OGH 6Ob248/08a

OGH6Ob248/08a15.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald S*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr ua Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei „Ö*****"-Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Kurt Berger ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen 5.000 EUR sowie Unterlassung (Streitwert 21.620 EUR), Widerrufs (Streitwert 1.000 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), Gesamtstreitwert 28.620 EUR (Revisionsstreitwert 27.620 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. September 2008, GZ 4 R 106/08z-15, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 17. März 2008, GZ 19 Cg 132/07v-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.234,40 EUR (darin 372,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.565,88 EUR (darin 232,98 EUR USt und 1.168 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Unteroffizier des österreichischen Bundesheeres. Gegen ihn wurde - nachdem er am 11. 6. 2007 in Untersuchungshaft genommen worden war - am 14. 6. 2007 die Voruntersuchung wegen §§ 256, 319 StGB eingeleitet.

Die Beklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung „Ö*****". Sie veröffentlichte am 14., 17. und 21. 6. 2007 mehrere Berichte über die Angelegenheit. Am 14. 6. 2007 erschien auf der Titelseite die Überschrift „Er wollte geheime Hubschrauber-Infos, Russen-Spion mitten im Heer" mit dem Beginn eines Berichts, der im Blattinneren auf Seite 14 fortgesetzt wurde. Demnach solle ein Unteroffizier in Hörsching mit den Russen zusammengearbeitet haben. Der Artikel spricht von einer „Spionage-Affäre". Ein Unteroffizier (die persönliche Betroffenheit des Klägers ist im Hinblick auf die Nennung identifizierender Details nicht strittig) solle seine guten Kontakte nach Deutschland gewinnbringend verkauft haben. Er habe dem russischen Spion gegen eine hohe Summe Bargeld die richtigen Leute vorgestellt. Der Kläger sei selbst zum Spitzel geworden, indem er sich höchst geheime Elektronik-Baupläne eines deutschen Hubschrauber-Fabrikats besorgt und die Unterlagen wenig später an den Russen weiter verschachert haben solle.

Auf Intervention der betroffenen Firma habe „das Bundesgericht" (richtig: der Bundesgerichtshof) in Karlsruhe einen europäischen Haftbefehl für den Vizeleutnant und seinen russischen Komplizen ausgeschrieben. In der Folge wurde über die Verhaftung des Klägers berichtet und ausgeführt, dazu heiße es aus dem Verteidigungsministerium, die Verdachtsmomente seien „schwerwiegend". Der Kläger sei vorläufig vom Dienst enthoben, außerdem erwarte ihn ein Disziplinarverfahren. Die Delikte lauteten „staatsfeindliche Verbindung" (§ 256 StGB) bzw die Betreibung oder Unterstützung eines Nachrichtendienstes für einen fremden Staat (§ 319 StGB).

In der Ausgabe vom 17. 6. 2007 erschien ein weiterer Bericht, wobei in der Textausgabe innerhalb des Umschlagblattes auf der Titelseite die Überschrift „Russen-Spion wird jetzt zur Staatsaffäre, wollte geheime Hubschrauber-Infos" und auf Seite 7 ein Artikel mit der Überschrift „Russen-Spion als Staatsaffäre" erschien. Darin war von einem „Spionage-Krimi" um den verhafteten Russen die Rede. Außerdem wurde darin der Vorwurf wiederholt, der verhaftete russische Spion solle von einem 50-jährigen Bundesheer-Offizier streng geheime Daten über die Elektronik des deutsch-französischen EADS-Kampfhubschraubers Eurocopter Tiger gekauft und dafür 20.000 EUR bezahlt haben.

In der Ausgabe vom 21. 6. 2007 lautete die Überschrift „Agent ist jetzt 'Diplomat': Russen-Spion geht frei. Sein Komplize kaufte Autos um 400.000 EUR". Im Blattinneren wurde auf Seite 12 über die Enthaftung des russischen Staatsangehörigen berichtet. Im Zuge dieses Berichts findet sich auch folgende Textpassage: „Das vorläufige Ende eines Spionage-Krimis sondergleichen gipfelt also in der Freilassung jenes Mannes, der von einem oberösterreichischen Vizeleutnant brisante Militär-Unterlagen gekauft haben soll. Während sein Komplize in U-Haft bleibt, scheinen für Vladimir W***** andere Gesetze zu gelten. ..."

