts bezog, wies es rechtskräftig ab.
[4] Über Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht den klagestattgebenden Teil des Urteils teilweise ab und wies das Klagebegehren, der Klägerin einen über den bereits rechtskräftig zuerkannten laufenden Unterhaltsbeitrag von 1.230 EUR hinausgehenden weiteren Unterhaltsbeitrag zu leisten, für den Zeitraum ab 1. 1. 2020 ab.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.
[6] 1.1. Die Auslegung der in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellungen ist jeweils einzelfallbezogen und bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891 [T4]). Dies gilt auch für die Frage, ob einzelne Ausführungen in einem Urteil Tatsachenfeststellungen sind oder nicht (vgl RS0118891 [T8]).
[7] Das Berufungsgericht wertete die im Abschnitt der Sachverhaltsfeststellungen enthaltenen Ausführungen des Erstgerichts, wonach Umstände, die im Zusammenhang mit dem Antrag des Klägers standen, seine bereits rechtskräftig festgesetzte Unterhaltspflicht von 1.230 EUR monatlich herabzusetzen (Schriftsatz vom 13. 4. 2021, ON 212), keinen Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildeten, sondern in einem Oppositionsverfahren zu klären seien, offenkundig nicht als Tatsachenfeststellungen. Vielmehr behandelte es diese Ausführungen – im Zuge derer sich auch die Formulierung findet, es sei der Prüfung in einem Oppositionsverfahren vorbehalten, ob der Beklagte über sein Einkommen von der T* GmbH hinaus weitere Einkünfte beziehe – als rechtliche Beurteilung, die sich ausschließlich auf die für die Beurteilung des Herabsetzungsantrags maßgeblichen Tatsachen bezog.
[8] Im Einklang damit und im Einklang mit der vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellung zur Höhe des vom Kläger aus den beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung bezogenen Einkommens im Jahr 2020 (Ersturteil S 29) ging das Berufungsgericht für die Beurteilung des ab 1. 1. 2020 geschuldeten Unterhaltsbeitrags von dem vom Beklagten außer Streit gestellten Monatseinkommen aus.
[9] Da das Berufungsgericht die Ausführung auf S 24 des Ersturteils, auf die die außerordentliche Revision Bezug nimmt, in vertretbarer Weise nicht als Feststellungen wertete, liegt die geltend gemachte Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, das Berufungsgericht sei von den erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen, nicht vor.
[10] 1.2. Die weitere Feststellung (S 28 des Ersturteils), wonach sich an den Einkommensverhältnissen des Beklagten aus der G* GmbH ab 1. 6. 2018 nichts verändert habe, wertete das Berufungsgericht nicht als Widerspruch zur Negativfeststellung betreffend das Einkommen des Beklagten aus beiden GmbH seit dem Jahr 2019. Diese Auslegung ist schon aufgrund der chronologischen Darstellung im erstgerichtlichen Urteil vertretbar.
[11] 1.3. Ein Eingriff in die Rechtskraft des Teilurteils vom 3. 9. 2020 (ON 173) wird nicht nachvollziehbar dargetan.
[12] 2. Durch eine Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO tritt das Verfahren in den Stand vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurück. Zwar können im fortgesetzten Verfahren abschließend erledigte Streitpunkte nicht neu aufgerollt werden, hingegen dürfen Tatsachen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang entstanden sind, sehr wohl neu vorgebracht werden (RS0042458 [T5, T8]; RS0042493).
[13] Dass das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss vom 3. 9. 2020 (ON 173) notwendiger Weise nur über den vom Erstgericht beurteilten Zeitraum absprach, impliziert daher nicht, dass das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren neu eingetretene Veränderungen der Einkommenslage des Beklagten nicht hätte beachten dürfen.
[14] Soweit die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision das Unterbleiben von Beweisaufnahmen zur Einkommensentwicklung des Beklagten „seit der Gründung der T* GmbH“ rügt, macht sie damit nicht einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen seine in einem Aufhebungsbeschluss enthaltene Rechtsansicht (vgl RS0042181), sondern Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend, die sie – trotz vorangegangener Rüge in der mündlichen Streitverhandlung am 25. 1. 2021 – in ihrer Berufungsbeantwortung nicht beanstandete. Diese können im Revisionsverfahren nicht mehr wahrgenommen werden (RS0043111). Auch in diesem Zusammenhang wird daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dargetan.
[15] 3. Da der Oberste Gerichtshof dem Beklagten die Beantwortung der außerordentlichen Revision der Klägerin nicht freigestellt hat, war die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (RS0043690 [T6]). Sie ist daher nicht zu honorieren.
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