Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.063,80 EUR (darin enthalten 177,30 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Klubs der Freiheitlichen Abgeordneten zu diesem Landtag. Er war Landesparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ, Landesgruppe Wien). Die Beklagte war Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "p*****". In deren Ausgabe vom 23. 12. 2000 wurde unter der Überschrift "Durchgesikat" ein Artikel veröffentlicht, der sich mit der sogenannten "Spitzelaffäre" und deren Auswirkungen auf den damaligen Wahlkampf zur Wiener Gemeinderatswahl kritisch auseinandersetzte. Darin wurde unter anderem berichtet, dass "die bei der Hausdurchsuchung im blauen Rathausklub sichergestellten Computer-Festplatten neue Verdachtsmomente zutage förderten: So sollen FPÖ-Chef Hilmar K***** und dessen Landesparteisekretär Michael K***** allen Ernstes erwogen haben, das Büro des Bürgermeisters zu verwanzen. Und zwar mit Hilfe eines prominenten Wiener Privatdetektivs, der für seine Leistungen auch schon einen Preis veranschlagt hatte. K***** hatte die diesbezüglichen Gesprächsprotokolle auf dem Computer gespeichert...."
Die Vorwürfe, dass erwogen worden sei, das Büro des Bürgermeisters zu "verwanzen", waren unrichtig. Gegen den Kläger fanden zwar Vorerhebungen gemäß § 88 StPO im Zusammenhang mit der "Spitzelaffäre" statt, er stand insoweit aber nicht unter Verdacht. Zu einem Privatdetektiv hatte er nur insoweit Kontakt, als er einen solchen im November 2000 damit beauftragte, die Klubräumlichkeiten der FPÖ Wien im Rathaus auf illegale Abhörgeräte zu untersuchen. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. 3. 2001 wurde die beklagte Partei schuldig erkannt, durch die Veröffentlichung, wonach der Kläger erwogen haben soll, das Büro des Wiener Bürgermeisters zu "verwanzen" und diesbezügliche Gespräche geführt habe, den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt zu haben. Gemäß § 6 Abs 1 MedG wurde auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 33 Abs 2 MedG auf Einziehung der betreffenden Ausgabe des periodischen Druckwerks "p*****" und gemäß § 34 Abs 3 MedG auf Urteilsveröffentlichung mit folgendem Wortlaut erkannt:
"Im Namen der Republik: Durch die Veröffentlichung im periodischen Druckwerk 'p*****'..., wonach Mag. Hilmar K***** (der Kläger) erwogen haben soll, das Büro des Wiener Bürgermeisters zu "verwanzen" und diesbezügliche Gespräche geführt habe, wurde der objektive Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt. Die 'W*****' ***** Ges.m.b.H. (Beklagte) wurde zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt."
Das Urteil wurde in der periodischen Druckschrift "p*****" am 17. 12. 2001 veröffentlicht. Dessen Medieninhaberin ist seit 29. 3. 2001 nicht mehr die Beklagte, sondern die Verlagsgruppe N***** Gesellschaft mbH.
Mit seiner am 30. 1. 2001 eingebrachten Klage stellte der Kläger das Unterlassungsbegehren, die Beklagte sei schuldig, die Behauptung oder sinngemäße Behauptung und/oder deren Verbreitung zu unterlassen, der Kläger hätte erwogen, das Büro des Wiener Bürgermeisters Dr. Michael H***** zu "verwanzen", das heißt mit illegalen Abhörgeräten zu versehen, und zwar mit Hilfe eines prominenten Wiener Privatdetektivs, der für seine Leistungen auch schon einen Preis veranschlagt hatte. Weiters beantragte er die Verpflichtung der beklagten Partei zum Widerruf dieser Behauptungen gegenüber den Lesern der Zeitschrift "p*****" und zur Veröffentlichung des Widerrufs in dieser Zeitschrift. Die Behauptung sei ehrenrührig, weil dem Kläger, wenn auch in Vermutungsform, unterstellt werde, sich einer vorsätzlichen Straftat schuldig gemacht zu haben und erfülle die Tatbestände des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB. Die Beklagte habe die gebotene journalistische Sorgfalt nicht eingehalten, weil keine Rücksprache mit dem Kläger gehalten worden sei und die Anschuldigungen nicht überprüft worden seien.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Beklagte habe lediglich von zutreffenden Verdachtsmomenten, die von öffentlichem Interesse gewesen seien, berichtet. Da die Klägerin seit 27. 3. 2001 kein Medienunternehmen mehr betreibe, liege keine Wiederholungsgefahr vor. Das Begehren auf öffentlichen Widerruf sei nach der Urteilsveröffentlichung gemäß § 34 MedienG nicht mehr berechtigt, weil der Kläger dadurch schadlos gehalten und sein Widerrufsanspruch konsumiert sei. Das rufschädigende schlechte Bild des Klägers sei beseitigt worden, sodass ihm ein Rechtsschutzinteresse zur Durchsetzung seines Anspruchs auf öffentlichen Widerruf fehle.
Der Kläger schränkte zwar das Unterlassungsbegehren auf Kosten ein, hielt aber das Begehren auf Widerruf und dessen Veröffentlichung aufrecht. Die österreichische Rechtsordnung kenne verschiedene nebeneinander bestehende Instrumente, medialen Äußerungen öffentlich entgegenzutreten. Diese seien von verschiedenen Voraussetzungen abhängig und hätten inhaltlich unterschiedliche Bedeutungen. Die Widerrufsveröffentlichung solle für den Konsumenten klarstellen, dass der Äußernde selbst eine unrichtige Tatsachenbehauptung als unwahr zurücknehme, während in der Urteilsveröffentlichung der autoritative Anspruch eines Gerichtes, dass der Medieninhaber ein Medieninhaltsdelikt begangen habe, zum Ausdruck komme. Ob diesem Medieninhaltsdelikt die Verbreitung einer unwahren Behauptung zugrunde liege, gehe aus der Urteilsveröffentlichung nicht hervor. Es bleibe offen, ob der Wahrheitsbeweis nicht zulässig gewesen sei (§§ 112 StGB, 20 MedienG) oder ob der Medieninhaber den Wahrheitsbeweis gar nicht oder zumindest nicht kongruent angeboten habe. Der Widerruf sei hingegen eine Form der Naturalrestitution gemäß § 1323 ABGB. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im noch aufrechten Umfang statt. Es folgte im Wesentlichen der Argumentation des Klägers. Durch die Urteilsveröffentlichung nach § 34 MedienG werde der zivilrechtliche Widerrufsanspruch nach § 1330 Abs 2 ABGB nicht konsumiert. Der Widerruf stelle nämlich nach der Rechtsprechung einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadenersatzanspruch dar, der dazu diene, die über den Verletzten bei Dritten entstandene abträgliche Meinung zu beseitigen. Eine solche Veröffentlichung solle gegenüber der Öffentlichkeit klarstellen, dass der Äußernde selbst eine unrichtige Tatsachenbehauptung als unwahr zurücknehme, also nicht aufrecht erhalte. Demgegenüber beinhalte eine Urteilsveröffentlichung nach § 34 MedienG etwas substantiell anderes, nämlich den Ausspruch eines unabhängigen Gerichtes, dass ein bestimmter Medieninhaber ein einschlägiges Delikt begangen habe. Wie der Kläger richtig aufzeige, gehe daraus nicht zwingend hervor, ob dieses Medieninhaltsdelikt in der Verbreitung einer unwahren Behauptung bestehe, die zudem nicht aufrecht erhalten werde, oder ob es anderen Inhaltes sei.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes gebe die Bestimmung des § 1330 Abs 2 ABGB keinen eigenständigen Anspruch auf Rücknahme der unwahren Behauptung durch den Äußernden selbst. Denn ein Widerruf bloß dem Verletzten gegenüber könnte diesem nur eine persönliche Genugtuung geben. Ein solcher Anspruch stehe aber nach § 1330 Abs 2 ABGB nicht zu. Bei den nach dem ABGB zu beurteilenden rufschädigenden Tatsachenbehauptungen seien der Widerruf und dessen Veröffentlichung als Schadensgutmachung anzusehen, der Widerrufsanspruch also seinem Wesen nach ein Schadenersatzanspruch, mit dem die schon eingetretenen und noch anhaltenden Wirkungen der falschen Behauptung beseitigt werden sollten. Der Widerruf sei eine Schadensgutmachung durch "restitutio in integrum". Sein Ziel sei die Beseitigung der entstandenen abträglichen Meinung über den Verletzten. Bei der Urteilsveröffentlichung gemäß § 34 MedienG handle es sich um keinen Ausspruch über die Strafe, sondern um einen publizistischen Wiedergutmachungsanspruch des Betroffenen, der aber seiner Natur nach nichts anderes als ein Anspruch auf Veröffentlichung einer Entgegnung zivilrechtlicher Natur sei, wenn er auch in einem Strafverfahren durchgesetzt werde. Durch die Urteilsveröffentlichung seien die Leser der genannten Zeitschrift entgegen der Ansicht des Erstgerichtes davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die Beklagte unwahre Behauptungen veröffentlicht habe, weil ansonsten keine Verurteilung wegen übler Nachrede hätte erfolgen können. Werde dem