Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Streitteile sind die Söhne der am 7. 3. 1920 geborenen und am 23. 8. 2007 verstorbenen Gertrude F*****, die am 18. 6. 1982 ein Testament verfasste, mit dem sie die Streitteile zu gleichen Teilen zu Erben ihres gesamten Vermögens einsetzte. Darüber hinaus vermachte sie ihnen jeweils verschiedene Liegenschaften beziehungsweise Wohnungen und verfügte die Anrechnung bereits zuvor dem Beklagten geschenkter Wohnungen als Legate.
Während der Beklagte, der von Beruf Schauspieler ist, zwischen 1988 und 2000 in den USA lebte, lebt der Kläger seit mindestens 1987 größtenteils in den USA und ist in der Immobilienbranche tätig. Etwa ab 1995 war gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen verschiedener Wirtschafts- und Steuerdelikte anhängig, mit welchem auch erhebliche Zahlungsbegehren einer Bank sowie zahlreicher Geschädigter einhergingen. Die Erblasserin war sowohl über das Verfahren als auch die geltend gemachten Forderungen in Kenntnis.
Nachdem der Ehemann der Erblasserin und Vater der Streitteile im August 1996 verstorben war, beorderte die Erblasserin im September 1996 den Beklagten nach Wien. Sie erklärte dem Beklagten, sie wolle ihm drei Eigentumswohnungen und ein Geschäftslokal in Wien schenken, weil der Kläger bereits in der Vergangenheit große Zuwendungen erhalten und derzeit schwerwiegende Probleme habe; weitere Erklärungen wollte die Erblasserin nicht abgeben. Am 11. 10. 1996 wurde der Vertrag unterfertigt, wobei zwar vereinbarte Belastungs- und Veräußerungsverbote zugunsten der Erblasserin, nicht aber - aus Kostengründen - ein ebenfalls vereinbartes Fruchtgenussrecht im Grundbuch eingetragen wurden.
In weiterer Folge fasste die Erblasserin allerdings den Entschluss, nun doch dem Kläger die zuvor dem Beklagten geschenkten Wohnungen nach ihrem Tod letztwillig zur Hälfte zukommen zu lassen. Aus diesem Grund verfasste sie eine „Treuhandvereinbarung“ (Beilage ./D), in deren Punkt II.) festgehalten wurde, dass der Beklagte die geschenkten Liegenschaften lediglich treuhändig für die Erblasserin halte und sich verpflichte, nur entsprechend ihren Weisungen darüber zu verfügen. In Punkt III.) wurde festgehalten, dass im Fall des Ablebens der Erblasserin der Beklagte dem Kläger zur Abgeltung dessen Erbansprüche aus der Schenkung die Hälfte des Werts der genannten Wohnungen zu übertragen habe, und zwar bei Möglichkeit in Form einer oder mehrerer Wohnungen; eine allenfalls bestehende Differenz sei in Bargeld auszugleichen.
Etwa zwischen Oktober 1997 und Oktober 1998 ersuchte die Erblasserin den Beklagten neuerlich, nach Wien zu kommen. Bei seinem Besuch äußerte die Erblasserin dem Beklagten gegenüber, sie wolle mit ihm etwas besprechen, das im Zusammenhang mit den ihm gemachten Schenkungen stehe. Da der Beklagte ständig mit Flugzeugen reise, habe sie Angst, dass dabei leicht ein Flugzeugabsturz passieren könne; falls der Beklagte vor ihr sterben sollte, würden die Ehefrau des Beklagten oder andere Verwandte die geschenkten Liegenschaften erben. Dagegen wolle sie aber zu ihren Lebzeiten abgesichert sein, insbesondere dagegen, dass sie im Fall des Todes des Beklagten auf der Straße stehe. Sie wolle, dass in diesem Fall die geschenkten Wohnungen in ihrer Hand bleiben und es so vermieden werde, dass diese zu ihren Lebzeiten an irgendwelche Erben des Beklagten fielen. Die Erblasserin erklärte dem Beklagten weiters, sie habe aus diesen Gründen zum Zweck ihrer Absicherung einen Vereinbarungstext vorbereitet, den dieser unterschreiben solle. Diese Vereinbarung sei aber nur für den Fall gedacht, dass der Beklagte vor der Erblasserin sterben sollte; sie solle nur für diesen Fall Wirksamkeit erlangen, weshalb die Vertragsurkunde auch undatiert bleiben, von der Erblasserin in diesem Zustand verwahrt werden und von ihr nur in dem Fall gegenüber den Erben des Beklagten verwendet werden würde, dass der Beklagte zeitlich vor ihr sterben sollte. Da dem Beklagten diese Ausführungen plausibel erschienen, unterfertigte er die vorbereitete Vereinbarung ungelesen; die Erblasserin unterschrieb das Schriftstück zunächst nicht. Allerdings fügte sie in späterer Zeit ihr Geburtsdatum hinzu, unterfertigte die Vereinbarung und übermittelte eine Kopie Ende der 90iger-Jahre dem Beklagten.
