Spruch:
Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl Nr 646/1977 als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit der Fortführung des Revisionsrekursverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.
Text
Begründung
Der Revisionsrekurswerber ist ehelicher Vater von Marco, Sabrina und Philipp, die nach der Trennung ihrer Eltern im September 1998 im Haushalt der obsorgeberechtigten Mutter betreut werden. Sie stellten den Antrag, den Vater zu folgenden monatlichen Unterhaltsleistungen zu verpflichten:
Für den (im Antragszeitpunkt noch minderjährigen) Marco: vom 1. 4. 1996 bis 31. 7. 1996 zu 8.800 S, vom 1. 8. 1996 bis 31. 12. 1997 zu
9.900 S, vom 1. 1. 1998 bis 30. 6. 1999 zu 11.000 S und ab 1. 7. 1999 zu 11.100 S;
für die mj. Sabrina: vom 1. 4. 1996 bis 31. 12. 1997 zu 8.800 S, vom 1. 1. 1998 bis 31. 1. 1999 zu 9.350 S, vom 1. 2. 1999 bis 30. 6. 1999 zu 11.000 S und ab 1. 7. 1999 zu 11.100 S;
für den mj. Philipp: vom 1. 4. 1996 bis 31. 12. 1997 zu 8.800 S und ab 1. 1. 1998 zu 9.400 S,
wobei auf die festgelegte Unterhaltsverpflichtung jeweils 1/4 der vom Vater getragenen Wohnungsbenützungskosten, und zwar im Zeitraum vom 1. 4. 1996 bis 31. 8. 1998 ein Betrag von je 1.670 S und ab 1. 9. 1998 ein Betrag von je 1.125 S monatlich und pro Kind anzurechnen sei.
Der Vater begehrte zuletzt die gänzliche Abweisung des Unterhaltsbegehrens, weil er seinen Kindern sowohl vor als auch nach der Haushaltstrennung ausreichend Unterhalt geleistet habe und für die Kosten des von seiner Frau und den Kindern bewohnten Reihenhauses aufgekommen sei. Es verbleibe ihm nach Abzug aller Auslagen ohnehin weniger als das Existenzminimum.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater zu folgenden Unterhaltsleistungen:
Für Marco vom 1. 9. 1998 bis 31. 12. 1998 zu monatlich 11.000 S abzüglich aufgewendeter Wohnungsbenützungskosten von 1.210 S und bereits geleisteter Zahlungen von 1.770 S, somit zu 8.020 S, vom 1. 1. 1999 bis 31. 3. 1999 zu 9.600 S monatlich abzüglich bereits geleisteter Zahlungen von 3.000 S, somit zu 6.600 S und ab 1. 4. 1999 zu 9.600 S monatlich;
für Sabrina vom 1. 9. 1998 bis 31. 12. 1998 zu 9.350 S monatlich abzüglich aufgewendeter Wohnungsbenützungskosten von 1.210 S und bereits geleisteter Zahlungen von 1.770 S, somit zu 6.370 S (wie das Erstgericht mit Beschluss vom 18. 5. 2000, ON 26, richtiggestellt hat), vom 1. 1. 1999 bis 31. 1. 1999 zu 8.500 S monatlich abzüglich bereits geleisteter Zahlungen von 3.000 S, somit zu 5.500 S, vom 1. 2. 1999 bis 31. 3. 1999 zu 9.600 S monatlich abzüglich bereits geleisteter Zahlungen von 3.000 S, somit zu 6.600 S und ab 1. 4. 1999 zu 9.600 S monatlich;
für Philipp vom 1. 9. 1998 bis 31. 12. 1998 zu 9.400 S monatlich abzüglich aufgewendeter Wohnungsbenützungskosten von 1.210 S und bereits geleisteter Zahlungen von 1.770 S, somit zu 6.420 S, vom 1. 1. 1999 bis 31. 3. 1999 zu 8.500 S monatlich abzüglich bereits geleisteter Zahlungen von 3.000 S, somit zu 5.500 S und ab 1. 4. 1999 zu 8.500 S monatlich.
Das darüber hinausgehende Unterhaltsbegehren wies es ab. Es stellte fest, dass der Vater im Jahr 1998 über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 70.438 S einschließlich anteiliger Sonderzahlungen und im Jahr 1999 über ein solches von 53.467,10 S verfügt habe. Er habe keine weiteren Sorgepflichten. Er habe bis Dezember 1998 alle Betriebskosten des Reihenhauses beglichen, die mit 5.000 S im Monatsdurchschnitt berechnet würden, und der Mutter zusätzlich 13.000 S im September 1998 und von Oktober 1998 bis April 1999 12.000 S monatlich zur Verfügung gestellt.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass die vom durchschnittlichen Nettoeinkommen des Vaters ausgehenden, nach der Prozentsatzmethode ermittelten Unterhaltsbeträge für die Zeit bis 31. 12. 1998 mit dem Zweieinhalbfachen des Durchschnittsbedarfes der jeweiligen Altersgruppe zu begrenzen seien. Auf die sich derart ergebenden Beträge seien die "Haushaltsgeldszahlungen" und die Tragung der Wohnungsbenützungskosten im Ausmaß von jeweils einem Viertel pro Kind anzurechnen. Weitere vom Vater ins Treffen geführte Auslagen bildeten keine Abzugspost.
Das Rekursgericht gab sowohl dem Rekurs des Vaters als auch dem Rekurs des mj. Philipp, der sich gegen die Abweisung seines Mehrbegehrens von 900 S monatlich ab 1. 7. 2000 wendete, teilweise Folge und setzte die ab September 1998 vom Vater zu zahlenden monatlichen Beträge wie folgt fest:
Für Marco vom 1. 9. 1998 bis 31. 12. 1998 mit 5.875 S, vom 1. 1. 1999 bis 31. 1. 2001 (mit Ausnahme Juli 2000: 1.475 S) mit 3.475 S (jeweils Nachzahlung) und ab 1. 2. 2001 mit 8.600 S (fortlaufender monatlicher Unterhalt);
für Sabrina vom 1. 9. 1998 bis 31. 12. 1998 mit 4.225 S (für Jänner 1999 mit 2.375 S, für 1. 2. 1999 bis 31. 12. 2001 (mit Ausnahme Juli 2000: 1.475 S) mit 3.475 S (jeweils Nachzahlung) und ab 1. 2. 2001 mit 8.600 S (fortlaufender monatlicher Unterhalt);
für Philipp vom 1. 9. 1998 bis 31. 12. 1998 mit 4.275 S, vom 1. 1. 1999 bis 30. 6. 2000 mit 2.375 S, im Juli 2000 1.475 S, vom 1. 8. 2000 bis 31. 1. 2001 mit 3.475 S (jeweils Nachzahlung) und ab 1. 2. 2001 8.600 S (fortlaufender monatlicher Unterhalt), wobei auf den laufenden Unterhalt ab Februar 2001 ein Wohnungskostenbeitrag von jeweils 1.125 S monatlich pro Kind anzurechnen ist. Das Mehrbegehren wies das Rekursgericht ab. Es führte aus, dass die vom Vater getragenen Wohnungsbenützungskosten auch nach dem 31. 12. 1998 durch einen monatlichen Abzug von 1.125 S je Kind zu berücksichtigen seien. Die monatlichen Geldzahlungen des Vaters seien ab September 1998 mit je 4.000 S pro Kind (und nicht bloß mit 3.000 S) zu veranschlagen. Von dem vom Erstgericht nach der Prozentsatzmethode ermittelten Prozentsätzen sei ein Abzug von 2 % vorzunehmen, weil im Hinblick auf die Einkommensdifferenz der Eltern von einer teilweisen Sorgepflicht des Vaters für die Mutter der Kinder auszugehen sei. Weitere finanzielle Belastungen des Vaters bildeten hingegen keine Abzugsposten. Das überdurchschnittliche Einkommen des Vaters reiche zur vollen Befriedigung aller nach der Prozentsatzmethode errechneten Unterhaltsansprüche hin, sodass eine Kürzung nicht stattzufinden habe. Im Hinblick darauf, dass der mj.
Philipp am 25. 6. 2000 15 Jahre alt geworden sei, erhöhe sich sein Unterhaltsanspruch um 2 % und betrage unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten des Vaters ab 1. 7. 2000 16 % der Bemessungsgrundlage.
