Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die F***** Privatstiftung ist im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** mit dem Sitz in G***** eingetragen. Stifter sind Gerhard A***** und die Gerhard A***** KEG. Stiftungszweck ist die Versorgung der Familienmitglieder des Stifters und des Stifters selbst. Dem Stifter steht das Recht auf Änderung der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde zu.
Bereits im Jahr 2005 wurden Stiftungsurkunde und Stiftungszusatzurkunde geändert. Demnach wird zur Wahrung des Stiftungszwecks ein Beirat eingerichtet, der aus mindestens einem, höchstens jedoch aus vier Mitgliedern besteht. Dieser hat insbesondere den Vorstand bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens und der Bestimmung der Begünstigten sowie des Umfangs der an diese zu erbringenden Leistungen zu beraten und genießt hiefür Zustimmungs- und Anhörungsrechte (Punkt 11 Abs 1 der Stiftungsurkunde). Der Beirat bestellt die Mitglieder des Vorstands und beruft diese bei Vorliegen objektiv wichtiger Gründe, welche jedoch nicht wichtige Gründe im Sinne des § 75 Abs 4 AktG sein müssen, ab. Wichtige Gründe sind insbesondere zumindest grob fahrlässiges, stiftungsschädigendes Verhalten, Verstöße gegen den Stiftungszweck und ungerechtfertigte Prozessführung „gegen die Stiftung, die Stiftung oder gegen Gesellschaften, an denen die Stiftung oder Stifter beteiligt sind". (Gemeint ist offenbar: „gegen die Stiftung, die Stifter oder gegen Gesellschaften, an denen die Stiftung oder Stifter beteiligt sind".) Auch der Vorstand ist zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern berechtigt, wobei hiefür ein wichtiger Grund im Sinne des § 75 Abs 4 AktG erforderlich ist. Die Abberufung bedarf der Zustimmung des Beirats (Punkt 10 Abs 2 der Stiftungsurkunde). Dem Beirat sind vom Stiftungsvorstand der Jahresabschluss, der Lagebericht der Stiftung sowie der Bericht des Stiftungsprüfers zu übersenden. Dem Beirat steht das Recht auf umfassende Information zu, insbesondere hat er das Recht, in alle Geschäftsbücher und Unterlagen der Stiftung und in alle Beschluss- und Sitzungsprotokolle des Stiftungsvorstands Einsicht zu nehmen und zu verlangen, dass der Stiftungsvorstand eine Sitzung mit bestimmten Tagesordnungspunkten abhält und dass der Stiftungsprüfer bestimmte Sachbereiche einer Sonderprüfung unterzieht (Punkt 11 Abs 3 der Stiftungsurkunde).
Die Mitglieder des Beirats bestimmt der Stifter bis zu seinem Ableben bzw bis zum Eintritt seiner dauernden Geschäftsunfähigkeit. Danach erfolgt die Bestellung durch die Mitstifterin, die Gerhard A***** KEG, unter Berücksichtigung der Regelungen in der Stiftungszusatzurkunde hinsichtlich der vom Stifter bestimmten Beiratsmitglieder (Punkt 11 Abs 2 der Stiftungsurkunde).
Mit Notariatsakt vom 25. 2. 2008 änderten die Stifter mit Zustimmung des Vorstands der Stiftung die Stiftungsurkunde in Punkt 11 unter anderem dahin ab, dass einziges Beiratsmitglied ab Gründung der Stiftung der Stifter Gerhard A***** auf Lebenszeit ist, außer er verfügt die Erweiterung des Beirats. Für den Fall des Eintritts der Geschäftsunfähigkeit des Stifters bzw nach seinem Ableben ist einziges Beiratsmitglied Monika S*****.
Das Erstgericht lehnte die Eintragung dieser Änderung der Stiftungsurkunde ab. Der Stifter sei Begünstigter der Stiftung und würde infolge Änderung der Stiftungsurkunde einziges Mitglied des Beirats, dem weitgehende Befugnisse wie die Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands sowie Zustimmungs- und Anhörungsrechte zu Verwaltungsmaßnahmen des Vorstands zukämen. Dies widerspreche den zwingenden Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 23 Abs 2 PSG.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Unvereinbarkeitsbestimmung des § 23 Abs 2 PSG auch auf den Beirat einer Privatstiftung anzuwenden ist.
In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, der im vorliegenden Fall eingerichtete Beirat sei im Hinblick auf seine Zustimmungs- und Anhörungsrechte sowie seine Abberufungsrechte gegenüber dem Stiftungsvorstand ein Organ im Sinne des Privatstiftungsgesetzes, wobei er - gemessen an § 25 Abs 1 PSG - außerdem einem Aufsichtsrat vergleichbar sei. Auf einen solchen Beirat seien jedoch die Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 23 Abs 2 PSG analog anzuwenden, wonach der Aufsichtsrat nicht mehrheitlich mit Begünstigten der Stiftung besetzt sein dürfe. Da die Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Vorstands, auch wenn diese auf wichtige Gründe eingeschränkt ist, über Kontroll- und Beratungsfunktionen weit hinausgehe, wäre die Objektivität des Stiftungsvorstands bei der Vollziehung des Stifterwillens aufgrund der Befugnisse des nach der geänderten Stiftungsurkunde nur mehr mit (einem) Begünstigten besetzten Beirats nicht mehr gewährleistet. Auch der Zweck des § 15 Abs 2 PSG, wonach die Begünstigten und deren nahe Verwandten nicht Mitglieder des Stiftungsvorstands sein dürfen, könnte damit leicht unterlaufen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Stiftung ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
1. In Verfahren betreffend die Eintragung von Änderungen der Stiftungsurkunde im Firmenbuch ist die Stiftung rechtsmittellegitimiert (6 Ob 49/07k GesRZ 2008, 163 [N. Arnold; Briem, GesRZ 2009, 12] = ZfS 2008, 27 [Oberndorfer] = JEV 2008/18 [Zollner; ders, JBl 2009, 22]; 6 Ob 50/07g; zuvor bereits 6 Ob 61/04w GeS 2004, 391 [N. Arnold]).
2. Die Stiftung bezweifelt zunächst in ihrem Revisionsrekurs die Auffassung des Rekursgerichts, der im vorliegenden Verfahren eingerichtete Beirat sei tatsächlich aufsichtsratsähnlich; der bloße Umstand, dass dem Beirat die Bestellung und Abberufung (aus wichtigem Grund) der Mitglieder des Stiftungsvorstands übertragen wurde, rechtfertige eine derartige Annahme nicht.
Der erkennende Senat hat allerdings in den beiden Entscheidungen 6 Ob 49/07k und 6 Ob 50/07g bereits klargestellt, dass sich die Frage, ob ein Beirat als weiteres Organ im Sinne des § 14 Abs 2 PSG ein dem Aufsichtsrat vergleichbares Organ ist, vorrangig nach dem in § 25 Abs 1 PSG dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgabenkreis, der den Kern der - erweiterbaren, aber nicht entziehbaren - Kompetenzen des Aufsichtsrats umschreibt, bestimmt. Vergleicht man die Aufgaben, die den Beiräten in den genannten Entscheidungen zugewiesen waren, und jene Aufgaben, die dem Beirat der hier zu beurteilenden Stiftung zugewiesen sind, bedarf die Auffassung des Rekursgerichts, das auch hier eine Aufsichtsratsähnlichkeit angenommen hat, keiner Korrektur. Dass eine Abberufung von Vorstandsmitgliedern hier (lediglich) aus wichtigen Gründen möglich ist, ändert daran nichts; diese objektiv wichtigen Gründe müssen nämlich nicht wichtige Gründe im Sinne des § 75 Abs 4 AktG sein, sondern sind „insbesondere" zumindest grob fahrlässiges, stiftungsschädigendes Verhalten, Verstöße gegen den Stiftungszweck und ungerechtfertigte Prozessführung gegen die Stifter, die Stiftung oder gegen Gesellschaften, an denen die Stiftung oder Stifter beteiligt sind, also eher unbestimmte Abberufungsgründe, die dem Beirat einen weiten Spielraum einräumen.
3. Nach § 23 Abs 2 Satz 2 PSG dürfen Begünstigte oder deren Angehörige nicht die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder stellen. Entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Verfahren, ob diese Unvereinbarkeitsbestimmung auch auf einen aufsichtsratsähnlichen Beirat anzuwenden ist.
3.1. Der erkennende Senat hat die Beantwortung dieser Frage zwar in den beiden bereits erwähnten Entscheidungen 6 Ob 49/07k und 6 Ob 50/07g „im Anlassfall" dahingestellt gelassen. Er hat jedoch bereits zu 6 Ob 39/97x (SZ 70/92 = JBl 1997, 776) - wenn auch obiter (so N. Arnold, PSG² [2007] § 14 Rz 68, 75; Linder/Zollner, Die Privatstiftung als Baustein der Corporate Governance, ZFR 2006/39) - ausgeführt, er lehne die Auffassung, ein mit Begünstigten besetzter Beirat sei zulässig, wenn diesem nur ein Bestellungsrecht oder ein auf wichtige Gründe beschränktes Abberufungsrecht zukommt, ab; auch dem Aufsichtsrat könne die Bestellung und Abberufung des Vorstands übertragen werden, der Aufsichtsrat dürfe aber nicht mehrheitlich mit Begünstigten besetzt werden; diese zwingende gesetzliche Anordnung wäre obsolet, wenn anstelle des Aufsichtsrats ein Beirat mit diesen Befugnissen installiert und zur Gänze mit Begünstigten besetzt werden könnte.
