OGH 6Ob243/10v

OGH6Ob243/10v17.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei D***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Michael Krüger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 37.240 EUR sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 27. Oktober 2010, GZ 6 R 212/10d-16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Zwar können auch bloße Verdächtigungen unter § 1330 Abs 2 ABGB fallen (RIS-Justiz RS0031753). Vor dem Hintergrund der Medienfreiheit fällt die Interessenabwägung allerdings regelmäßig schon dann zugunsten der Berichterstattung aus, wenn nicht überwiegende Gründe deutlich dagegen sprechen, ist doch die Einschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit andernfalls nicht iSd Art 10 Abs 2 MRK ausreichend konkretisiert (6 Ob 244/02d; 6 Ob 248/08a). Die Beurteilung ist jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig (6 Ob 100/02b) und bildet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage.

1.2. Auch die Frage, ob bei einem Zitat eine Identifikation des Verbreiters mit dem Inhalt des Zitats stattfand, ist stets eine Frage des Einzelfalls und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0111733).

1.3. In der Auffassung der Vorinstanzen, in der inkriminierten Äußerung sei keine Identifizierung der beklagten Partei mit dem Inhalt des mitgeteilten Vorwurfs zu erblicken, liegt keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Vielmehr hat die beklagte Partei den Anzeigevorwurf, die klagende Partei habe einen Schwarz-Vertrieb von Küchen organisiert, selbst als „ungeheuerlichen Vorwurf“ bezeichnet und darauf hingewiesen, dass dieser von der klagenden Partei stets vehement bestritten wurde. Zudem liegt auch ein öffentliches Interesse vor, über derartige Vorwürfe gegen einen der größten Küchenhersteller in Österreich informiert zu werden, zumal die Vorgänge rund um diesen Vorwurf sogar Inhalt politischer Debatten wurden.

2. Im zweiten Teil ihres Begehrens wendet sich die klagende Partei gegen die Äußerung, dass eine gegen sie eingebrachte Strafanzeige nicht verfolgt worden sei, obwohl die Anzeige inhaltlich geprüft und als unzutreffend erkannt worden sei, weil keinerlei Schwarzgeschäfte festgestellt werden konnten. Insoweit enthält der Artikel allerdings überwiegend Vorwürfe zu einem korrupten Zusammenwirken zwischen Justiz, Steuerbehörden und der Klägerin. Anlass für den inkriminierten Artikel war nicht die in der inkriminierten Äußerung angesprochene seinerzeitige Anzeige wegen Steuerhinterziehung, sondern - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - eine aktuelle Strafanzeige gegen die Geschäftsführerin der klagenden Partei an die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die bereits am Tag des Einlangens der Anzeige erfolgte Einstellung des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war Auslöser für den Artikel. Der Artikel orientiert sich an diesem Faktum und bewertet es kritisch. Die inkriminierten Ausführungen des Artikels betreffen demgegenüber evidentermaßen eine weitere („parallele“) Anzeige. Insoweit beschränkt sich die inkriminierte Äußerung aber auf die Mitteilung, dass auch die frühere Anzeige nicht weiter verfolgt wurde. Im Hinblick auf den hohen Stellenwert der Meinungs- und Pressefreiheit und das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit sowie von Mitbewerbern und Vertragspartnern der klagenden Partei im Besonderen ist die Einschätzung der Vorinstanzen, die in der inkriminierten Formulierung eine zulässige Berichterstattung erblickten, nicht zu beanstanden, zumal der Artikel durch den Hinweis auf die kolportierte rasche Zahlung der Steuerschulden die Möglichkeit einer gesetzeskonformen Einstellung des Verfahrens offen lässt.

3. Zusammenfassend bringt die Revisionsrekurswerberin daher keine Rechtsfragen der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

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