OGH 6Ob59/23d

OGH6Ob59/23d17.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* S*, Deutschland, vertreten durch Mag. Siegfried Berger und Mag. Harald Brandstätter, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, gegen die beklagte Partei G* S*, vertreten durch Kinberger‑Schuberth‑Fischer Rechtsanwälte‑GmbH in Zell am See, wegen Feststellung und Einwilligung in die Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2022, GZ 53 R 199/22d‑23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 2. August 2022, GZ 5 C 394/21f‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00059.23D.0517.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.096,56 EUR (darin enthalten 182,76 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

[2] Der Kläger hat seit dem Jahr 1987 zur Erreichung seiner Berghütte mit seinem PKW ausschließlich jenen Verbindungsweg benutzt, dessen eines Teilstück über drei Grundstücke der Beklagten führt. Sowohl dem Rechtsvorgänger der Beklagten (deren Vater) als auch der Beklagten war bzw ist dies bekannt (gewesen), ohne dass dem Kläger das Befahren bis Sommer 2019 untersagt worden wäre.

[3] Die Vorinstanzen gelangten zu dem Ergebnis, bis dahin habe der Kläger davon ausgehen können, dass er das über die Grundstücke der Beklagten führende Teilstück des Wegs berechtigterweise benutzen durfte, und gaben dem Begehren des Klägers auf Feststellung und Einwilligung in die Einverleibung einer diesbezüglichen Dienstbarkeit ob der drei Grundstücke der Beklagten statt.

[4] Das Berufungsgerichtsprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Es ließ die ordentliche Revision auf Antrag der Beklagten nachträglich zu, weil ihm eine unzutreffende Beurteilung betreffend die Ersitzung eines Wegerechts an einer Forststraße unterlaufen sein könnte; insbesondere scheine nicht sicher, inwiefern das Berufungsgericht den Rechtssatz RS0038437, aber auch die Entscheidung 1 Ob 228/12d richtig ausgelegt habe.

[5] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1.1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs werden andere Rechte als das von § 33 Abs 1 ForstG 1975 eingeräumte Benützungsrecht des Waldes zu Erholungszwecken, also etwa die Dienstbarkeit des Wegerechts an Waldgrundstücken, vom Ersitzungsverbot des § 33 Abs 5 ForstG nicht erfasst (RS0112426; vgl auch RS0038437; 4 Ob 24/22s [ErwGr 2.4 f]). Inhaltliche Ausführungen, weshalb die Ersitzung eines auf einer Forststraße verlaufenden Wegerechts nicht möglich und diese Rechtsprechung auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar sei, enthält die Revision nicht, ebenso wenig zur in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts aufgeworfenen Frage, ob die Entscheidung 1 Ob 228/12d im vorliegenden Fall einschlägig sei. Die Revision versäumt es damit, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

[7] 1.2. Im gegenständlichen Verfahren ist nicht strittig, dass die Benützung des Wegs durch den Kläger mit Zustimmung der aus den betreffenden, den Weg erhaltenden Grundeigentümern bestehenden „Weginteressentenschaft“ erfolgte. Nach den Feststellungen hat der Kläger von der Beklagten auch einen Schlüssel für den abschließbaren Schranken bekommen. Schon deshalb gehen die Revisionsausführungen ins Leere, mangels festgestellter Zustimmung jener Personen, denen die Erhaltung des Wegs als Forststraße oblag (§ 33 Abs 3 ForstG), liege ein Ersitzungshindernis vor und sei der Kläger als unredlich anzusehen.

[8] 1.3. Im Übrigen ist mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu entnehmen, dass die Ersitzung von (auch) auf Forststraßen verlaufender Wegerechte grundsätzlich möglich ist (vgl 2 Ob 162/22w [ErwGr 2.3]; 1 Ob 76/20p [ErwGr 2.2]; 10 Ob 36/18v; vgl auch 4 Ob 24/22s; so auch VwGH 2012/10/0062).

[9] 2.1. Nach den Feststellungen gibt es mit dem Kläger keine (ausdrücklichen) Vereinbarungen betreffend die Benützung des Wegs. Die Frage, ob die vom Kläger bis zum Jahr 2004 an die Wegeinteressentenschaft geleisteten Zahlungen eine Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen begründen könnte, die eine Ersitzung ausschließen würde, war bereits Gegenstand eines zwischen den Streitteilen geführten Vorverfahrens. Dort hat der Oberste Gerichtshof bei nahezu identen Feststellungen die Ansicht der Vorinstanzen gebilligt, aus diesen Zahlungen sei keine konkludente Zustimmung zu einer (Einzel‑)Vereinbarung mit der (dortigen) Klägerin (und hier Beklagten) abzuleiten, weil die Zahlungen nur die Bereitschaft des (dort) Beklagten (und hier Klägers) zum Ausdruck bringen würden, als Nutzer der (gesamten) Wegeanlage etwas zu deren Erhaltung beizutragen (9 Ob 63/20k).

[10] 2.2. Das Berufungsgericht gelangte im vorliegenden Verfahren ebenfalls zu dieser Auffassung. Zugkräftige Argumente, weshalb die hier zusätzlich getroffene Feststellung, wonach der Kläger über Aufforderung des Kassiers der Wegeinteressentenschaft im Jahr 2020 eine Nachzahlung für die Jahre 2005 bis 2020 bezahlte, eine abweichende Beurteilung erfordere, legt die Revision nicht dar. Da die Beurteilung stillschweigender Erklärungen iSd § 863 ABGB regelmäßig einzelfallbezogen ist (RS0109021), wird somit auch im gegenständlichen Verfahren mit dem Revisionsvorbringen, richtigerweise handle es sich doch um Entgelt für die Wegenutzung (der Klägerin), keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt. Auf dieser Grundlage begegnet es keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht davon ausging, ein Fall der bloß obligatorischen Gebrauchsüberlassung, der die Redlichkeit des Klägers ausschließe (vgl RS0034095 [T17]), sei nicht gegeben.

[11] 3. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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