Auch ein Teil der Lehre geht davon aus, dass die Unvereinbarkeitsbestimmung des § 23 Abs 2 Satz 2 PSG auf einen aufsichtsratsähnlichen Beirat analog anzuwenden ist (Micheler in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG [1995] § 14 Rz 22; G. Nowotny, Die Anforderungen an die Stiftungsurkunde aus dem Blickwinkel des Firmenbuchgerichts, in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen [2000] 157; Pittl, Der Stifter einer Privatstiftung und die ihm zustehenden Rechte, NZ 1999, 197).
3.2. Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsauffassung fest:
Den im Revisionsrekurs selbst zitierten Gesetzesmaterialien zu § 15 Abs 2 PSG ist zu entnehmen, dass der Stifter, will er dem Begünstigten eine besondere Funktion in der Stiftung einräumen, einen Beirat mit kontrollierender oder sogar bis zu einem gewissen Grad auch weisungsgebender Funktion einrichten kann; von einem solchen weiteren Organ wären Begünstigte dann nicht ausgeschlossen.
Daraus kann aber für die Stiftung im vorliegenden Verfahren gerade nichts gewonnen werden, weil der Beirat hier nicht auf Kontrolle und „bis zu einem gewissen Grad" Weisung beschränkt ist. Vielmehr bestellt der Beirat die Mitglieder des Vorstands und kann sie bei Vorliegen „wichtiger" Gründe - dass diese Regelung äußerst unbestimmt ist und dem Beirat einen weiten Spielraum einräumt, wurde bereits ausgeführt (2.; vgl auch 6 Ob 255/08f, wonach bei Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, mit Rücksicht auf die bei der Privatstiftung fehlenden Kontrollmechanismen kein strenger Maßstab zugrunde zu legen ist) - wieder abberufen. Umgekehrt kann der Beirat die Abberufung von Vorstandsmitgliedern durch den Vorstand selbst bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne des § 75 Abs 4 AktG verhindern, bedarf die Abberufung insoweit doch der Zustimmung des Beirats. Und schließlich kommen dem Beirat (neben weitreichenden Kontrollmöglichkeiten des Vorstands einschließlich eines bestimmten Weisungsrechts gegenüber dem Stiftungsprüfer) Zustimmungsrechte bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens durch den Stiftungsvorstand und bei der Bestimmung der Begünstigten sowie des Umfangs der an diese zu erbringenden Leistungen zu.
Gerade die im Revisionsrekurs zitierten Gesetzesmaterialien lassen somit den Schluss zu, dass dem Gesetzgeber jedenfalls nicht vorgeschwebt ist, ein aufsichtsratsähnlicher Beirat mit derart weitreichenden, über Kontroll- und (eingeschränkte) Weisungsmöglichkeiten weit hinausgehenden Kompetenzen könne mehrheitlich mit Begünstigten besetzt sein.
Im Übrigen gesteht auch N. Arnold (PSG² [2007] § 14 Rz 75, der unter Darstellung weiterer Meinungen aus der Literatur eine analoge Anwendung des § 23 Abs 2 Satz 2 PSG auf einen Beirat ablehnt) zu, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 39/97x zutreffend eine Umgehung des § 15 Abs 2 PSG angenommen hat, weil der dortige Stiftungsvorstand zum bloßen Vollzugsorgan degradiert worden wäre (vgl in diesem Sinn jüngst auch Feltl/Rizzi, Zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern der Privatstiftung, ecolex 2009, 410). Gerade dies wäre aber auch im vorliegenden Fall nicht auszuschließen, auch wenn der Beirat bei der Abberufung von Vorstandsmitgliedern formell auf „wichtige" Gründe beschränkt wäre; wie bereits erwähnt, handelt es sich dabei nämlich nicht um jene des § 75 Abs 4 AktG, sondern um viel weiter gefasste Gründe, sodass dem Vorstand (infolge Abberufungssanktion) sogar bestimmte Prozessführungen untersagt werden könnten. Darüber hinaus bedürfte der Vorstand der Zustimmung des Beirats, der aus dem begünstigten Stifter besteht, zur Festlegung des Umfangs der an diesen zu erbringenden Leistungen.
Dem Rekursgericht ist daher darin beizupflichten, dass durch die geänderte Stiftungsurkunde jedenfalls die Unvereinbarkeitsbestimmung des § 15 Abs 2 PSG unterlaufen werden könnte, wonach die Begünstigten und deren nahe Verwandte nicht Mitglieder des Stiftungsvorstands sein können; der innere Kontrollmechanismus, der die staatliche Aufsicht ersetzen soll, würde versagen. Auch das in der Entscheidung 6 Ob 305/01y (wbl 2002, 278) besonders betonte Fehlen einer Antragslegitimation des Stifters auf Abberufung der Vorstandsmitglieder (bei Unterbleiben einer anderslautenden Regelung in der Stiftungsurkunde) könnte durch die vorliegende Konstellation umgangen werden.
Dem Revisionsrekurs war der Erfolg zu versagen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)