European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E117894
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Dritt-, Viert- und Fünftkläger sind die Eigentümer der Liegenschaften EZ * und * Grundbuch *, Bezirksgericht Graz-Ost, denen unter anderem die Grundstücke *, * und * zugeschrieben sind. Auf diesen von ihnen gepachteten Grundstücken betreiben Erst- und Zweitklägerinnen Logistik- und Speditionsunternehmen mit ingesamt rund 200 Mitarbeitern, die ihre Pausen teilweise an einer Teichanlage auf dem Grundstück * verbringen. Der Beklagte ist Eigentümer der benachbarten, jedoch nicht unmittelbar an diese Grundstücke angrenzenden Liegenschaft EZ * selbes Grundbuch, auf der sich sein Einfamilienhaus in einem Abstand von rund 150 m zum Betriebsgebäude der Erst- und Zweitklägerinnen befindet. Die Liegenschaft des Beklagten ist nicht eingezäunt.
Die Erst- und Zweitklägerinnen haben bereits mehrere Lärmschutzmaßnahmen gesetzt. Der Beklagte fühlt sich dennoch durch von deren Betrieben ausgehenden Lärm gestört, und zwar insbesondere durch – seiner Ansicht nach großteils konsenslose – Rangier- und Verladetätigkeiten in den Nachtstunden, durch Klimaanlagen, Standheizungen und Thermoaufleger mit laufenden Aggregaten. Seit dem Jahr 2007 führt die zuständige Behörde immer wieder Lärmmessungen durch, deren Ergebnis der Beklagte „nicht anerkennt“, weil es während dieser Messungen stets ruhig gewesen sei.
Aus diesem Grund führt der Beklagte selbst ein Lärmprotokoll und sammelt Videoaufzeichnungen von Lärmspitzen. Dazu befestigte er eine Videokamera am Ende einer 6 bis 7 m hohen Dachlatte, die er im Jahr 2013 in einem Wald auf seiner Liegenschaft – etwa 40 m von dem bei der Teichanlage befindlichen Gebäude entfernt – so aufstellte, dass der untere Teil rund 2 m und der obere Teil mit der Kamera rund 1 m von seiner Grundstücksgrenze entfernt sind. Die Latte ist nicht fest mit dem Boden verankert und kann jederzeit verdreht werden. Die Videokamera selbst ist nur händisch zu drehen. Sie war zunächst in Richtung Norden zu den Grundstücken der Kläger gedreht; bei einem Ortsaugenschein des Erstgerichts am 12. 11. 2015 war sie– entgegengesetzt – zum Haus des Beklagten ausgerichtet. Bei dieser Videokamera handelt es sich um ein funktionsfähiges Gerät der Marke Visortech DSC 410/IR, die in der Lage ist, ständig Bild- und Tonaufnahmen zu machen. Sie verfügt über einen ¼ Zoll CMOS Sensor und eine Bildauflösung im Einzelbildmodus von 640 x 480 Pixel und im Quad-Modus von 320 x 240 Pixel. Für den Start der Aufnahme muss manuell der Record-Knopf gedrückt werden. Die Aufzeichnung erfolgt dann so lange, bis die Kamera ausgeschaltet wird oder die Speicherkarte voll ist. Die Aufnahmen enthalten Bild- und Tonmaterial, Datum und Uhrzeit. Auf vom Erstgericht eingesehenen Bildaufnahmen sind großteils nur Blätter und Äste ersichtlich. Die Stimmen der in der Nähe der Kamera befindlichen Personen sind auf den Aufnahmen deutlich zu hören.
Der Beklagte meldete das Aufstellen der Kamera der Datenschutzbehörde nicht. Weder verständigte er die Kläger davon noch holte er deren Zustimmung ein. Die Kläger wurden deshalb erst anlässlich eines Spaziergangs im Jahr 2014 auf die Kamera aufmerksam. Ein Hinweisschild auf die Videoüberwachung befindet sich erst seit einem Zeitpunkt nach dem Ortsaugenschein des Erstgerichts neben der Hausnummer des Beklagten bei der Zufahrt zu dessen Haus.
Der Beklagte stellte die Videokamera auf, um die Arbeitsweise auf dem Grundstück der Kläger, insbesondere die dadurch entstehende Lärmbelastung, festzuhalten. Primär ging es ihm um die Speicherung von Lärmspitzen in Form von Tonaufnahmen. Durch die Aufzeichnungen will er insbesondere gegenüber den Behörden, denen er eine nicht adäquate Kontrolle der den Erst- und Zweitklägerinnen auferlegten Verbote vorwirft, die tatsächliche Lärmbelastung dokumentieren. Bislang gab er die auf diese Weise gewonnenen Daten jedoch noch nicht weiter, legte sie auch in keinem Verfahren vor und übermittelte sie keiner Behörde.
Ein gelinderes Mittel, um Lärmbelästigungen festzustellen und zu dokumentieren, wäre die Verwendung eines Lärm- bzw Schallpegelmessgerätes. Ein solches liefert einerseits konkrete objektivierbare Ergebnisse in Form einer Dezibel-Angabe und verhindert andererseits, dass Gespräche anderer Personen inhaltlich gespeichert werden. Geeignet wäre beispielsweise das Lärmmessgerät SLT-TRM, das in der Lage ist, kontinuierliche Lärmmessungen und ‑überwachungen in einem Messbereich von 30 bis 130 dB durchzuführen und die Signale des Transmitters auf einem Logger zu speichern und zu dokumentieren. Ein solches Gerät ist im Handel um 234 EUR inklusive Mehrwertsteuer erhältlich.
Die Vorinstanzen verboten dem Beklagten die systematische Überwachung durch technische Bildaufnahme- oder Bildübertragungsgeräte, insbesondere Videokameras, oder die Erweckung des Eindrucks einer systematischen Überwachung durch technische Bildaufnahme- oder Bildübertragungsgeräte, insbesondere Videokameras oder Attrappen derartiger Geräte, und zwar gegenüber Erst- und Zweitklägerinnen hinsichtlich des von diesen genutzten Betriebsgeländes auf den genannten Grundstücken sowie hinsichtlich der Dritt-, Viert- und Fünftkläger hinsichtlich der in deren Eigentum stehenden (genannten) Grundstücke, und verpflichteten den Beklagten zur sofortigen und dauerhaften Entfernung der montierten Videokamera. Das Berufungsgericht sprach darüber hinaus aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich der einzelnen Kläger jeweils 5.000 EUR übersteigt und dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob juristischen Personen ein Persönlichkeitsrecht auf Wahrung ihrer Privat-/Geheimsphäre zukommt.
In der Sache selbst bejahte das Berufungsgericht diese Frage unter Hinweis auf § 16 ABGB. Auch juristischen Personen müsse grundsätzlich ein Schutz gegen das Eindringen anderer in den persönlichen Bereich zugestanden werden; im Übrigen träfen sie Fürsorgepflichten gegenüber ihren Mitarbeitern und nebenvertragliche Verpflichtungen gegenüber Vertragspartnern und deren Mitarbeitern, die jeweils als natürliche Personen Anspruch auf Schutz vor systematischer Beobachtung bei ihrer (Arbeits‑)Tätigkeit bzw ihren Pausen hätten. Deshalb sei es nicht maßgeblich, ob die Videokamera des Beklagten tatsächlich in der Lage ist, identifizierende Bilder vom Geschehen auf den Liegenschaften der Kläger aufzunehmen; verpönt sei nämlich schon der von einer als solche nicht erkennbaren Kameraattrappe geschaffene Überwachungs‑(ein‑)druck. Auch wenn dem Beklagten ein Interesse an der Feststellung und Dokumentation der von den Liegenschaften der Kläger ausgehenden Lärmbelästigung zuzugestehen sei, sei die Verwendung einer Videokamera hiefür schlicht ungeeignet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
1. Gemäß § 16 ABGB hat jeder Mensch angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als Person zu betrachten. Die Bestimmung anerkennt die Persönlichkeit als Grundwert. Aus ihr wird– ebenso wie aus anderen durch die Rechtsordnung geschützten Grundwerten (Art 8 EMRK; § 1 DSG) – das jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre abgeleitet (stRsp, siehe bloß 8 Ob 108/05y; 6 Ob 6/06k).
1.1. Die Berechtigung der von den Klägern geltend gemachten Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren setzt zunächst voraus, dass der Beklagte in das Recht der Kläger auf Achtung ihrer Privatsphäre (Geheimsphäre), das als absolutes Persönlichkeitsrecht Schutz gegen Eingriffe Dritter genießt, eingegriffen hat. Aus dem Charakter der Persönlichkeitsrechte als absolute Rechte bejaht die Rechtsprechung Unterlassungsansprüche bei Persönlichkeitsverletzungen auch dann, wenn sie gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen sind (8 Ob 108/05y; 6 Ob 6/06k). Bei bereits erfolgtem Verstoß stehen auch Beseitigungsansprüche zu (6 Ob 6/06k). Das Recht auf Wahrung der Geheimsphäre schützt insbesondere gegen das Eindringen in die Privatsphäre der Person (8 Ob 108/05y; 6 Ob 6/06k). Eine Verletzung der Geheimsphäre stellen geheime Bildaufnahmen im Privatbereich und fortdauernde unerwünschte Überwachungen dar (6 Ob 6/06k; 6 Ob 38/13a jusIT 2013/74 [Thiele] = immolex 2013/109 [Pfiel]).
1.2. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bejaht auch dann, wenn die Überwachungskamera nicht an ein Betriebssystem angeschlossen und bislang auch nicht in Betrieb gewesen war, den Anspruch des klagenden Nachbarn auf Abwehr von Eingriffen in seine Privatsphäre. Dieser Anspruch ist ja nur dann effizient durchsetzbar, wenn die Kamera nicht mehr auf das Grundstück des Klägers gerichtet ist, und zwar unabhängig davon, ob sie sich im Betrieb befindet oder nicht. Der Kläger hat insoweit keinerlei Kontrollmöglichkeit. Auch wenn die Kamera derzeit nicht betriebsbereit ist, liegt keine bloß abstrakte Befürchtung eines möglichen Missbrauchs, die für sich allein das Begehren nicht rechtfertigen würde, vor, wenn nach den Umständen des Falls die konkrete Befürchtung besteht, dass die Kamera jederzeit und vom klagenden Nachbarn unbemerkt angeschlossen und in Betrieb gesetzt werden könnte (7 Ob 89/97g; 6 Ob 6/06k). Die Eingriffsgefahr ist somit zu bejahen, wenn die konkrete Befürchtung besteht, die Beobachtung mit der Kamera könnte einsetzen (6 Ob 6/06k).
1.3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 8 Ob 125/11g klargestellt, dass (etwa) für Nachbarn nicht der Eindruck des Überwachtwerdens entstehen darf. Können diese etwa durch den Standort oder die Ausrichtung einer Videokamera oder einer nicht als solche erkennbaren Videokameraattrappe die berechtigte Befürchtung haben, dass sie sich im Überwachungsbereich befinden und von den Aufnahmen bzw Aufzeichnungen erfasst sind, so ist ein Eingriff in die Privatsphäre grundsätzlich zu bejahen. Diese Voraussetzungen könnten hier tatsächlich gegeben sein, montierte doch der Beklagte die Videokamera im Jahr 2013 nahe der Grundstücksgrenze, wobei sie zunächst in Richtung der (verfahrensgegenständlichen) Grundstücke der Kläger gedreht war und jederzeit auch wieder verdreht werden kann. Die Videokamera ist funktionsfähig und in der Lage, ständig Bild- und Tonaufnahmen zu machen, wobei die Aufnahmen Bild- und Tonmaterial, Datum und Uhrzeit enthalten und Stimmen von in der Nähe der Kamera befindlichen Personen auf den Aufnahmen deutlich zu hören sind. Die Kläger wurden im Jahr 2014 auf die Kamera aufmerksam; sie kennen somit nunmehr deren Existenz, worauf der Beklagte im Übrigen in seiner Berufung selbst ausdrücklich hingewiesen hat (AS 359).
Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung stünde damit die – zumindest zeitweise – Ausrichtung der Videokamera in Richtung der (verfahrensgegenständlichen) Grundstücke der Kläger fest. Allgemein setzt aber der Unterlassungsanspruch (bloß) die Feststellung schon erfolgter Störungen oder doch zumindest die Gefahr künftiger Störungen voraus, denen mit vorbeugender Unterlassungsklage begegnet werden kann (RIS-Justiz RS0012064 [T24], RS0009357). Entscheidend ist daher nicht, ob bei Klagseinbringung ein widerrechtlicher Eingriff noch andauerte, sondern ob zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Gefahr bestand, dass sich ein bereits erfolgter Eingriff wiederholt (vgl RIS-Justiz RS0010497 [T4]). Es hängt also die Frage, ob ein Unterlassungsbegehren berechtigt ist, nicht davon ab, ob sich der Beklagte im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz rechtswidrig verhält; vielmehr kommt es allein darauf an, ob die Gefahr künftiger Rechtsverletzungen besteht (RIS-Justiz RS0114254 [T3]). Diese Gefahr könnte hier aber schon allein aufgrund des vom Beklagten im Verfahren eingenommenen Standpunkts, zum Betrieb der Videokamera berechtigt zu sein, nicht verneint werden (vgl RIS-Justiz RS0031772), abgesehen davon, dass die Kamera jederzeit händisch drehbar ist und deshalb (wiederum) in Richtung der (verfahrensgegenständlichen) Grundstücke der Kläger gerichtet werden kann.
Die Kläger beriefen sich bereits im Verfahren erster Instanz ausdrücklich auf den dadurch entstandenen Überwachungsdruck (AS 76). Der Beklagte hat diesen mit der Behauptung bestritten, aufgrund ihrer Einstellung filme die Videokamera „über die Köpfe der auf de[m] Betriebsgelände agierenden Personen hinweg […], wenn nicht schon das dichte Laubgehölz auf [seiner] Liegenschaft eine natürliche und gewollte Sichtbarriere bilden würde“; außerdem befinde sich die Kamera „in großer Entfernung“ zu den Grundstücken der Kläger und bilde eine Lärm- und Sichtschutzwand ein „unüberwindbares Hindernis für die Videokamera“ (AS 119). Konkrete Feststellungen haben die Vorinstanzen dazu nicht getroffen.
Zwar verkennt die Argumentation des Beklagten, dass „die in Rede stehende Kamera nur die Qualität einer Attrappe“ erreiche (AS 357), die ständige Rechtsprechung, wonach die zu (aktiven) Kameras entwickelten Grundsätze auch in Fällen gelten, in denen es sich lediglich um eine Kameraattrappe handelt (6 Ob 6/06k; 8 Ob 125/11g immolex 2012/24 [Prader] = jusIT 2012/23 [Thiele]; 6 Ob 38/13a; 8 Ob 47/14s jusIT 2014/91 [Thiele] = immolex 2014/82 [Hagen] = ecolex 2015/137 [Wilhelm]). Nach der Entscheidung 8 Ob 47/14s ist „die Anbringung einer Kameraattrappe, die sich für einen unbefangenen, objektiven Betrachter als Überwachungsmaßnahme darstellt, im Allgemeinen [nur] zulässig, wenn sich diese Maßnahme nach Maßgabe des Eindrucks für einen solchen Betrachter ausschließlich auf den eigenen Wohn- bzw Garagenbereich des beklagten Mieters bezieht“. Gerade dies wäre hier aber nicht der Fall. Grundvoraussetzung ist aber, dass sich für einen „unbefangenen, objektiven Betrachter“ aufgrund der Kamera‑(attrappe) überhaupt der Eindruck einer Überwachung ergeben kann, dass also die Kamera‑(attrappe) überhaupt dessen geschützten Bereich „sieht bzw sehen könnte“. Ausgehend von einer grundsätzlichen Eignung der Kamera, einen solchen Eindruck zu erwecken – Kenntnis von der in ca 40 cm Entfernung zur Überwachung aufgestellten Kamera –, wäre dies etwa dann nicht der Fall, wenn aufgrund des zwischen der Kamera des Beklagten und den klägerischen Grundstücken liegenden Waldes eine „Sichtverbindung“ gar nicht bestehen sollte. Gerade dies behauptet aber der hiefür beweisbelastete Beklagte. Mangels konkreter Feststellungen der Vorinstanzen ist die Sache somit noch nicht entscheidungsreif.
2. Der Beklagte richtet in seiner Revision das Hauptaugenmerk auf den Umstand, dass es sich bei Erst-, Zweit- und Drittklägerin um juristische Personen handelt, auf die die Rechtsprechung zum verbotenen Überwachungsdruck nicht angewendet werden könne. Dem kann jedoch in der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation nicht gefolgt werden:
2.1. Das Recht auf Achtung der Geheimsphäre ist ein Persönlichkeitsrecht (RIS-Justiz RS0009003). Nach den ErläutRV zu § 1328a ABGB (ZivRÄG 2004; 173 BlgNr 22. GP , 18) sollen zwar nach dieser Bestimmung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht geschützt sein; § 1328a ABGB schütze die natürliche Person, der Begriff der Privatsphäre sei an den des Privatlebens iSd Art 8 EMRK angelehnt. Es ist aber auch anerkannt, dass etwa das Recht auf den Schutz von Geschäftsräumlichkeiten auch juristischen Personen zukommen kann (vgl etwa Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten4 [2014] § 2 Rz 44; Gersdorf in BeckOK, InfoMedienR [2015] Art 8 EMRK Rz 12 ua) und eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist (Grabenwarter/Pabel, EMRK6 [2016] § 17 Rz 5; vgl auch Klippel,Der zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz von Verbänden, JZ 1988, 625 [632]; Fellner, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen [2007] 182 ff; Handler, Der Schutz von Persönlichkeitsrechten [2008] 50 ff). Juristischen Personen kommt nach ständiger Rechtsprechung etwa auch das Recht auf Ehre zu (RIS-Justiz RS0008985).