Dem nach Vorlage des Rekurses eingelangten Schreiben des Vaters, mit dem er auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2001, B 1285/00 hinwies und daraus ableitete, dass bei verfassungskonformer Auslegung des § 12a FLAG eine Kürzung seiner Unterhaltsverpflichtung von 15 % je Kind vorzunehmen und der Kinderabsetzbetrag auf die Unterhaltsforderungen anzurechnen sei, hielt das Rekursgericht entgegen:
Im zitierten Erkenntnis sei § 12a FLAG weder aufgehoben noch sei ausgesprochen worden, dass diese Bestimmung verfassungswidrig sei. Es sei vielmehr die Verfassungskonformität bestätigt worden. Es seien zwar in der Begründung dieses Erkenntnisses Maßnahmen ausgeführt worden, die die Gerichte im Unterhaltsbemessungsverfahren zum Ausgleich einer einkommensteuerrechtlichen Nichtdifferenzierung zwischen verschieden hohen Unterhaltspflichten zu beachten hätten. Der Grundsatz, dass Gesetze im Zweifel verfassungskonform auszulegen seien, könne aber nicht zu einer Bindungswirkung der Gerichte an die zur Begründung der Verfassungskonformität einer Bestimmung herangezogene Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes führen. Die Beseitigung von Judikaturdifferenzen, die auch im Verhältnis der Rechtsprechung der Höchstgerichte bestehen könnten, sei nach der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung allein in die Hand des Gesetzgebers gelegt. Aus dieser Erwägung und aus der weiteren gewaltenteilenden Maxime der Unabhängigkeit der Rechtssprechung bedeute es ein grundlegendes Verfassungsmissverständnis, es habe ein Höchstgericht bei seiner Rechtsfindung der von einem anderen - in dessen sachlichen Wirkungsbereich - höchsten Gerichtshof bereits geäußerten Rechtsmeinung zur Vermeidung von Judikaturdifferenzen zu folgen. Eine solche Vorgangsweise wäre ein Schritt zur Aushöhlung der richterlichen Unabhängigkeit und damit verfassungswidrig. Es entspreche auch der richterlichen Unabhängigkeit, dass die Unterinstanzen der Gerichte keiner Bindungswirkung an höchstgerichtliche Judikate unterlägen. Es bestehe daher kein Anlass, die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes über die Berücksichtigung steuerlicher Aspekte bei der Unterhaltsbemessung durch Gerichte zu teilen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zweifelhaft sei, ob die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 12a FLAG aufrechterhalten werden könne.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag auf Abänderung dahin, die vom Rekursgericht als angemessen erachteten Unterhaltsbeiträge um jeweils 15 % zu mindern und demgemäß die ihm vom Rekursgericht auferlegten, die bereits geleisteten Zahlungen berücksichtigenden Beträge (Nachzahlungen) und laufenden Unterhaltsbeiträge entsprechend herabzusetzen. Er bekämpft demnach die Leistungsverpflichtung, soweit sie folgende monatliche Beträge übersteigt:
Für Marco vom 1. 9. 1998 bis 31. 12. 1998 4.225 S, vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 2001 von 2.185 S (mit Ausnahme Juli 1999: 185 S) und ab 1. 2. 2001 7.310 S;
für Sabrina vom 1. 9. 1998 bis 31. 12. 1998 2.823 S, vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 2001 2.185 S (mit Ausnahme Juli 1999: 185 S monatlich) und ab 1. 2. 2001 7.310 S;
für Philipp vom 1. 9. 1998 bis 31. 12. 1998 2.865 S, vom 1. 1. 1999 bis 30. 6. 2000 1.250 S, für Juli 2000 185 S, vom 1. 8. 2000 bis 31. 12. 2000 2.185 S und ab 1. 2. 2001 7.310 S.
