European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00050.18Y.0426.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Es ist zwischen den Parteien nicht (mehr) strittig, dass es sich bei den inkriminierten Äußerungen, die Klägerin habe an P***** W***** für die Vornahme von Amtsgeschäften Zahlungen geleistet und/oder diesen bestochen sowie die Klägerin habe mit der Ablöse für ein wertloses Lokal in Höhe von 1,5 Mio EUR eine Parteienfinanzierung vorgenommen, um ehrenbeleidigende und kreditschädigende Tatsachenbehauptungen iSd § 1330 ABGB handelt, dass der Tatbestand der Kreditschädigung auch durch Vermutungen und Verdächtigungen hergestellt werden (RIS‑Justiz RS0032494 [T5, T6]) und dass auch die bloße Weitergabe einer kreditschädigenden Äußerung eines Dritten unter § 1330 ABGB fallen kann (RIS‑Justiz RS0079097).
2. Allerdings kann die Veröffentlichung des Tatverdachts einer strafbaren Handlung in einem Medium wegen des besonderen Informationsinteresses der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein; bei der neutralen Wiedergabe des Tatverdachts besteht auch keine objektive Nachprüfungspflicht über die Richtigkeit des Tatverdachts (RIS‑Justiz RS0102056). Das überwiegende Informationsinteresse der Öffentlichkeit stellt bei der Interessenabwägung zwischen dem Rechtsgut der Ehre und dem verfassungsrechtlichen Recht der freien Meinungsäußerung ein entscheidendes Kriterium dar: Zweck der Rechtfertigung einer – selbst unwahren – Behauptung in einem Medium ist das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit für den Fall, dass die Behauptung richtig wäre, falls von der Richtigkeit bei Einhaltung der journalistischen Sorgfalt ausgegangen werden kann (RIS‑Justiz RS0102056 [T6]). Dabei muss nach ständiger Rechtsprechung bedacht werden, dass den Medien als „öffentlicher Wachhund“ eine besondere Rolle zukommt: Eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte würde zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen (RIS‑Justiz RS0008990). Die Interessenabwägung muss regelmäßig schon dann zugunsten der Berichterstattung ausfallen, wenn nicht überwiegende Gründe deutlich dagegen sprechen, ist doch die Einschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit andernfalls nicht iSd Art 10 Abs 2 MRK ausreichend konkretisiert (RIS‑Justiz RS0008990 [T8]).
Im heiklen, weil die Persönlichkeitsinteressen der Betroffenen besonders tangierenden Bereich der Berichterstattung im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren hat der Gesetzgeber durch Einführung der (einfach gesetzlichen) Bestimmungen der §§ 7a ff MedienG eine Konkretisierung der grundrechtlichen Spannungslage zwischen Meinungsäußerungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz vorgenommen, deren Wertungen in erforderliche Abwägungen einzubringen sind (RIS‑Justiz RS0102056 [T9]). In diesem Sinne lässt auch § 7a Abs 1 MedienG die Veröffentlichung des Namens eines Verdächtigen oder eines Opfers einer Straftat dann zu, wenn wegen der Stellung der betreffenden Personen in der Öffentlichkeit, eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben und aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat (RIS‑Justiz RS0102056 [T10]).
3. Nach § 6 Abs 2 Z 4 MedienG ist eine Mitteilung gerechtfertigt, wenn es sich um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handelt und ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung besteht. Der Ausschlussgrund setzt ein Zitat einer Äußerung eines Dritten, also einer vom Berichterstatter verschiedenen Person, voraus (RIS‑Justiz RS0064448 [T3]). Anschließend erfordert § 6 Abs 2 Z 4 MedienG eine Interessenabwägung (vgl RIS‑Justiz RS0064448 [T2]): Unter der Voraussetzung, dass das bekämpfte Zitat in einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Äußerung eines Dritten besteht und keine Identifikation des Verbreiters mit der veröffentlichten Meinung des Zitierten stattfand, ist zu prüfen, ob sich aus der gebotenen Interessensabwägung ein Rechtfertigungsgrund ergibt. Die Weiterverbreitung ist dann gerechtfertigt, also nicht rechtswidrig, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der Äußerung die Interessen des Verletzten überwiegt, etwa wegen der besonderen Stellung des Zitierten in der Öffentlichkeit oder wegen der aktuellen, besonderen Wichtigkeit des Themas (RIS‑Justiz RS0111733).
4. Ob eine Identifikation des Verbreiters mit der veröffentlichten Meinung des Zitierten stattfand, richtet sich danach, wie die Aussagen von einem zumindest nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Leser bei ungezwungener Auslegung verstanden werden. Dieses Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers ist demnach stets eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt, hängt sie doch ausschließlich von den jeweiligen konkreten Formulierungen ab. Auch die Frage, in welche Richtung die Interessenabwägung ausfällt, entscheiden stets die Umstände des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0111733 [T5]). In Betracht zu ziehen sind in erster Linie die Schwere des Vorwurfs, der wiedergegeben wird, und die abschätzbaren sozialen Folgen für den Betroffenen; dem ist die Gewichtigkeit des öffentlichen Interesses gegenüberzustellen, über die Äußerung des Dritten informiert zu werden (Berka in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Mediengesetz³ [2012] § 6 Rz 51).
5. Die Auffassung der Vorinstanzen, der Beklagte habe sich mit den Äußerungen von P***** B***** und Dr. P***** P***** nicht identifiziert und es habe ein überwiegendes öffentliches Interesse an diesen Äußerungen bestanden, ist durchaus vertretbar:
Der Beklagte hat die Äußerungen lediglich wiedergegeben und darüber berichtet, dass die Genannten die inkriminierten Anschuldigungen gegen die Klägerin erheben. Es wurden überwiegend Originaltöne der Äußerungen eingespielt, wodurch für den Betrachter deutlich wurde, dass eben die Genannten und nicht der Beklagte selbst die Vorwürfe erheben. Die Vorwürfe wurden auch nicht entstellt wiedergegeben, sondern wurde stets in Verdachtsform berichtet und mehrmals erwähnt, dass die Klägerin die Vorwürfe bestreitet; dabei kamen auch deren Rechtsvertreter mehrmals zu Wort. Weiters wird im Beitrag explizit von Videos der „angeblichen“ Geldübergaben gesprochen und ausdrücklich erwähnt, dass auf den Videos eigentlich nichts Näheres zur Geldübergabe zu sehen sei. Beim Vergleich mit einer Krähe, der im Bericht getätigt wird und den die Klägerin auf sich bezieht, handelte es sich zum einen um eine blumige Formulierung im Rahmen der journalistischen Freiheit, zum anderen wurden nicht die Klägerin, sondern das Glücksspiel als solches mit einer Krähe verglichen; entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung kann somit auch aus diesem Vergleich nicht abgeleitet werden, dass sich der Beklagte mit den Vorwürfen identifizierte.
Hinsichtlich des überwiegenden öffentlichen Interesses ist darauf hinzuweisen, dass – selbst wenn man dieses nicht allgemein mit dem Thema Glücksspiel begründet, sondern entsprechend der Entscheidung 15 Os 92/11k direkt auf die Äußerungen der Genannten abstellt – es sich bei diesen um einen ehemaligen Geschäftspartner der Klägerin und um einen (ehemaligen) Nationalratsabgeordneten handelt, die schwere, auch strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen die Klägerin erheben.
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