Privatankläger eine strafrechtliche Urteilsveröffentlichung zugesprochen, sei der Zuspruch einer Urteilsveröffentlichung an denselben Berechtigten im Zivilverfahren nicht gerechtfertigt, sofern er von der ersten Berechtigung Gebrauch mache. Entscheidend sei hiebei, dass über den betreffenden Sachverhalt bereits eine Aufklärung der Öffentlichkeit erfolge. Auch nach den Gesetzesmaterialien (AB zu § 8a MedienG, 851 BlgNR 18. GP, 6) sollten Doppelentschädigungen und Doppelveröffentlichungen grundsätzlich nicht stattfinden. Davon sei in erster Linie der Anspruch auf öffentlichen Widerruf nach § 1330 Abs 2 ABGB betroffen, sofern eine durch ein periodisches Medium aufgestellte herabsetzende Tatsachenbehauptung zugleich eine Ehrenbeleidigung im Sinn des § 1330 Abs 1 ABGB sei, die gleichzeitig auch den Tatbestand des § 6 MedienG erfülle. Auch im Wettbewerbsrecht bestehe nach der Rechtsprechung kein Anspruch auf Veröffentlichung zweier fast gleichlautender Verpflichtungen (Unterlassung und Widerruf derselben Äußerung im selben Medium), weil kein Aufklärungsbedürfnis bestehe. Beide Veröffentlichungsformen dienten demselben Zweck, nämlich der Beseitigung der nachteiligen Meinung über den Kläger in der Öffentlichkeit. Durch die erfolgte Urteilsveröffentlichung in der Zeitschrift sei hier dieser Zweck bereits erreicht. Ein darüber hinausgehendes Aufklärungsbedürfnis bestehe nicht. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweiche.
Die Revision des Klägers ist entgegen diesem Ausspruch zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliegt, ob die Urteilsveröffentlichung nach § 34 MedienG bei einer kreditschädigenden Tatsachenbehauptung, die zugleich eine Ehrenbeleidigung ist (§ 6 MedienG), den Anspruch auf Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs nach § 1330 Abs 2 ABGB ausschließt. Sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat den Widerrufsanspruch nach § 1330 Abs 2 ABGB in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als Schadenersatzanspruch mit dem Ziel der Wiederherstellung des vorigen Zustandes durch Beseitigung des rufschädigenden schlechten Bildes über den Verletzten qualifiziert (SZ 70/267; RIS-Justiz RS0107663), der ein Fortwirken der abträglichen Meinung über den Verletzten voraussetzt (6 Ob 211/97s; 6 Ob 328/00d). Der Widerrufsanspruch ist kein Strafanspruch (6 Ob 50/01y). Er dient auch nicht dazu, dem Verletzten eine persönliche Genugtuung zu verschaffen, wie sich daraus ergibt, dass ein Widerruf bloß dem Verletzten gegenüber nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0031915). Mit der Veröffentlichung des Widerrufs soll der Öffentlichkeit dokumentiert werden, dass die gesetzte Handlung eine Unrechtshandlung war (Ciresa, Handbuch der Urteilsveröffentlichung² Rz 95 mwN). Nach herrschender Ansicht ist auch die Urteilsveröffentlichung nach § 34 MedienG keine Strafe (Ciresa aaO Rz 420 mwN; OLG Wien MR 1988, 47). Sie soll vielmehr sicherstellen, dass der Medienkonsument mit jenem Veröffentlichungswert, mit dem seinerzeit ein Medieninhaltsdelikt publiziert wurde, davon Kenntnis erhält, dass diese Veröffentlichung aufgrund der Ergebnisse eines gerichtlichen Verfahrens zumindest objektiv strafrechtswidrigen Inhalt hatte und dass sich der Verletzte mit Erfolg dagegen zur Wehr gesetzt hat. Die Urteilsveröffentlichung ist, wie schon das Berufungsgericht dargelegt hat, primär eine Maßnahme der publizistischen Wiedergutmachung (Brandstetter/Schmid, MedienG² § 34 Rz 1; Hager/Zöchbauer, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht4, 38) und dient dem Schutz vor dem Fortwirken des Delikts in der öffentlichen Meinung (Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz § 34 Rz 1). Dementsprechend kann auf Urteilsveröffentlichung nur auf Antrag und nicht von Amts wegen erkannt werden und es darf, wenn der