2.2. Der Oberste Gerichtshof hat vor allem aber bereits ausgesprochen, dass ein Vermieter schon deswegen ein Interesse an der Abwehr von Überwachungsmaßnahmen gegen eine von ihm nicht selbst benützte Wohnung hat, weil er ansonsten Ansprüchen seines Mieters ausgesetzt wäre (10 Ob 57/14a), und dass ein (auf der Privatsphäre beruhendes) Recht eines Liegenschaftseigentümers besteht, dass seine Angestellten nicht systematisch beobachtet werden (8 Ob 108/05y; 10 Ob 57/14a); im Übrigen ist ein Arbeitgeber verpflichtet, die materiellen und immateriellen Interessen seiner Dienstnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses zu wahren (RIS-Justiz RS0021544), wozu etwa auch der Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gehört (9 ObA 143/03z).
In all diesen Fällen kann es aber nicht von Bedeutung sein, ob es sich beim Vermieter, Liegenschaftseigentümer oder Arbeitgeber um eine natürliche oder eine juristische Person handelt, geht es doch um den Schutz der betroffenen natürlichen Personen. Aus dieser Rechtsprechung lässt sich der Grundsatz ableiten, dass (unter anderem) einem Liegenschaftseigentümer ein Klagerecht auch primär im Interesse der Nutzer (Mieter, Dienstnehmer) der Liegenschaft eingeräumt ist. Da insoweit keine unmittelbare persönliche Betroffenheit gefordert wird, kommt es auf die Fähigkeit der juristischen Person, Überwachungsdruck zu erleben, nicht mehr entscheidend an.
2.3. Damit hat aber das Berufungsgericht nicht nur hinsichtlich der natürlichen Personen Viert- und Fünftkläger, sondern auch hinsichtlich der juristischen Personen Erst-, Zweit- und Drittklägerinnen die Aktivlegitimation (auch) im Zusammenhang mit der Rechtsprechung zum Überwachungsdruck zutreffend bejaht. Dass Erst- und Zweitklägerinnen (bloß) Liegenschaftspächter sind, ändert daran nichts und wird vom Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht thematisiert; Pächtern kommen ebenso wie Liegenschaftseigentümern nachbarrechtliche Abwehransprüche zu (7 Ob 654/89 [verstSenat] JBl 1990, 447 [Spielbüchler]). Die weiteren Kläger sind ohnehin Eigentümer zumindest eines Teils der (verfahrensgegenständlichen) Grundstücke.
3. Sollte das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren einen Eingriff in die Privatsphäre (durch systematische Videoüberwachung) feststellen, träfe den Beklagten als Verletzer die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er in Verfolgung eines berechtigten Interesses handelte und dass die gesetzte Maßnahme ihrer Art nach zur Zweckerreichung geeignet war. Entspricht der Verletzer dieser Behauptungs- und Beweislast, kann der Beeinträchtigte behaupten, dass die Maßnahme nicht das schonendste Mittel zur Zweckerreichung darstellt. Stellt sich dabei heraus, dass die Maßnahme nicht das schonendste Mittel war, erübrigt sich die Vornahme einer Interessenabwägung (RIS-Justiz RS0120423).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nahm der Oberste Gerichtshof etwa in der Entscheidung 6 Ob 38/13a ein rechtswidriges Verhalten der (dort) Beklagten, die eine Überwachungskamera installiert hatte, deshalb an, weil nach den Feststellungen der von der Beklagten behauptete Überwachungszweck auch erreicht hätte werden können, ohne das Dach der Liegenschaft der (dort) Klägerin aufzunehmen. Da nach den Feststellungen im vorliegenden Fall die vom Beklagten montierte Videokamera für den von ihm angestrebten Überwachungszweck „schlicht ungeeignet“ war und ein gelinderes Mittel, um Lärmbelästigungen festzustellen und zu dokumentieren, die Verwendung eines Lärm- bzw Schallpegelmessgeräts gewesen wäre, wäre das Verhalten des Beklagten rechtswidrig. Einer Vornahme der von ihm – auch noch im Revisionsverfahren - angestrebten Interessenabwägung bedürfte es damit nicht.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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