Dem Kläger gegenüber erklärte die Erblasserin hingegen, sie habe die Wohnungen mittels Schenkung und einer damit untrennbar und als Einheit im Zusammenhang stehenden Treuhandvereinbarung dem Beklagten übertragen; dies habe ausschließlich den Zweck gehabt, einerseits zu vermeiden, dass die Wohnungen nach ihrem Tod an die allfälligen Gläubiger des Klägers gelangen könnten, andererseits jedoch sicherzustellen, dass dem Kläger nach ihrem Tod die Hälfte ihres Vermögens zukommen werde. Sie fügte in der „Treuhandvereinbarung“ auch noch eigenhändig das Datum „8.12.96“ ein und hinterlegte das Schriftstück im Original bei einem Rechtsanwalt zur Aufbewahrung.
Am 23. 8. 2007 verstarb die Erblasserin. Im Verlassenschaftsverfahren gaben die Streitteile jeweils bedingte Erbantrittserklärungen zur Hälfte des Nachlasses ab. Dieser war mit rund 55.000 EUR überschuldet und wurde den Streitteilen je zur Hälfte eingeantwortet.
Erstmals im Herbst 2007 beanspruchte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Herausgabe der wertmäßigen Hälfte zweier Wohnungen, die von der „Treuhandvereinbarung“ erfasst waren.
Der Kläger begehrt vom Beklagten 975.000 EUR aufgrund der „Treuhandvereinbarung“; dabei handle es sich um den halben Verkehrswert der davon erfassten Wohnungen. Der Beklagte wolle die Belastung der an ihn erfolgten Schenkung nicht erfüllen und verweigere dem Kläger sogar den Pflichtteil. Der Nachlass sei ohne Einrechnung der geschenkten Wohnungen überschuldet, weshalb der Kläger gemäß § 951 Abs 1 Satz 1 ABGB für den Fall, dass der Beklagte nicht zahlen wolle oder könne, hilfsweise die Herausgabe des Geschenks zur Deckung des Fehlbetrags fordert.
Der Beklagte wendete demgegenüber ein, die „Treuhandvereinbarung“ sei nur für den Fall des Vorversterbens des Beklagten zur Absicherung der Erblasserin abgeschlossen worden. Eine letztwillige Verfügung liege aufgrund Formunwirksamkeit nicht vor; die geschenkten Liegenschaften fielen auch nicht in den Nachlass, sondern stünden aufgrund des Schenkungsvertrags im Eigentum des Beklagten. Ansprüchen des Klägers aus dem Pflichtteil seien weit höhere Vorempfänge des Klägers zu Lebzeiten der Erblasserin entgegen zu halten; unter diesem Gesichtspunkt wendete der Beklagte Gegenforderungen in Höhe von 706.530 EUR ein.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren insbesondere unter Hinweis auf die nicht eingetretene Bedingung des Vorversterbens der Erblasserin und die fehlende Formgültigkeit der „Treuhandvereinbarung“ als letztwillige Verfügung ab; auch als Auftrag auf den Todesfall wäre die „Treuhandvereinbarung“ notariatsaktspflichtig gewesen. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision nicht für zulässig und ergänzte die Ausführungen des Erstgerichts dahin, dass nur der Noterbe einen Anspruch nach § 951 ABGB geltend machen könne; der Kläger habe jedoch im Verfahren erster Instanz ausdrücklich erklärt, sein Anspruch sei kein Pflichtteilsanspruch.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht teilweise die Rechtslage verkannt hat; sie ist auch berechtigt.
1.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war die „Treuhandvereinbarung“ Beilage ./D nur für den Fall gedacht, dass der Beklagte vor der Mutter sterben sollte; sie sollte auch nur für diesen Fall Wirksamkeit erlangen, weshalb die Vereinbarung auch undatiert bleiben sollte. Da die Mutter vor dem Beklagten verstorben ist, erlangte die Vereinbarung somit nie Wirksamkeit; die aufschiebende Bedingung ist nicht eingetreten. Soweit der Kläger daher seine Ansprüche auf diese Vereinbarung stützt, haben die Vorinstanzen das Klagebegehren zu Recht abgewiesen.
1.2. Der Kläger hat zwar - unter anderem - diese Feststellungen in seiner Berufung bekämpft; das Berufungsgericht hat die Feststellungsrüge aufgrund rechtlicher Überlegungen nicht behandelt. Allerdings war die Feststellungsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, führte der Kläger darin doch lediglich mehrere längere und zusammenhängende Absätze der erstinstanzlichen Feststellungen an, die er für unrichtig hielt, und begehrte als erkennbare Ersatzfeststellung nur, der Beklagte sei „von Anfang an bezüglich des Zusammenhangs zwischen der Beilage ./A und der Beilage ./D informiert [gewesen und habe gewusst], dass er sich mit der Beilage ./D (= Beilage ./K) verpflichtet hat, die Hälfte des Werts der ihm zugewendeten Liegenschaften an den Kläger zu übertragen“. Mit der vom Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung breit erörterten aufschiebenden Bedingung des Todes der Erblasserin setzt sich die Feststellungsrüge jedoch mit keinem Wort auseinander. Steht aber die (letztlich nicht eingetretene) Bedingung des Vorversterbens des Beklagten fest, kommt es nicht darauf an, was die Erblasserin tatsächlich mit dieser Vereinbarung bezweckte und ob der Beklagte deren Inhalt im Detail kannte oder nicht.
1.3. Ansprüche aufgrund letztwilliger Verfügung kann der Kläger aus Punkt III. der genannten „Treuhandvereinbarung“ („Im Falle des Ablebens [der Mutter] hat [der Beklagte] seinem Bruder [dem Kläger] zur Abgeltung dessen Erbsansprüche ...“) schon allein deshalb nicht ableiten, weil die Formvorschriften für letztwillige Anordnungen nicht eingehalten wären (vgl §§ 578, 579 ABGB).
1.4. Die Überlegung des Klägers in seiner außerordentlichen Revision, diese Formvorschriften (beziehungsweise jene nach § 956 ABGB; vgl dazu jüngst Löcker in Kletecka/Schauer, ABGB-ON [2010] § 956 Rz 16; Liedermann in Schwimann, ABGB-TaKomm [2010] § 956 Rz 9) würden für einen Auftrag auf den Todesfall nicht gelten, wenn der Erblasser als Treugeber wirtschaftlicher Eigentümer des Treuhandguts geblieben ist, scheitert schon daran, dass die Treuhandvereinbarung eben nie Wirksamkeit erlangte und der Beklagte daher Eigentümer der geschenkten Liegenschaften war und blieb.
Dies gilt auch für die Überlegungen des Klägers, Punkt III. der genannten Vereinbarung sei gar keine letztwillige Verfügung, beruhen diese Überlegungen doch auch auf der (angeblichen) Treuhändereigenschaft des Beklagten.
1.5. Soweit sich die Vorinstanzen mit den vom Kläger geltend gemachten Anspruchsgrundlagen auseinandergesetzt und deren Vorliegen verneint haben, ist ihnen daher - jedenfalls im Ergebnis - beizupflichten.
2. Der Kläger verlangte allerdings bereits in der Klage „hilfsweise“ die „Herausgabe des Geschenks“ (gemeint: der geschenkten Liegenschaften) durch den Beklagten; dieses Begehren stützte er ausdrücklich auf § 951 Abs 1 Satz 1 ABGB. Im Laufe des Verfahrens erster Instanz erklärte der Kläger, er „bestreite, dass die klagsgegenständliche Forderung ein 'Pflichtteilsanspruch' wäre“ (AS 53).
Das Erstgericht ging auf diesen geltend gemachten Anspruchsgrund überhaupt nicht ein; das Berufungsgericht meinte, Ansprüche nach § 951 ABGB stünden nur Pflichtteilsberechtigten zu, nicht auch testamentarischen oder gesetzlichen Erben; Pflichtteilsansprüche habe der Kläger jedoch ausdrücklich nicht geltend gemacht.