Verletzte selbst nicht Antragsteller ist, die Urteilsveröffentlichung nur mit seiner Zustimmung angeordnet werden (§ 34 Abs 2 MedienG). Seit Inkrafttreten des Mediengesetzes ist das Strafrecht nicht mehr das primäre Mittel zur Durchsetzung des Persönlichkeitsschutzes. Im Vordergrund steht, dass der Verletzte - unabhängig von einem strafgerichtlichen Verfahren (vgl § 8a MedienG) - die Möglichkeit haben soll, im Wege der Veröffentlichung des Urteils dem Mediumpublikum mitzuteilen, dass er sich - sei es durch die Einleitung gerichtlicher Schritte, sei es durch seine Zustimmung zur Urteilsveröffentlichung, gegen die Medienveröffentlichung zu Wehr setzt (vgl Hager/Zöchbauer aaO 66). Die Urteilsveröffentlichung soll die schon eingetretenen nachteiligen Folgen des Medieninhaltsdelikts beseitigen.
Diese Gegenüberstellung des Zweckes und der Wirkungen eines öffentlichen Widerrufs einerseits und einer Urteilsveröffentlichung andererseits führt zur Billigung der Entscheidung des Berufungsgerichtes: Das Rechtsschutzinteresse am öffentlichen Widerruf einer in einem Medium veröffentlichen ehrenbeleidigenden Äußerung, die zugleich kreditschädigend ist, fällt mit der Veröffentlichung eines wegen derselben Äußerung gefällten Urteils nach § 34 MedienG weg.
Dies ergibt sich aus dem allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsatz, dass der Geschädigte nach dem Prinzip der Herstellung in der Natur (Zurückversetzung in den vorigen Stand) so zu stellen ist, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde (§ 1323 ABGB). Der Geschädigte kann sich nichts anderes wünschen als den Zustand ohne das schädigende Ereignis (Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts II12 302).
Beide Veröffentlichungen - sowohl die in einem strafgerichtlichen Erkenntnis wegen eines Ehrenbeleidigungsdeliktes angeordnete als auch die des Widerrufs der kreditschädigenden und zugleich ehrenbeleidigenden Behauptung - dienen (jedenfalls primär) dem Ziel der Wiedergutmachung (hinsichtlich des verletzten Rufes des Betroffenen) im weit zu verstehenden Sinn des § 1323 ABGB. Sollen beide Veröffentlichungen im selben Medium erfolgen und damit an denselben Adressatenkreis gerichtet sein und haben sie jeweils gleiche oder zumindest sinngemäß gleiche ehrenrührige Behauptungen zum Inhalt, wird mit beiden Veröffentlichungsansprüchen dasselbe Ziel, nämlich bestmögliche Schadensgutmachung, angestrebt. Dieses wird mit der Urteilsveröffentlichung erreicht. Die Beeinträchtigung wirkt damit im Ergebnis nicht mehr fort. Ein Rechtsschutzinteresse des Betroffenen, dass demselben Adressatenkreis gegenüber dann nochmals die Unrichtigkeit einer ehrenbeleidigenden und kreditschädigenden Äußerung kundgetan wird, ist nicht anzuerkennen. Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Verhältnis der Ansprüche auf öffentlichen Widerruf und Urteilsveröffentlichung im Wettbewerbsrecht, das in mancherlei Hinsicht mit dem Ehrenschutz vergleichbar ist (6 Ob 328/00d). Demnach kann neben der Verpflichtung zur Veröffentlichung des Widerrufs nicht auch noch auf Veröffentlichung des Urteiles erkannt werden (SZ 25/201). Eine Konkurrenz der Ansprüche auf Veröffentlichung des Widerrufs nach § 7 Abs 1 UWG und auf Urteilsveröffentlichung nach § 25 Abs 3 UWG wurde zwar dann bejaht, wenn die beanstandete Behauptung über ihre eigentlichen Adressaten hinaus noch einem weiteren, unbestimmten Personenkreis zur Kenntnis gekommen ist. Diese Rechtsprechung betraf nur Fälle, in denen der Widerruf nicht öffentlich, sondern gegenüber bestimmten Personen als den "eigentlichen Adressaten" der beanstandeten Äußerung angeordnet wurde und ein öffentlicher Widerruf nicht in Betracht kam, die beanstandete Behauptung aber auch noch anderen Personenkreisen zur Kenntnis gekommen war. Die Verurteilung des Beklagten zum öffentlichen