Der Vater macht geltend, der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2001, B 1285/00 folgend seien in verfassungskonformer Auslegung des § 12a FLAG die dem Haushalt der Mutter zufließenden Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) auf die Unterhaltsleistung anzurechnen. Er habe insgesamt jene Entlastung zu erfahren, die erforderlich sei, um die Steuermehrbelastung abzugelten, die nach der einkommensteuerrechtlichen Judikatur durch die Nichtabzugsfähigkeit der Hälfte des Unterhalts entstehe. Der Vater sei nach der Entscheidung des Rekursgerichtes mit jährlichen Unterhaltszahlungen von knapp 310.000 S für seine drei Kinder belastet. Davon könnten einkommensteuerrechtlich 50 % berücksichtigt werden. Die aus der Nichtabzugsfähigkeit des darüber hinausgehenden Betrages resultierende Steuermehrbelastung belaufe sich dann bei Anwendung eines Steuersatzes von 40 % auf rechnerisch 62.000 S (40 % von der Hälfte des Unterhaltsbetrages). Dem stünden Unterhaltsabsetzbeträge für drei Kinder von zusammen 18.900 S gegenüber. Der daraus resultierende Differenzbetrag von 43.100 S ergebe ca 14 % des Unterhaltsbetrages. In diesem Ausmaß müssten daher die Transferleistungen jedenfalls dem Vater auf seine Unterhaltspflichten angerechnet werden. Zudem sei auch der Kinderabsetzbetrag von 700 S monatlich je Kind zu berücksichtigen, weshalb die Unterhaltsleistungen insgesamt um zumindest 15 % zu kürzen seien. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich aus Anlass einer gegen einen Einkommensteuerbescheid gerichteten Beschwerde mit der dort behaupteten Verfassungswidrigkeit der §§ 20 Abs 1 Z 1, 33 Abs 4 Z 3 lit b und 34 Abs 7 Z 2 und 4 EStG 1988 zu befassen. Der Beschwerdeführer - ein unterhaltspflichtiger Vater - hatte geltend gemacht, die einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Berücksichtigung von Unterhaltslasten gegenüber den dem Haushalt des Geldunterhaltspflichtigen nicht zugehörigen Kindern erfüllten nicht jene Anforderungen, die der VfGH in seiner bisherigen Judikatur zur Familienbesteuerung aufgestellt habe. Als getrennt lebender Elternteil könne der Geldunterhaltspflichtige lediglich den bereits als ungenügend beurteilten Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen; er partizipiere jedoch wegen § 12a FLAG nicht an der - den Familienlastenausgleich bezweckenden - Familienbeihilfe und erhalte daher auch nicht die verfassungsrechtlich gebotene steuerrechtliche Entlastung.
Der VfGH teilte diese Bedenken nicht. Das von der Beschwerde aufgeworfene Problem reduziere sich auf die Frage, ob und gegebenenfalls wie der Gesetzgeber die bei gemeinsamer Haushaltsführung im Ergebnis eintretende Entlastung des einkommensbeziehenden Elternteils auch im Falle des Geldunterhalts sicherzustellen habe. Dabei sei zu beachten, dass die Funktion der Familienbeihilfe von Einkommenshöhe und Steuerprogression abhängig sei: Während sie in unteren Einkommensstufen als Förderung des Kindes wirke, diene sie bei höheren Einkommen zunehmend der notwendigen steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen. Der im Einzelfall nötige Ausgleich könne nicht im Steuerrecht und nicht im Zuge der Transferleistungen hergestellt werden. Die den konkreten Verhältnissen gerecht werdende, im gemeinsamen Haushalt sich praktisch erübrigende Zuordnung der Transferleistungen sei daher im Fall getrennter Haushaltsführung der Eltern eine Frage der Bemessung des anstelle des Naturalunterhalts zu leistenden Geldunterhalts. Wenn der Gesetzgeber die Transferleistungen auch bei getrennten Haushalten grundsätzlich dem das Kind betreuenden Elternteil zukommen lasse und in § 12a FLAG eine Anrechnung auf den Unterhalt verbiete, so müsse das im Lichte der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Entlastung so verstanden werden, dass die für das Kind zu verwendenden Transferleistungen zwar in der Regel (soweit als möglich) den Unterhalt des Kindes fördern und nicht den Unterhaltspflichtigen entlasten sollten, dass aber der im Einzelfall doch nötige Ausgleich für die überhöhte Steuerbelastung ebensowenig behindert werde wie im gemeinsamen Haushalt. Ziehe der Gesetzgeber nämlich die zunächst als bloße Förderung gedachten Transferleistungen angesichts der ihm durch die Verfassung auferlegten Schranken bei gehobenem Einkommen als Mittel zum verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung heran - wovon jedenfalls seit dem auf die einschlägigen Entscheidungen des VfGH folgenden Fassungen des Gesetzes auszugehen sei -, müsse der normative Gehalt des § 12a FLAG teleologisch