2.1. § 951 Abs 1 ABGB sieht vor, dass dann, wenn bei der Bestimmung des Pflichtteils Schenkungen in Anschlag gebracht werden (§ 785 ABGB), der Nachlass aber zu dessen Deckung nicht ausreicht, der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zur Deckung des Fehlbetrags verlangen kann; der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrags abwenden. Auch der gesetzliche Erbe kann einen Pflichtteilsanspruch erheben und somit die Einrechnung von Schenkungen gemäß § 785 ABGB begehren (7 Ob 220/08s); dies gilt auch für den testamentarischen Erben (1 Ob 510/96; Bollenberger in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ [2010] § 951 Rz 1; Löcker in Kletecka/Schauer, ABGB-ON [2010] §§ 951, 952 Rz 2; Liedermann in Schwimann, ABGB-TaKomm [2010] § 951 Rz 5). § 951 ABGB artikuliert nämlich - neben §§ 783, 786 ABGB - den Grundsatz, dass der Pflichtteil weder durch Schenkung unter Lebenden noch durch letztwillige Verfügung geschmälert werden darf (Binder in Schwimann, ABGB³ [2006] §§ 951, 952 Rz 1; vgl auch RIS-Justiz RS0012893). §§ 785, 951 ABGB bezwecken, den übergangenen Noterben so zu stellen, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre; „In Anschlag Bringen“ einer Schenkung bedeutet die rechnerische Annahme, es wären noch alle Schenkungen im Nachlass (RIS-Justiz RS0012936).
Der Anspruch nach § 785 Abs 1 ABGB richtet sich dabei gegen den Nachlass oder den Erben, jener nach § 951 Abs 1 ABGB aber gegen den Beschenkten und greift erst ein, wenn mit § 785 ABGB nicht auszukommen ist. Nur dann, wenn sich bei einem Schenkungspflichtteil ergibt, dass dieser nicht aus dem Nachlass abgedeckt werden kann, ist der Beschenkte also passiv klagslegitimiert (7 Ob 220/08s).
2.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen sind beide Streitteile testamentarische und je zur Hälfte erbantrittserklärte Erben nach ihrer Mutter; als Söhne der Erblasserin sind sie gemäß § 762 ABGB pflichtteilsberechtigt. Der überschuldete Nachlass wurde ihnen je zur Hälfte eingeantwortet.
Dass ein überschuldeter Nachlass ein Anwendungsfall des § 951 ABGB sein kann, entspricht der Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0012960). Als pflichtteilsberechtigte Söhne haben die Streitteile Anspruch auf Berücksichtigung von Schenkungen nach §§ 785, 951 ABGB.
2.3. Die Vorinstanzen haben sich nicht mit den vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen nach § 951 ABGB auseinandergesetzt; das Berufungsgericht hat dies mit einem Hinweis auf die Erklärung des Klägers begründet, er mache keine Pflichtteilsansprüche geltend. Allerdings wollte der Kläger mit dieser Erklärung - in Erwiderung entsprechenden Vorbringens des Beklagten - offensichtlich lediglich klarstellen, dass er nicht Noterbe, sondern Erbe ist. Seine Erklärung kann jedenfalls nicht als derart eindeutig dahin angesehen werden, dass er damit seinen ursprünglich geltend gemachten Anspruch nach § 951 ABGB fallen gelassen hätte.
Entgegen den Überlegungen des Beklagten in der Revisionsbeantwortung sprechen auch die Ausführungen des Klägers in seiner Berufung nicht gegen diese Auffassung. Der Kläger hält dort seine Ansprüche nach § 951 ABGB ausdrücklich aufrecht und rügt, dass sich das Erstgericht mit dieser Anspruchsgrundlage nicht auseinandergesetzt habe.
2.4. Da die Sachanträge des Klägers nicht vollständig erledigt wurden (§ 496 Abs 1 Z 1 ZPO), war mit einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen vorzugehen. Das Erstgericht wird allfällige Ansprüche des Klägers nach § 951 ABGB mit den Parteien zu erörtern und darüber neuerlich zu entscheiden haben; das Verfahren wird sich dabei jedoch gemäß § 496 Abs 2 ABGB auf die genannten Ansprüche zu beschränken haben.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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