Widerruf einer herabsetzenden Tatsachenbehauptung und die Ermächtigung des Klägers zur Veröffentlichung des über dieselbe Tatsachenbehauptung ergangenen, zur Unterlassung verpflichtenden Urteils in demselben Medium wird aber als nicht zulässig angesehen, weil für die Veröffentlichung zweier fast gleichlautender Verpflichtungen (Unterlassung und Widerruf derselben Äußerung) kein Aufklärungsbedürfnis besteht (4 Ob 336/87; 4 Ob 135/90; 4 Ob 73/94 je mwN; vgl RIS-Justiz RS0078824; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 87). Auch nach der deutschen Rechtsprechung deckt sich die Veröffentlichung eines Unterlassungsgebotes (bezüglich einer wettbewerbswidrigen, einen Angriff auf Ruf und Ehre darstellenden Behauptung) nach ihrem Sinn und Zweck weitgehend mit einem (adressatengleichen) Widerruf, sodass der Zweck der Störungsbeseitigung grundsätzlich bereits durch die Zuerkennung des Bekanntmachungsanspruches erreicht wird (BGH GRUR 1992, 527).
Diese Entscheidungen beziehen sich zwar auf den umgekehrten Fall, nämlich dass bei Zuerkennung eines Anspruches auf öffentlichen Widerruf nicht noch ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung wegen derselben Äußerung im selben Medium einzuräumen ist. Sie sind aber spiegelbildlich auf den Fall übertragbar, dass bereits durch eine Urteilsveröffentlichung mit sinngemäß gleichem Inhalt gegenüber demselben Adressatenkreis, demgegenüber widerrufen werden soll, klargestellt wurde, dass die strittigen Behauptungen zu Unrecht erhoben wurden. Entscheidend ist nämlich, dass die Öffentlichkeit bereits über den entsprechenden Sachverhalt aufgeklärt wurde. Deshalb wurde etwa auch einem Kläger, dem bereits als Privatankläger eine strafgerichtliche Urteilsveröffentlichung zuerkannt wurde, der Zuspruch einer Urteilsveröffentlichung im Zivilverfahren verwehrt, sofern er von der ersten Berechtigung Gebrauch gemacht hatte (ÖBl 1957, 25 = JBl 1957, 417; Ciresa aaO Rz 243 mwN).
Ein solches Gebot zur Vermeidung einer Doppelveröffentlichung lässt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetzestext des Mediengesetzes ableiten. Ein Rechtssatz, der im Gesetz nicht angedeutet ist und nur in den Materialien steht, kann nach ständiger Rechtsprechung nicht durch Auslegung Geltung erlangen (RIS-Justiz RS0008799). Die Feststellung des Willens des geschichtlichen Gesetzgebers anhand der Gesetzesmaterialien bedarf jedenfalls besonderer Vorsicht, weil diese mit dem wahren Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmen müssen (RIS-Justiz RS0008776). Der im Bericht des Justizausschusses zur Mediengesetz-Novelle 1992 (851 BlgNR 18. GP 6) enthaltene Passus, dass eine im Medienverfahren erwirkte Urteilsveröffentlichung "bei der Beurteilung" zu berücksichtigen sein werde, "ob darüber hinaus an einer Urteilsveröffentlichung oder an einem Widerruf nach anderen Rechtsvorschriften noch ein Rechtsschutzinteresse besteht" und dass "Doppelveröffentlichungen grundsätzlich nicht stattfinden" sollen sowie der in diesem Sinn verfasste Brief des Justizausschussobmanns vom 7. 12. 1992, wonach durch die Aufnahme dieser Ausführungen in den Ausschussbericht "doppelte Veröffentlichungen (Urteil und Widerruf)" ausgeschlossen werden sollten (zitiert in Swoboda, Das Recht der Presse² 308 f), stellen daher für sich allein noch keine geeignete Auslegungshilfe dar. Die dort vertretene Ansicht lässt sich allerdings, wie aufgezeigt wurde, aus der gemeinsamen Zielsetzung der beiden auf unterschiedlichen Normen beruhenden Veröffentlichungsansprüche, der Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis des Verletzten und der bisherigen Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Problemkreis ableiten. Den zitierten Ausführungen der Gesetzesmaterialien wurde im Schrifttum nicht widersprochen (Swoboda aaO 193; Ciresa aaO Rz 426, 427).