auf jenen Bereich reduziert werden, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werden. Ob und in welchem Ausmaß bei gegebenen Einkommensverhältnissen und angesichts der durch die getrennte Haushaltsführung verwirklichten Risken und in Kauf genommenen Nachteile die Transferleistungen über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus zur Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigt werden müssten, hätten die Gerichte bei der Unterhaltsbemessung im Einzelfall zu entscheiden. Sie hätten dabei jenes Maß an Entlastung herbeizuführen, das - unter Außerachtlassung der die Belastung des Unterhaltspflichtigen erhöhenden Folgen der getrennten Haushaltsführung - den Kriterien entspreche, die von der Rechtsprechung des VfGH zur Unterhaltsleistung für haushaltszugehörige Kinder entwickelt worden seien. Nach diesen Kriterien müsse steuerlich (zumindest) die Hälfte des gesetzlich geschuldeten Unterhalts berücksichtigt werden. Gleiches gelte daher auch im Fall getrennter Haushaltsführung. Das verfassungskonforme Ergebnis werde dadurch erreicht, dass der Geldunterhaltspflichtige einerseits durch eine Kürzung seiner Unterhaltspflicht durch teilweise Anrechnung der Transferleistungen und andererseits durch die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages insgesamt jene Entlastung erfahre, die erforderlich sei, um die Steuermehrbelastung abzugelten, die im jeweiligen Fall durch die Nichtabzugsfähigkeit der Hälfte des Unterhalts entstehe. Zusammengefasst bedeutet dies, dass - nach Auffassung des VfGH - die für die Unterhaltsbemessung zuständigen Zivilgerichte im Wege einer teleologischen Reduktion des § 12a FLAG die dem haushaltsführenden Elternteil zukommende Familienbeihilfe in jenem Ausmaß auf die Unterhaltsleistung des geldunterhaltspflichtigen (und nicht haushaltszugehörigen) Elternteils anzurechnen haben, das erforderlich ist, um - zusammen mit dem Unterhaltsabsetzbetrag - die Hälfte des geschuldeten Unterhalts von der Einkommensteuer freizustellen. Im Ergebnis führt dies zu einer Reduktion der Unterhaltsverpflichtung, die sich nach den der Entscheidung des VfGH zugrunde liegenden Berechnungen bereits bei Unterhaltsverpflichtungen von 40.000 S jährlich und einem Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils von unter 200.000 S jährlich auswirkt, somit auch durchschnittliche Einkommen betrifft.
Rechtliche Beurteilung
Ob die aus verfassungsrechtlichen Gründen (Vermeidung einer Ungleichbehandlung der nicht haushaltszugehörigen Geldunterhaltspflichtigen) vorgeschlagene teleologische Reduktion des § 12a FLAG zulässig ist (eine Bindung der Zivilgerichte an die Auffassung des VfGH besteht nicht, siehe Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001 Heft 33 S 799 [S 806]; Barth, Ist die Familienbeihilfe bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen?, RZ 2001, 248 [250]), richtet sich nach den zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen (Bydlinski in Rummel ABGB3 § 6 Rz 21 mwN). Gemäß § 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967 idF BGBl I 1998/79 hat Anspruch auf Familienbeihilfe die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach Satz 1 anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 12a FLAG idgF gilt die Familienbeihilfe nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Familienbeihilfe ihrem Wesen nach Betreuungshilfe. Sie soll deshalb die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen. Sie ist als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: Den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und
gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten ("Familienlastenausgleich"; RZ 1992/69 uva, RIS-Justiz RS0058747 und RS0047582). Die Materialien zu § 12a FLAG idF BGBl 1977/646 machen deutlich, dass die Familienbeihilfe - im Unterschied zur Fassung des § 12a FLAG vor dieser Novelle - zur Gänze dem Haushalt zukommen soll, in dem das Kind betreut wird und nicht jene Person zu entlasten hat, die zwar dem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, deren Haushalt es aber nicht teilt (RV 636 BlgNR 14. GP, 11; zur historischen Entwicklung dieser Bestimmung siehe Barth, RZ 2001, 248). Die Familienbeihilfe gehört demnach nicht zu den den Unterhaltsanspruch nach § 140 Abs 3 ABGB (bzw den Bedarf des Kindes, siehe Stabentheiner in Rummel ABGB3 § 140 Rz 11) verringernden Einkünften (ÖA 1991, 78;
EvBl 1992/73; RIS-Justiz RS0047498; Schwimann Unterhaltsrecht2, 47;
Schwimann in Schwimann ABGB2 § 140 Rz 83; Purtscheller/Salzmann Unterhaltsbemessung Rz 229).
Der Oberste Gerichtshof meint, an dieser Auslegung in Anbetracht der klaren und eindeutigen Formulierung des § 12a FLAG im Zusammenhang mit der in den Gesetzesmaterialien (RV 636 BlgNR 14. GP, 11) zum Ausdruck kommenden Absicht des Gesetzgebers festhalten zu müssen. Nach der hier vertretenen Auffassung fehlen die Voraussetzungen für die vom Verfassungsgerichtshof angeregte ergänzende Rechtsfortbildung. Eine teleologische Reduktion des normativen Gehalts von § 12a FLAG auf jenen Bereich, in dem die Familienbeihilfe nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt wird, ist danach mit den zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen nicht im Einklang. Die teleologische Reduktion verschafft der "ratio legis" nicht gegen einen engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Die (verdeckte) Lücke besteht hier im Fehlen einer nach der "ratio legis" notwendigen Ausnahmeregel. Vorausgesetzt ist stets der Nachweis, dass eine abstrakt umschriebene Fallgruppe von den Grundwerten oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den "eigentlich gemeinten" Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (Bydlinski in Rummel ABGB3 § 7 Rz 7). Die teleologische Reduktion erfordert den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks, an dem sich die (den Gesetzeswortlaut letztlich) korrigierende Auslegung orientieren soll (F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 480; Koziol/Welser, BürgR I11, 31; SZ 67/119; SZ 69/181; RIS-Justiz RS0008979 und RS0106113).
Zweck der Neufassung des § 12a FLAG durch BGBl 1977/646 war es, die Familienbeihilfe ungeschmälert jenem Haushalt zukommen zu lassen, in dem das Kind betreut wird. Die Regierungsvorlage (RV 636 BlgNR 14. GP, 11) weist ausdrücklich darauf hin, dass in den Fällen, in denen ein Elternteil ein nicht zu seinem Haushalt gehöriges Kind alimentiert (für welches er auch nicht Familienbeihilfe bezieht), der nach der alten Rechtslage (vor BGBl 1977/646) bestehende Vorteil des Kinderabsetzbetrags für ihn verloren geht. Dieser Vorteil komme jedoch in Form der höheren Familienbeihilfe unmittelbar dem anderen Elternteil zu, in dessen Haushalt das Kind betreut werde und der die Last der Betreuung trage. Von diesem insoweit eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers ausgehend hat die ständige Rechtsprechung die Familienbeihilfe bisher stets ihrem Wesen nach als Betreuungshilfe beurteilt, die die Pflege und Erziehung des Kindes erleichtern und die mit seiner Betreuung verbundenen Mehrbelastungen ausgleichen soll.
Vom eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers wäre nur dann abzugehen, wenn dieser von bestimmten sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgegangen wäre, die sich seither geändert haben (Koziol/Welser I11, 25) oder sein Wille in Widerspruch zu den Absichten des gegenwärtigen Gesetzgebers stünde und diese Ausdruck im positiven Recht gefunden hätten (Barth, RZ 2001, 248 [252]). Beides ist hier nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht der Fall. Schon der Gesetzgeber des Jahres 1977 war sich der Situation getrennt lebender Elternteile bewusst und hat gerade in diesem Bewusstsein die Familienbeihilfe jenem Haushalt ungeschmälert zugeordnet, der die Last der Betreuung trägt.
Dass die Überlegungen des VfGH den Absichten des gegenwärtigen Gesetzgebers entsprächen und bereits Niederschlag im positiven Recht gefunden hätten, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu erkennen. Zorn (Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001 Heft 33, S 799) meint zwar im Anschluss an das Erkenntnis des VfGH B 1285/00, die Familienbeihilfe beinhalte sowohl eine Art sozialer Förderung bzw Betreuungshilfe, wolle aber darüber hinaus auch die Lasten des Geldunterhalts abgelten; dies ergebe sich aus dem Ansteigen der Familienbeihilfe mit steigendem Alter des Kindes, während sich die Betreuungslasten indirekt proportional verhielten. Spätestens seit der Erhöhung der Familienbeihilfe durch das Budgetbegleitgesetz 1998 könne nicht mehr bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber die Familienbeihilfe (zumindest soweit dies bei höherem Einkommen erforderlich sei) als Steuerrefundierung bzw Negativsteuer