Darunter befindet sich unter dem Titel „Unteroffizier hatte zwei Lamborghinis" und der Subunterschrift „Knalleffekt 2: Woher hatte der mutmaßliche Informant des Russen so viel Geld?" folgender Artikel:

„Wie kann sich ein Unteroffizier des Bundesheeres zwei 200.000-Euro-Sportautos leisten? Indem er für die Russen spionierte?

Wien. Faktum ist: Harald S., Vizeleutnant am Fliegerhorst Hörsching, wurde vergangene Woche in Oberösterreich verhaftet. Wenige Stunden später am 11. Juni klickten auch für den Russen Wladimir W***** die Handschellen. Der Verdacht: Der Unteroffizier (für den die Unschuldsvermutung gilt) soll für den Russen Hubschrauberpläne des deutsch-französischen-Rüstungskonzern EADS ausspioniert und gegen hohe Bargeldsummen Euro verkauft haben. Dabei ging es um den Panzerabwehr-Helikopter 'Tiger' - Ö***** berichtete.

Diablo. Jetzt wurde darüber hinaus bekannt, dass der Vizeleutnant immer wieder mit seinen guten Russen-Kontakten geprahlt hatte. So auch gegenüber Tuning-Händler Conrad G***** aus W*****, wo sich der 50-Jährige aus L***** (OÖ) seine beiden Diablo-Lamborghinis - die er mittlerweile nicht mehr besitzen soll - um teures Geld tunen ließ. Dabei soll der Unteroffizier gerne das „Unter"- weggelassen haben und wie ein General aufgetreten sein. Im Rahmen des Strafprozesses dürfte die Frage, wie sich ein Vizeleutnant zwei Sportautos leisten kann, von zentraler Bedeutung sein.

Motoren. Kennengelernt haben sich der Russe und der Oberösterreicher übrigens über die Leidenschaft des Berufssoldaten für schnelle Autos. Demnach soll der Vizeleutnant von W***** Motoren gekauft haben."

Der Bericht ist unterlegt mit einem Lichtbild, das „Tuning-Legende" Conrad G***** mit einem getunten Lamborghini sitzend zeigt und unter welchem sich folgender Bildbegleittext befindet: „Tuning-Legende Conrad G***** aus W***** mit einem Lamborghini 'Diablo'. Genau zwei solche rasanten Luxus-Sportwägen hatte auch der Vizeleutnant."

Der Kläger begehrte die Unterlassung der Behauptung, er habe für die Russen spioniert, hilfsweise die Unterlassung der Behauptung, er sei der mutmaßliche Informant des Russen und habe deshalb so viel Geld, bzw die Unterlassung der Behauptung, der Kläger habe für den Russen Hubschrauberpläne des deutsch-französischen Rüstungskonzerns EADS ausspioniert und gegen hohe Bargeldsummen Euro verkauft bzw er sei Komplize eines „Russen-Spions" bzw habe diesem brisante Militärunterlagen verkauft bzw solle als Unteroffizier gerne das „Unter-" weggelassen haben und wie ein General aufgetreten sein. Weiters begehrte er Widerruf und Veröffentlichung sowie Schadenersatz von 5.000 EUR.

Die der Voruntersuchung zugrunde liegenden Vorwürfe seien unrichtig; er habe sich vor dem Untersuchungsrichter für nicht schuldig bekannt. In der Voruntersuchung sei ihm lediglich vorgeworfen worden, er habe einer fremden Macht rechtswidrig „Manuals" weitergegeben; gemeint seien damit Betriebsanleitungen für Hubschrauber, welche er nie an das Ausland geliefert habe. Die inkriminierten Vorwürfe, strafrechtliche Tatbestände verwirklicht zu haben, seien ehrenbeleidigend und kreditschädigend. Auch sei ihm ideeller und wirtschaftlicher Schaden in Höhe von 4.000 EUR entstanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das gegen den Kläger geführte Strafverfahren wegen § 256 StGB (geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs) sowie nach § 319 StGB (militärischer Nachrichtendienst für einen fremden Staat) rechtfertige im allgemeinen Sprachgebrauch die Bezeichnung als „Spion".

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil ab, verpflichtete die beklagte Partei zur Unterlassung der Behauptung, der Kläger habe „für die Russen spioniert", gab dem Veröffentlichungsbegehren statt und erkannte die beklagte Partei für dem Grunde nach schuldig, Schadenersatz in Höhe von 4.000 EUR sA zu bezahlen. Hingegen wurde die Abweisung des Zahlungsbegehrens in Ansehung von 1.000 EUR sA bestätigt.

Die Beklagte habe zwar im Fließtext einen Klammerausdruck dahin aufgenommen, dass für den Kläger die Unschuldsvermutung gelte. Auch führe sie im Artikel vom 14. 6. 2007 jene Delikte an, deretwegen über den Kläger die Untersuchungshaft verhängt wurde. Im Übrigen fehle es aber schon an jeder konkreten Bezugnahme, welches Verhalten des Klägers Gegenstand der strafgerichtlichen Ermittlungen war, sodass schon kein Anhaltspunkt dafür bestehe, die Beklagte habe aus dem Behördenakt lediglich wertfrei zitiert. Vielmehr habe die Beklagte in reißerischer Aufmachung einen Zusammenhang zwischen zwei Sportwagen des Klägers und seiner behaupteten Spionagetätigkeit konstruiert, ohne auch nur ansatzweise Recherchen dahin darzulegen, inwiefern er die Mittel hiefür aus anderen Quellen - wie etwa aus seiner Nebentätigkeit im Zusammenhang mit dem Verkauf von Protax-Motoren - bezogen haben könnte. Von einer wertneutralen Wiedergabe des Gegenstands der gerichtlichen Voruntersuchung könne dabei keine Rede sein. Es liege auch eine eigenständige Behauptung der Beklagten selbst vor, wenn sie dem Kläger deshalb „selbst zum Spitzel" erklärte, indem er „höchstgeheime Elektronik-Baupläne besorgt und weiter verschachert" haben soll. Anhand des zu beurteilenden Sachverhalts bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Strafbehörden dem Kläger mehr als die Weitergabe von Manuals (Bedienungsanleitungen) vorgeworfen hätten. Wenn die Beklagte diesen Umstand durch eigenständige Verwendung der Worte „höchst geheime Elektronik-Baupläne" aufbausche und gleichermaßen eigenständig die Frage der Finanzierung der beiden Sportautos als Indizien von zentraler Bedeutung nenne, liege keine der Tatbestandsmäßigkeit nach § 1330 ABGB entgegenstehende bloß neutrale und richtige Wiedergabe des Inhalts strafbehördlicher Erklärungen mehr vor. Mangels weitergehender Behauptungen und Beweisanbote bestehe der Vorwurf nur in der Weitergabe von Betriebsanleitungen. Dies impliziere aber weder den ungleich schwerer wiegenden Vorwurf der Spionage im Zusammenhang mit „höchst geheimen Elektronik-Bauplänen" noch eine seitens der Strafverfolgungsbehörden angenommene besondere Verdachtslage im Zusammenhang mit der Anschaffung hochpreisiger Sportautos.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil die Anwendung der zitierten Leitlinien des Obersten Gerichtshofs und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte auf die konkreten Verhältnisse nicht von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

1. Wenngleich die Ansprüche nach dem Mediengesetz und nach § 1330 ABGB unterschiedlicher Rechtsnatur sind (RIS-Justiz RS0108866), sodass bei abweichender Beurteilung der beiden Ansprüche in zwei verschiedenen Verfahren vom Vorliegen einer divergierenden Judikatur, die grundsätzlich eine erhebliche Rechtsfrage begründen kann (RIS-Justiz RS0116241), keine Rede sein kann, bietet der vorliegende Fall doch die Gelegenheit, die (zivilrechtlichen) Grenzen der Zulässigkeit der Berichterstattung über anhängige Strafverfahren zu präzisieren.

Die Revision ist daher im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.

2.1. Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits mehrfach mit der Zulässigkeit der Berichterstattung über anhängige Strafverfahren zu befassen. In der Entscheidung 6 Ob 2071/96v hatte der Oberste Gerichtshof die Wiedergabe einer Anzeige eines Landesgendarmeriekommandos an die Staatsanwaltschaft über das sogenannte „Ebergassing-Attentat" durch einen Politiker zu beurteilen. In dieser Entscheidung sprach der Oberste Gerichtshof aus, bei der Interessenabwägung sei entscheidend, dass vom Beklagten teilweise nicht ein von einer Behörde tatsächlich geprüfter Tatverdacht weitergegeben worden sei, sondern nur ein noch nicht näher geprüfter weiterer Sachverhalt, der noch nicht zu konkreten behördlichen Verfolgungsschritten geführt habe. Bei gegenteiliger Auffassung müsse auch die Weitergabe privater und sogar anonymer Anzeigen als gerechtfertigt angesehen werden, was im Regelfall aber zu verneinen sei, weil sonst jede Rufschädigung unter dem Deckmantel, die Äußerung stamme von einem Dritten, ohne Sanktion bliebe. Ob und wann die Zitierung einer von einer Privatperson ausgesprochenen Verdächtigung gerechtfertigt sein könne, sei im Anlassfall nicht zu untersuchen, weil sich der Beklagte bei der Weitergabe fremder Äußerungen auf kriminalpolizeiliche Erkenntnisse, also auf einen behördlich geprüften Sachverhalt und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Vorwürfe, berufen habe.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kommt den Medien in einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle zu (vgl EGMR Scharsach und News Verlagsgesellschaft v. Austria, Nr. 39394/98, Rz 30). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in zahlreichen Entscheidungen betont, dass im Rahmen des Art 10 Abs 2 EMRK wenig Spielraum für Beschränkungen von politischen Aussagen oder einer Debatte über Fragen des öffentlichen Interesses bestehe (vgl etwa EGMR Pfeifer v. Austria, Nr. 12556/03).

2.3. Andererseits betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in ständiger Rechtsprechung, dass der Schutz des Privatlebens nach Art 8 EMRK auch die Reputation eines Menschen umfasse (vgl abermals EGMR Pfeifer v. Austria Rz 35 ff). Art 8 EMRK beinhalte auch positive Verpflichtungen des Staates. Dabei müsse zwischen den widerstreitenden Interessen des Einzelnen und der gesamten Gesellschaft abgewogen werden. Zusammenfassend gelangte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu der Auffassung, die Äußerung, jemand habe als Mitglied einer „Jagdgesellschaft" durch journalistische Äußerungen zum Selbstmord eines anderen beigetragen, überschreite die zulässigen Grenzen.

2.4. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 6 Ob 266/06w ausgesprochen hat, muss vor dem Hintergrund der Medienfreiheit die Interessenabwägung regelmäßig schon dann zugunsten der Berichterstattung ausfallen, wenn nicht überwiegende Gründe deutlich dagegen sprechen, ist doch die Einschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit andernfalls nicht im Sinne des Art 10 Abs 2 EMRK ausreichend konkretisiert. Es muss aber dem Handelnden ex ante erkennbar sein, ob seine Berichterstattung zulässig ist oder nicht. Die Furcht vor Inanspruchnahme aufgrund nicht ausreichend klar konturierter Persönlichkeitsrechte der Genannten könnte - im Sinne eines „chilling effect" (dazu Grabenwarter, EMRK3 § 23 Rz 37) - die unverzichtbare Rolle der Presse als „öffentlicher Wachhund" und ihre Fähigkeit, präzise und zuverlässige Informationen zu liefern, beeinträchtigen (Grabenwarter aaO Rz 39).

2.5. Im heiklen, weil die Persönlichkeitsinteressen der Betroffenen besonders tangierenden Bereich der Berichterstattung im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren hat der Gesetzgeber durch Einführung der (einfach gesetzlichen) Bestimmungen der §§ 7a ff MedienG eine Konkretisierung der grundrechtlichen Spannungslage zwischen Meinungsäußerungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz vorgenommen, deren Wertungen in erforderliche Abwägungen einzubringen sind (Aicher in Rummel, ABGB3 § 16 Rz 27; MR 1996, 32; ÖBl 1998, 88).

2.6. In diesem Sinne lässt auch § 7a Abs 1 MedienG die Veröffentlichung des Namens eines Verdächtigen oder eines Opfers einer Straftat dann zu, wenn wegen der Stellung der betreffenden Personen in der Öffentlichkeit, eines sonstigen Zusammenhangs mit dem öffentlichen Leben und aus anderen Gründen ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden hat.

2.7. In der jüngst ergangenen Entscheidung 6 Ob 256/08b hat sich der erkennende Senat eingehend mit der Zulässigkeit der Berichterstattung über eine anonyme Anzeige („Doping-Liste") befasst. In dieser Entscheidung hat der erkennende Senat in Anbetracht des Umstands, dass im inkriminierten Artikel nicht nur floskelhaft auf die Unschuldsvermutung hingewiesen wurde, sondern an mehreren Stellen betont wurde, dass es sich um noch nicht erwiesene Vorwürfe handle, dass die Anzeige anonym sei und mehrere weitere inhaltliche Elemente des Artikels den Vorwurf relativierten, eine insgesamt neutrale Berichterstattung über einen Verdacht und nicht eine unzulässige Identifikation mit dem in der Anzeige erhobenen Vorwürfen angenommen, weil die reißerische Überschrift des inkriminierten Artikels durch dessen Inhalt ausreichend deutlich relativiert werde.

3.1. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt an, so erweist sich das Klagebegehren überwiegend als nicht berechtigt:

3.2. Aus dem Gesamtzusammenhang der inkriminierten Artikel wird ausreichend deutlich, dass es sich um die bloße Wiedergabe einer damals bestehenden Verdachtslage handelt. Da für die Verhängung der Untersuchungshaft bereits nach dem Gesetzeswortlaut eine dringende Verdachtslage vorhanden sein muss, konnte die beklagte Partei diese Vorwürfe ohne weiteres auch als schwerwiegend und dringlich beschreiben. Durch die mehrfache Verwendung des Konjunktivs, durch den ausdrücklichen Hinweis auf die geltende Unschuldsvermutung und durch die Verwendung des Wortes „mutmaßlich" wurde jedoch in rechtskonformer Weise zum Ausdruck gebracht, dass die Schuld des Klägers noch nicht feststeht.

3.3. Im Hinblick auf die Funktion des Klägers im „öffentlichen Leben" war auch eine identifizierende Berichterstattung zulässig, obwohl es sich beim Kläger nicht um einen Angehörigen der ersten Führungsebene handelt (vgl Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz² § 7a Rz 24).

3.4. Die Berichterstattung über die vom Kläger seinerzeit besessenen zwei Lamborghinis bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Aufbringung der finanziellen Mittel zum Erwerb zweier derartiger Luxusfahrzeuge aufklärungsbedürftig sei. Damit wird aber nicht konkret unterstellt, der Kläger habe diese Fahrzeuge durch eine strafbare Handlung finanziert.

3.5. In Anbetracht des Umstands, dass der deutsche Bundesgerichtshof einen europäischen Haftbefehl erwirkte und über den Kläger in der Folge in Österreich auch die Untersuchungshaft verhängt wurde, ist auch die Einschätzung der beklagten Partei, es habe sich um „brisante Militär-Unterlagen" gehandelt, nicht zu beanstanden. Ob es sich dabei um Elektronikbauteile handelte, wie in einem Artikel behauptet wird, ist unerheblich, weil der Kläger in seinen Eventualbegehren nur die Unterlassung der Behauptung, er habe Hubschrauberpläne ausspioniert und verkauft, begehrt. Insoweit liegt aber jedenfalls keine im Sinne des § 1330 ABGB erhebliche Abweichung der Berichterstattung vom Gegenstand des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens vor. Im Übrigen übersieht der Kläger, dass gegen ihn nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland ein Strafverfahren geführt wurde, das - wie ausgeführt - in die Erlassung eines internationalen Haftbefehls durch den deutschen Bundesgerichtshof mündete.

3.6. Dass der Kläger als Unteroffizier das „Unter-" weggelassen habe und als Offizier aufgetreten sei, übersteigt ohne Darstellung einer konkreten Situation nicht das Ausmaß milden Spottes. Ein ernsthafter Eingriff in die Ehre des Beschwerdeführers im Sinne des § 1330 ABGB ist hiermit nicht verbunden.

3.7. Zusammenfassend handelt es sich daher trotz teilweise reißerischer Aufmachung, die das Interesse des Lesers wecken soll, im Kern um eine zutreffende Berichterstattung über die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der inkriminierten Artikel bestehende Verdachtslage, wobei auch ausreichend deutlich darauf hingewiesen wurde, dass es sich um ein schwebendes Verfahren handelt. Damit war aber das Urteil des Erstgerichts wieder herzustellen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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