Das Argument des Klägers, dass die Veröffentlichung des Widerrufs von größerem Gewicht sei, weil gegenüber den Medienkonsumenten klar gestellt werde, dass der Äußernde selbst eine unrichtige Tatsachenbehauptung als unwahr zurücknehme, während in der Urteilsveröffentlichung (bloß) die autoritative Feststellung zum Ausdruck komme, dass der Medieninhaber ein Medieninhaltsdelikt begangen habe, ist nicht überzeugend: Die Veröffentlichung eines Widerrufs besagt keineswegs, dass der Widerrufende nun von der Unrichtigkeit seiner Behauptung überzeugt ist oder gar, dass er reumütig sein Fehlverhalten einbekennt und um die Wiederherstellung des guten Rufes des Verletzten bemüht ist. Es handelt sich vielmehr um eine gerichtlich aufgetragene und angeordnete (erzwingbare) Erklärung, die vom hiezu verurteilten Beklagten abgegeben werden muss, selbst wenn er nach wie vor subjektiv der Ansicht ist, zu dieser Äußerung berechtigt (gewesen) zu sein. Der Widerruf erfolgt zwar in der Form einer Erklärung des Verpflichteten, er beruht aber auf einer gerichtlichen Verurteilung zur Abgabe dieser Erklärung (vgl SZ 25/201). Ebensowenig ist der Ansicht des Klägers beizupflichten, dass der öffentliche Widerruf für den Verletzten deshalb bedeutsamer sei, weil die Urteilsveröffentlichung nach § 34 MedienG offenlasse, ob die ehrenrührige Behauptung unwahr sei. Der Wahrheitsbeweis steht dem Täter bei der üblen Nachrede genauso offen (§ 112 StGB; §§ 6 Abs 2 Z 2 lit a, 8 Abs 3 MedienG) wie bei der ehrenbeleidigenden und zugleich kreditschädigenden Äußerung, der in diesem Fall dem Täter und nicht dem Verletzten obliegt (RS0031798). Auch eine Veröffentlichung des Widerrufs einer ehrenrührigen und kreditschädigenden Äußerung besagt noch nicht, dass ihre Unwahrheit im Verfahren erwiesen wurde, sondern lässt offen, ob der zum Widerruf Verpflichtete den Wahrheitsbeweis überhaupt angetreten hat und ob er ihm gelungen ist.
Im vorliegenden Fall entsprechen der wegen übler Nachrede verurteilende Spruch und die Veröffentlichung dieses Spruches in ihrem wesentlichen Inhalt dem im vorliegenden Verfahren erhobenen Widerrufsbegehren. Dieses geht zwar über das Straferkenntnis insoweit hinaus, als auch der Hinweis widerrufen werden soll, dass das Vorhaben, das Büro des Wiener Bürgermeisters zu "verwanzen", mit Hilfe eines Privatdetektivs erfolgen hätte sollen. Die Behauptung, jemand beabsichtige, einen Privatdetektiv beizuziehen, ist aber für sich allein nicht ehrenrührig. Sie bekommt nur im Zusammenhang mit dem behaupteten illegalen Vorhaben, das Gegenstand des Strafurteiles war, Bedeutung. Dem Wiederherstellungsinteresse des Klägers ist bereits dadurch entsprochen, dass durch die Veröffentlichung des Strafurteils der Behauptung über die geplante "Verwanzung" und über diesbezüglich bereits geführte Gespräche des Klägers entgegengetreten wurde.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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