ansehe. Dieses Argument vermag den klaren Nachweis dafür, dass der Wille des gegenwärtigen Gesetzgebers den Überlegungen des VfGH entspricht, wonach die Familienbeihilfe bei Bemessung eines Geldunterhaltsanspruches nur dann nicht berücksichtigt werden sollte, wenn diese Transferleistung nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werde, schon deshalb nicht überzeugend zu erbringen, weil der Gesetzgeber auch anlässlich der Erhöhung dieser Transferleistung durch das Budgetbegleitgesetz 1998 § 12a FLAG nicht geändert hat. Damit ist aber auch der für die gewünschte Reduktion erforderliche "Telos" im dargestellten Sinn nicht zu erkennen. Vielmehr ist der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 1998 (wie Barth aaO zutreffend aufzeigt) zu entnehmen, dass auch der gegenwärtige Gesetzgeber die mangelnde Entlastung des haushaltsfremden, geldunterhaltspflichtigen Elternteils bewusst in Kauf nimmt (RV 1099 BlgNR 20. GP, 16): Bei getrennt lebenden Ehegatten (bzw Eltern) sei es - so die Regierungsvorlage - "Sache privater Lebensgestaltung", dass ein Elternteil außerhalb des Kindeshaushalts lebe. Der Gesetzesentwurf gehe davon aus, dass die durch ein Kind verursachten Unterhaltslasten auf das Kind bezogen durch die vorgesehenen gesetzlichen Änderungen adäquat abgegolten seien. Der Umstand, dass die zur Abgeltung der Unterhaltslasten ausreichend vorgesehenen Transferleistungen nur deshalb nicht wirken würden, weil ein Elternteil außerhalb des Kindeshaushaltes lebe, sei letztlich eine Folge der privaten Lebensgestaltung. Die fehlende (ausreichende) Abgeltung der Unterhaltslasten müsse daher als in der privaten Lebensgestaltung begründet steuerlich nicht anderweitig abgedeckt werden.
Die vom VfGH vorgeschlagene teleologische Reduktion des normativen Gehalts des § 12a FLAG auf jenen Bereich, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Mehrbelastung benötigt werden, ist aber und vor allem auch deshalb nicht vorzunehmen, weil die aus der Regelung des § 12a FLAG auszunehmende Fallgruppe die Mehrheit aller Geldunterhaltspflichtigen umfasst und damit nicht bloß "verdeckte" Ausnahmefälle betrifft, auf die eine sonst grundsätzlich anzuwendende Regelung ausnahmsweise nicht passt. Damit würde im Wege der angestrebten teleologischen Reduktion nicht eine fehlende Ausnahmevorschrift ersetzt, sondern der Bestimmung des § 12a FLAG ihr Hauptanwendungsbereich genommen. Nach den Berechnungen des VfGH wirkt sich die angestrebte Anrechnung der Transferzahlungen nämlich bereits bei Unterhaltsansprüchen von 40.000 S jährlich und einem (als durchschnittlich zu bewertenden) Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils von unter 200.000 S aus. Wollte man daher im Wege der teleologischen Reduktion des § 12a FLAG eine Anrechnung der Familienbeihilfe bei der Bemessung von Geldunterhaltsleistungen nicht haushaltszugehöriger Elternteile immer dann zulassen, wenn diese zum Ausgleich einer überhöhten Steuerbelastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils benötigt werden, würde nicht eine zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Zweck des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt (Koziol/Welser I11, 31; Bydlinski Methodenlehre2 480; SZ 67/119; SZ 69/181), sondern vielmehr eine Gesetzesänderung verwirklicht. Die Korrektur einer als unbefriedigend empfundener Regelungen des Gesetzes ist aber nach herrschender Auffassung nicht Sache der Rechtsprechung, sondern Aufgabe des Gesetzgebers (Posch in Schwimann ABGB2 § 6 Rz 22; SZ 67/62; zu den Grenzen teleologischer Auslegung vgl auch Walter, Die Funktion der Höchstinstanzen im Rechtsstaat Österreich, RZ 1999, 58 [64]). Die - wie der VfGH meint - verfassungskonforme Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion scheitert also daran, dass diese dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde, womit ein verfahrensrechtlich unhaltbarer Eingriff in die Kompetenz des Gesetzgebers verwirklicht würde (Säcker im Münchner Kommentar BGB4 Einleitung Rz 127 mwN).
Die fehlende Möglichkeit, § 12a FLAG im Sinn des VfGH nach zivilrechtlichen Grundsätzen teleologisch zu reduzieren, führt zur Auslegung dieser Bestimmung im Sinn des Verständnisses der bisher ständigen Rechtsprechung.
Bei Entscheidung über das Rechtsmittel des geldunterhaltspflichtigen Vaters hat der Oberste Gerichtshof § 12a FLAG anzuwenden. Gegen seine Anwendung bestehen nun - anders als in früheren Verfahren - aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken. Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 12a FLAG ab 1. 1. 1978 vertrat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 10 Ob 537/94 (= JBl 1995, 372) die Aufassung, der offenbare Zweck dieser Bestimmung (nicht den Geldunterhaltsschuldner, sondern den das Kind betreuenden Teil zu entlasten) zerstreuten die verfassungsrechtlichen Bedenken, die damals insoweit geäußert wurden, als die Familienbeihilfe - anders als andere Beihilfen - nicht als eigenes Einkommen des Minderjährigen zu einer Unterhaltsverminderung führte. Auch die Entscheidung 1 Ob 218/00s verneinte in ihrer Kurzbegründung verfassungsrechtliche Bedenken.
Im Anschluss an die zur Frage der steuerlichen Entlastung von Unterhaltszahlungen ergangene Entscheidung des VfGH B 1285/00 und die durch nicht unwesentliche Erhöhung der Familienbeihilfe erfolgte Besserstellung des betreuenden Elternteils entstehen schließlich doch Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung. Wie bereits dargestellt, kommt die Familienbeihilfe bei getrennten Haushalten zur Gänze dem das Kind betreuenden Elternteil zu, wobei - nach der hier vorgenommenen Auslegung - eine - auch nur teilweise - Anrechnung auf den Geldunterhaltsanspruch gegen den nicht haushaltszugehörigen anderen Elternteil zu unterbleiben hat. Damit verhindert § 12a FLAG die verfassungsrechtlich gebotene, vom Gesetzgeber angestrebte und durch die Familienbeihilfe als Transferleistung auch erzielbare steuerliche Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils. Er wird damit sowohl gegenüber Personen mit gleichem Einkommen aber ohne Geldunterhaltspflichten als auch gegenüber Unterhaltspflichtigen, deren Haushalt der Unterhaltsberechtigte angehört und gegenüber jenem Elternteil schlechter gestellt, in dessen Haushalt das Kind betreut wird (Art 7 Abs 1 B-VG). Die Ungleichbehandlung in Relation zum haushaltsführenden Elternteil liegt darin, dass die Transferleistungen, die der Gesetzgeber zur Erleichterung der Kinderlast vorgesehen hat (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag), nach den zitierten Bestimmungen des FLAG dem haushaltsführenden Elternteil allein zustehen, während der geldunterhaltspflichtige Vater nur den Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen kann, ohne dass ein Teil dieser Transferleistung angerechnet würde. Auch der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass des zur Prüfung von Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes eingeleiteten Verfahrens B 1285/00 Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 12a FLAG im Hinblick auf die schon früher geforderte steuerliche Entlastung von Geldunterhaltspflichten erkennen lassen. Er konnte § 12a FLAG jedoch nicht (auch nicht von Amts wegen) aufheben, weil dort ein Einkommensteuerbescheid bekämpft wurde, wofür § 12a FLAG nicht präjudiziell war (Zorn, S 807). Es wird nicht verkannt, dass der VfGH über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur ein einziges Mal zu entscheiden hat. Im Hinblick auf die Rechtskraft einer solchen Entscheidung ist im Fall der Abweisung eines Normenprüfantrags eine abermalige Befassung des VfGH daher nur dann zulässig, wenn Bedenken geltend gemacht werden, über die der VfGH in seinem Erkenntnis noch nicht befunden hat (Hiesel, Die Rechtsprechung des VfGH zur Zulässigkeit gerichtlicher Verordnungs- und Gesetzesprüfungsanträge, ÖJZ 1997, 841 [842] mwN aus der Jud des VfGH). Der VfGH hat in dem hier in Rede stehenden Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, jedoch weder über einen Antrag auf Prüfung des § 12a FLAG entschieden noch diese Bestimmung einer formellen amtswegigen Gesetzesprüfung unterzogen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs steht daher dieses Erkenntnis einer materiellen Entscheidung über den hier gestellten Gesetzesprüfungsantrag nicht entgegen.
Der Oberste Gerichtshof hat im Anlassfall jedoch einen Sachverhalt zu beurteilen, der im Kernbereich der angefochtenen Norm liegt und der wegen der Einkommensverhältnisse des Vaters und der Höhe der zuerkannten Unterhaltsbeträge von den Ausführungen des VfGH in dem Erkenntnis vom 27. 6. 2001 unmittelbar betroffen ist, und stellt daher den Antrag, § 12a FLAG als verfassungswidrig aufzuheben.
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