OGH 6Ob314/00w

OGH6Ob314/00w17.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian M*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, gegen die beklagte Partei Heinz S*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 467.567,29 S, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2000, GZ 2 R 32/00s-33, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12. November 1999, GZ 26 Cg 202/96w-29, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 20.610 S (darin 3.435 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte veranstaltete in einer von ihr betriebenen Diskothek eine sogenannte "Schaumparty", die von rund 600 bis 800 Gästen, darunter auch dem Kläger, besucht wurde. Im Gastgarten des Lokals befand sich ein Pool, bestehend aus einer ausgehobenen und mit einer Plastikfolie beschichteten Grube. Das ca 2,5 m breite, ca 4 m lange und ca 1 m tiefe Becken war bis zu 80 cm mit Wasser gefüllt. Der Poolbereich war durch eine ca 10 m entfernte Beleuchtung im Bereich von im Garten aufgestellten Tischen nur indirekt beleuchtet. Eine Innenbeleuchtung des Pools war nicht vorhanden. Im Lauf des Abends warfen sich Gäste gegenseitig in den Pool, manche sprangen auch freiwillig hinein. Der Kläger hielt sich sowohl im Innenbereich des Lokals als auch im Garten und im Poolbereich auf. Er wurde von einem ihm unbekannten Gast in den Pool geworfen, wobei er seitlich kopfüber hineinfiel und sich an einem im Pool befindlichen Glas eine erhebliche Schnittwunde an der rechten Hand zufügte. Dieses Glas war von außen wegen des verschmutzten Wassers nicht sichtbar gewesen.

Das Erstgericht wies die Begehren auf Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Verdienstentgang und auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden ab. Es stellte noch fest, dass die Beklagte einen Ordnerdienst eingerichtet habe. Der für den Poolbereich zuständige Ordner habe die Aufgabe gehabt, Raufereien oder Ausschreitungen im Poolbereich genauso zu verhindern wie das Hineinwerfen von Gegenständen. Im Zeitpunkt des Unfalls habe sich der Ordner nicht im Poolbereich aufgehalten, weil er sich am WC befunden habe. Das Erstgericht erachtete die von der Beklagten vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen (ein Ordner im Poolbereich) als ausreichend, um Schäden von Besuchern abzuwenden.

Das Berufungsgericht hob das Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Unter Hinweis auf widersprechende Beweisergebnisse äußerte es Bedenken an der Feststellung des Erstgerichts, wonach die Beklagte im Poolbereich einen Ordnerdienst eingerichtet hatte, und übernahm diese Feststellung des Erstgerichtes nicht, ohne jedoch eine Beweiswiederholung durchzuführen. Von einer Beweiswiederholung könne aus prozessökonomischen Gründen abgesehen werden, weil die von der Beklagten vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen (lediglich ein Ordner am Pool) nicht ausgereicht hätten, um Schäden von Besuchern abzuwenden. Die Beklagte hätte bedenken müssen, dass eine einzige Person nicht andauernd den Pool beachten und damit verhindern könne, dass Gläser und Ähnliches hineingeworfen werden. Angesichts der für den Pool nicht vorhandenen behördlichen Genehmigung hätte die Beklagte in einem noch größeren Ausmaß darauf achten müssen, Gefahrenquellen von Besuchern fernzuhalten. So hätte sie etwa eine Beleuchtung des Pools von innen oder die Einrichtung eines effektiven Ordnerdienstes vorsehen müssen. Sie sei daher dem Grunde nach zur Haftung verpflichtet. Zur Klärung der Schadenshöhe seien noch Beweisaufnahmen in erster Instanz erforderlich. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei, weil zur Frage, ob und welche Schutzvorkehrungen Betreibern von konsenslos errichteten Swimmingpools zugemutet werden können, ausreichende höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch ist der Rekurs der Beklagten mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung trifft jeden, der eine seiner Verfügung unterliegende Anlage dem Zutritt eines Personenkreises eröffnet oder auf seinem Grund einen Verkehr für Menschen unterhält, eine Verkehrssicherungspflicht (Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 1294 mwN). Er muss die Anlage für die befugten Benützer in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand erhalten und vor erkennbaren Gefahren schützen (SZ 60/256; 7 Ob 51/00a uva). Liegt die Möglichkeit nahe, dass sich aus einer Veranstaltung - etwa durch unerlaubtes Verhalten von Zuschauern oder dergleichen - Gefahren für andere ergeben, so hat der Verantwortliche im Rahmen des Zumutbaren auch dagegen angemessene Maßnahmen zu treffen (SZ 60/256). Hiebei trifft die Beweislast, dass die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden oder dass die Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen unzumutbar gewesen seien, wie auch, dass den Geschädigten ein Mitverschulden treffe, den jeweils Verkehrssicherungspflichtigen (SZ 60/256; 6 Ob 115/99a).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Die Festlegung des konkreten Inhaltes der Verkehrssicherungspflicht, also die Festlegung, unter welchen besonderen Umständen bestimmte Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren dem Veranstalter noch zumutbar sind (oder schon die Grenze der Zumutbarkeit übersteigen), ist wegen der gänzlich unterschiedlichen Gegebenheiten selbst bei gleichartigen Veranstaltungen nicht möglich. Ihre Beurteilung hängt vielmehr jeweils von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab (6 Ob 115/99a RIS-Justiz RS0078150) und entzieht sich daher einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Die im vorliegenden Fall verkehrssicherungspflichtige Beklagte geht selbst davon aus, dass (nur) ein Ordner am Pool Dienst versah, sie stellt auch nicht in Abrede, dass er - jedenfalls im Zeitpunkt des Schadensereignisses - nicht ständig im Poolbereich anwesend war. Dass noch ein weiterer Ordner am Pool gewesen wäre oder sie andere Maßnahmen getroffen hätte, um Schäden durch in den Pool geworfene Gegenstände zu verhindern, behauptet auch sie nicht. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die von der Beklagten behaupteten Sicherungsmaßnahmen nicht ausreichten, um die zu befürchtende Verletzung von Gästen durch im Pool befindliche Gegenstände wie Gläser hintanzuhalten, bedeutet keine auffallende, durch den Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Ob das Fehlen einer behördlichen Genehmigung noch zu einer Verschärfung des anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabes führt, ist im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, weil der Verkehrssicherungspflichtige zumutbare, schadensverhindern- de Maßnahmen (wie einen ständig anwesenden Ordnerdienst) schon unabhängig vom Vorhandensein einer behördlichen Bewilligung hätte setzen müssen.

Der Rekurs wird daher mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte