OGH 6Ob69/08b

OGH6Ob69/08b2.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Claudia G*****, vertreten durch Mag. Martin Reihs, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien

1. K***** OEG, *****, 2. Antonius W*****, 3. Sabine K*****, alle vertreten durch Mag. Oliver Japchen, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.049,96 EUR sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 3. Jänner 2008, GZ 13 R 133/07t-55, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 23. Juli 2007, GZ 5 C 1190/05m-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 640,54 EUR (davon 106,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin absolvierte die von der Erstbeklagten angebotene „verkürzte Ausbildung zum(r) Masseur(in) und Bademeister (nach deutschem Recht inklusive Gleichhaltung in Österreich zum(r) freien Heilmasseur(in))" in der Schule der Erstbeklagten und in Deutschland entsprechend dem vereinbarten Ausbildungsplan im Umfang von 560 Stunden innerhalb von 14 Monaten.

Der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte sind die unbeschränkt haftenden Gesellschafter der Erstbeklagten.

Nach Abschluss der Ausbildung beantragte die Klägerin beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit die Gleichhaltung des Abschlusszeugnisses für Masseure und medizinische Bademeister. Mit Bescheid vom 11. 8. 2004 wies der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Ausbildung bei der Erstbeklagten nur einen Teil der (österreichischen) Berufszugangsvoraussetzungen abdecke. Die Klägerin verfüge auch nicht über ein Diplom- bzw Prüfungszeugnis, das in ihrem Heimat- und Herkunftsstaat für den Zugang zum Massageberuf erforderlich sei.

Die Klägerin stellte auch beim Amt der Wiener Landesregierung einen Antrag auf Anerkennung der Ausbildung als einer Ausbildung nach § 42 Abs 1 Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz (MMHmG) gleichwertig. Mit Bescheid vom 10. 5. 2005 wies der Landeshauptmann für Wien den Antrag der Klägerin ab, weil gemäß § 42 MMHmG die Vorlage einer Urkunde als Nachweis des ordnungsgemäßen Ausbildungsabschlusses und der Berechtigung zur Berufsausübung in dem (EU-)Staat, in dem sie erworben wurde, erforderlich sei. Zuletzt beantragte die Klägerin bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See die Erteilung der Gewerbeberechtigung als gewerblicher Masseur. Diese wurde ihr mit Bescheid vom 3. 2. 2006 auch erteilt. Sie hätte die Berechtigung allein entsprechend ihrer berufsrechtlich am WIFI Wien erworbenen Qualifikation und ohne die Ausbildung bei der Erstbeklagten bereits ab 29. 3. 2003 feststellen lassen können.

Nach der Erteilung der Gewerbeberechtigung absolvierte die Klägerin in einer Massageschule eine dem WIFI entsprechende Ausbildung zum medizinischen Heilmasseur und erhielt aufgrund dieser Ausbildung einen Befähigungsnachweis als „Heilmasseur neu". Bei dieser Ausbildung wurden ihr keine bei der Erstbeklagten zugekommenen Ausbildungen angerechnet.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage den Zuspruch von 6.649,96 EUR (5.200 EUR Kurspreis und Nebenkosten). Die Beklagte habe ihre vertragliche Zusage, dass die Klägerin eine Ausbildung erhalte, die geeignet sei, ohne weitere Prüfungen und praktische Arbeit eine Berufsberechtigung zur Ausübung des Berufs des „Heilmasseurs neu" nach dem MMHmG zu erreichen, nicht erfüllt. Der Lehrgang sei für die Klägerin nutzlos gewesen.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die von der Klägerin behauptete Zusage habe die Erstbeklagte nicht gegeben. Die von ihr zugesagten Leistungen habe die Erstbeklagte erbracht. Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Frage, ob die von der Klägerin bei der Erstbeklagten als Franchisenehmerin eines deutschen Massagecolleges „in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Qualifikation" unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 92/51/EWG nur dann falle, wenn diese Qualifikation den Zugang zu einem Beruf in diesem Mitgliedstaat gewähre, und die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Qualifikationsnachweis im Sinn des § 39 Abs 1 Z 2 MMHmG gegeben sei, seien erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Die Lösung dieser Rechtsfragen sei von großer Bedeutung für die Rechtsordnung. Sie beträfen auch die weiteren beim Erstgericht zu diesem Themenkreis anhängigen Verfahren sowie „überhaupt generell sämtliche ähnlich gelagerte Fälle".

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Die vom Berufungsgericht bezeichneten Rechtsfragen und die in der Revision geltend gemachte Frage, ob die Klägerin berechtigt sei, ihre bei der Erstbeklagten absolvierte Ausbildung gemäß § 42 MMHmG anerkennen zu lassen, sind Fragen des Verwaltungsrechts. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0113455) ist der Oberste Gerichtshof zur Fällung grundlegender Entscheidungen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts nicht berufen. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, dass die Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG die Klägerin nicht begünstigt, weil die Ausbildung der Klägerin durch die Erstbeklagte keine Berufszugangsberechtigung in Deutschland verschafft, da nach den Vorschriften des deutschen MPhG das Führen der Berufsbezeichnung „Masseur und medizinischer Bademeister" erst nach Absolvierung der staatlichen Prüfung und einer praktischen Tätigkeit in der Dauer von sechs Monaten zulässig ist, entspricht dem Standpunkt der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und der zuständigen österreichischen Verwaltungsbehörden; sie ist jedenfalls eine vertretbare Rechtsauffassung. Auch der Umstand, dass diese Rechtsfragen noch andere beim Erstgericht anhängige Verfahren betreffen oder ähnlich gelagerte Fälle betreffen können, bewirkt für sich allein keine erhebliche Rechtsfrage (vgl 2 Ob 117/03z).

Die Vorinstanzen haben den von der Klägerin mit der Erstbeklagten abgeschlossenen Ausbildungsvertrag nach seinem Wortlaut unter Berücksichtigung der allen Kursteilnehmern zugegangenen schriftlichen Unterlagen und der mündlichen Äußerungen des Zweitbeklagten und der Drittbeklagten gemäß § 914 ABGB - nach objektiven Kriterien gemessen am Empfängerhorizont (RIS-Justiz RS0014205; RS0014160; RS0044358) - ausgelegt. Sie sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Streitteile vereinbarten, dass die Klägerin eine Ausbildung erhalte, die geeignet sei, ohne weitere Prüfungen und praktische Arbeit eine Berufsberechtigung zur Ausübung des Berufs des „Heilmasseurs neu" nach dem MMHmG zu erreichen. Fragen der Vertragsauslegung kommt aber in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, wenn - wie hier - das Berufungsgericht den Vertrag im Einklang mit den von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ausgelegt hat (RIS-Justiz RS0042776; RS0042742).

Nach gefestigter Rechtsprechung ist bei Dauerschuldverhältnissen eine Auflösung mit Wirkung ex tunc unter anderem in jenen Fällen möglich, in welchen trotz des bereits eingetretenen Vollzugs des Dauerschuldverhältnisses keine Rückabwicklungsschwierigkeiten bestehen (6 Ob 257/08z mwN; RIS-Justiz RS0106756). In der Entscheidung 2 Ob 131/97x hat der Oberste Gerichtshof auch ausgesprochen, dass unbrauchbare Leistungen nicht zu honorieren sind. Die Auffassung der Revisionswerber, die Leistungen der Erstbeklagten seien nicht „wertlos" gewesen, geht nicht von den Feststellungen aus. Die Ausführungen des Berufungsgerichts über die Unbrauchbarkeit der von der Erstbeklagten erbrachten Leistungen bedürfen keiner Korrektur.

Die Ausführungen der Revisionswerber unter „Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens" übersehen, dass die Erstbeklagte der Klägerin die Verschaffung der Qualifikation als „Heilmasseur neu" schuldete. Die behaupteten Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung bestehen nicht.

Die nach den Umständen des Einzelfalls getroffene Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht vorzuwerfen sei und den Beklagten Fahrlässigkeit anzulasten sei, betrifft wegen deren Einzelfallabhängigkeit keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage, weil sie jedenfalls vertretbar ist.

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei der Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Rechtsmittelbeantwortung inhaltlich die Unzulässigkeit der Revision aufgezeigt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte