European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00241.24W.0117.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Über die Gesellschaft und deren Geschäftsführerin wurde wegen unterlassener Einreichung des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2019 bis zum 31. 12. 2020 je eine Zwangsstrafe von 350 EUR verhängt.
[2] Mit Zwangsstrafverfügungen je vom 30. 3. 2023 verhängte das Erstgericht über die Gesellschaft und die Geschäftsführerin wegen unterlassener Einreichung des Jahresabschlusses der Gesellschaft zum 31. 12. 2019 bis zum 28. 2. 2021 eine Zwangsstrafe von jeweils 350 EUR für den Zeitraum von 1. 1. 2021 bis 28. 2. 2021. Nach Einsprüchen der Gesellschaft und der Geschäftsführerin verhängte das Erstgericht auch im ordentlichen Verfahren über die Gesellschaft und die Geschäftsführerin Zwangsstrafen von jeweils 350 EUR.
[3] Den dagegen erhobenen Rekursen der Gesellschaft und der Geschäftsführerin gab das Rekursgericht mit Beschluss vom 6. 3. 2024 keine Folge.
[4] Mit Eingabe vom 8. 4. 2024 beantragten die Gesellschaft und die Geschäftsführerin die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang zur Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den Beschluss des Rekursgerichts und „zur Erhebung eines Antrags auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs gemäß § 528 Abs 1 ZPO“. Diese Anträge wies das Erstgericht ab. Den dagegen erhobenen Rekursen gab das Rekursgericht mit Beschluss vom 13. 6. 2024 zu 4 R 94/24m nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist.
[5] In der Folge brachten die Gesellschaft und die Geschäftsführerin einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang zur Einbringung eines außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom 13. 6. 2024 (4 R 94/24m) ein. Diese Anträge wies das Erstgericht ab. Den dagegen erhobenen Rekursen gab das Rekursgericht mit Beschluss vom 30. 10. 2024 nicht Folge (4 R 174/24a).
Rechtliche Beurteilung
[6] Gegen den Beschluss vom 6. 3. 2024 richten sich die außerordentlichen Revisionsrekurse der Gesellschaft und der Geschäftsführerin.
[7] 1. Gemäß § 6 Abs 2 AußStrG iVm § 15 FBG müssen sich die Parteien im Revisionsrekursverfahren durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten lassen (6 Ob 63/07v). Nach § 65 Abs 3 Z 5 AußStrG bedarf der Revisionsrekurs der Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Notars. Auch wenn es einem Revisionsrekurs an diesem Formerfordernis mangelt, kann von der Durchführung eines Verbesserungsverfahrens gemäß § 10 Abs 4 AußStrG Abstand genommen werden, wenn ein jedenfalls unzulässiges Rechtsmittel vorliegt (RS0005946). Das ist hier der Fall:
[8] 2.1. Gemäß § 7 Abs 1 AußStrG sind die Bestimmungen der ZPO über die Verfahrenshilfe im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden. Beantragt eine Partei innerhalb einer verfahrensrechtlichen Notfrist die Beigebung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenshilfe und wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts abgewiesen, so beginnt die Frist mit dem Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Beschlusses (§ 7 Abs 2 AußStrG). Bei einem unzulässigen Verfahrenshilfeantrag tritt hingegen keine Fristunterbrechung ein (6 Ob 153/17v).
[9] 2.2. Nur der erste binnen einer Notfrist nach § 73 Abs 2 ZPO oder § 464 Abs 3 ZPO gestellte Verfahrenshilfeantrag unterbricht (einmalig) diese ursprüngliche Frist. Mit der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem der „erste“ binnen dieser Frist gestellte Antrag abgewiesen wird (oder mit der Zustellung des Bestellungsbescheids an den Verfahrenshelfer), wird der Lauf dieser Rechtsmittelfrist endgültig in Gang gesetzt. Einer weiteren Fristunterbrechung derselben Frist durch einen neuerlichen Verfahrenshilfeantrag steht § 73 Abs 3 ZPO auch dann entgegen, wenn darin die Änderung von für die Verfahrenshilfe bedeutsamen Umständen behauptet wird (1 Ob 9/16d = RS0130674). Diese Rechtsprechung gilt sinngemäß auch im Außerstreitverfahren (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 7 Rz 22; Motal/Krist in Schneider/Verweijen, AußStrG § 7 Rz 18).
[10] 2.3. § 521 Abs 3 iVm § 464 Abs 3 ZPO ist teleologisch dahin zu reduzieren, dass die Unterbrechung der Rekursfrist für den Rekurs im Verfahren auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht gilt. Wird daher der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeanwalts abgewiesen, so wird die 14-tägige Rekursfrist durch den neuerlichen Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts zur Einbringung eines Rekurses gegen diesen abweislichen Beschluss nicht gemäß § 521 Abs 3, § 464 Abs 3 ZPO bzw § 7 Abs 2 AußStrG unterbrochen (6 Ob 26/15i = RS0130322; Klicka/Rechberger in Klicka/Rechberger, AußStrG3 § 7 Rz 4).
[11] 2.4. Im vorliegenden Fall wurden die von der Geschäftsführerin und der Gesellschaft gestellten Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang zur Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses gegen die Entscheidung des Rekursgerichts im Zwangsstrafverfahren vom Erstgericht abgewiesen und diese Entscheidung vom Rekursgericht bestätigt. Die weiters gestellten Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Rekursentscheidung im Verfahrenshilfeverfahren konnten keine (weitere) Unterbrechung der Revisionsrekursfrist im Zwangsstrafverfahren bewirken. Sie konnten auch nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft der die Verfahrenshilfe abweisenden Entscheidung mit Zustellung der Rekursentscheidung im Verfahrenshilfeverfahren verhindern. Vielmehr wurde mit der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem der binnen der Revisionsrekursfrist in der Hauptsache gestellte Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts abgewiesen wurde, der Lauf dieser Rechtsmittelfrist endgültig in Gang gesetzt. Anderenfalls könnte nämlich eine Partei durch wiederholte Verfahrenshilfeanträge die Dauer der Unterbrechungswirkung nach ihrer Wahl bestimmen.
[12] 2.5. Da somit die Frist zur Erhebung des außerordentlichen Revisionsrekurses im Zwangsstrafverfahren mit der Zustellung der Rekursentscheidung vom 13. 6. 2024 im Verfahrenshilfeverfahren an die Antragsteller zu laufen begann, sind die am 3. 12. 2024 überreichten außerordentlichen Revisionsrekurse jedenfalls verspätet.
[13] 3. Die Revisionsrekurse sind daher zurückzuweisen.
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