European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00064.18.0524.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 783,36 EUR (darin 130,56 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen über Antrag der Klägerin abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es sei nicht auszuschließen, dass es in unvertretbarer Weise und unter der unrichtigen Annahme, dass dem Hund des Beklagten die Umgebung im Gastraum der Klägerin bereits bekannt war, davon ausgegangen ist, dass der Beklagte die objektiv gebotene Sorgfalt bei der Verwahrung beziehungsweise Beaufsichtigung seines Hundes eingehalten hat, zumal die konkreten Umstände des Hundebisses ungeklärt blieben.
1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass sich die Frage, wie ein Tier zu verwahren und/oder zu beaufsichtigen ist, immer nach den Umständen des Einzelfalls richtet (RIS‑Justiz RS0030567, RS0030157 [T1, T3]). Ob dem Halter des Tieres nach den jeweiligen Gegebenheiten der Nachweis gelungen ist, die objektiv gebotene und zumutbare Sorgfalt eingehalten zu haben, ist deshalb eine im Beurteilungsspielraum des Berufungsgerichts gelegene Einzelfallbeurteilung, der keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS‑Justiz RS0030157 [T10]). Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage liegt im Übrigen schon deshalb nicht vor, weil angesichts der konkreten Situation, die zum Biss des Hundes des Beklagten führte, nicht erkennbar ist, warum der Umstand, ob dem Hund die Umgebung im Gastraum der Klägerin bereits bekannt war, entscheidungsrelevant sein sollte.
2. Es gelingt aber auch der Klägerin nicht, eine Rechtsfrage in der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Erheblichkeit zur Darstellung zu bringen:
2.1. Es mag sein, dass § 5 Abs 1 des Wiener TierhalteG (LGBl 39/1987) eine Verpflichtung des Hundehalters in Lokalen vorsieht, den Hund entweder mit einem Maulkorb zu versehen oder so an der Leine zu führen, dass eine jederzeitige Beherrschung des Tieres gewährleistet ist. Eine derartige generelle Verpflichtung besteht allerdings nach dem Recht des Bundeslandes Salzburg – und dort erfolgte der Hundebiss tatsächlich – nicht; vielmehr ermöglicht § 17 Abs 1 des Salzburger Landessicherheitsgesetzes den einzelnen Gemeinden die Anordnung, dass Hunde (unter anderem) an bestimmten Orten an einer Leine geführt werden oder einen Maulkorb tragen müssen. Dass für das Gebiet der Stadtgemeinde B*, insbesondere für dort befindliche Lokale oder Pensionen, eine derartige Verordnung erlassen worden wäre, lässt sich weder dem Akteninhalt entnehmen noch beruft sich die Klägerin darauf.
2.2. Das Erstgericht hat es feststellungsmäßig offen gelassen, ob der Hund des Beklagten die Klägerin biss, nachdem sie ihm ein „Leckerli“ gegeben hatte und a) die Hand wieder wegnahm oder b) sich einige Minuten später bückte, um neben dem Hund etwas auf dem Boden Liegendes aufzuheben, dabei mit der Hand in Richtung des Hundes gelangte und ihn berührte. Jedenfalls lag der Hund, den das Erstgericht als folgsam und Befehlen gehorchend beschrieb, zu diesem Zeitpunkt auf dem Boden des Gastraums seitlich neben den Füßen des Beklagten, der an einem Tisch Platz genommen hatte; die Klägerin war damit einverstanden gewesen, dass der Hund unangeleint geblieben war.
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung, wonach die Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB keine Erfolgshaftung sein und auch nicht überspannt werden darf (6 Ob 227/05h; RIS‑Justiz RS0030291), ist die Auffassung der Vorinstanzen, den Beklagten treffe in beiden Fallkonstellationen kein haftungsbegründendes Verschulden, durchaus vertretbar. Erfolgte der Biss in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verabreichung des Leckerlis, hat sich die Klägerin selbst in die Gefahrensituation gebracht (vgl 8 Ob 272/64); es wurde auch nicht festgestellt, dass der Hund bereits zuvor Menschen in einer solchen Situation gebissen hätte (vgl 4 Ob 619/75; 3 Ob 514/80). Berührte sie den Hund jedoch im Zuge des Aufhebens eines Gegenstands vom Boden und erschreckte ihn damit, so war dies für den Beklagten unvorhersehbar; dass sich der Hund an der konkreten Stelle befand, war der Klägerin aber bekannt, hatte sie ihm doch einige Minuten zuvor das „Leckerli“ gegeben. Von Seiten des Beklagten hätte der Vorfall in der letztgenannten Konstellation nur dadurch verhindert werden können, dass er dem Hund einen Maulkorb angelegt hätte; dies erscheint jedoch zum einen eher unüblich, zum anderen war ja der Klägerin bekannt, dass der Hund keinen Maulkorb trug, womit sie offensichtlich auch einverstanden gewesen war.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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