European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124553
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag der beiden Antragsteller, die miteinander 50 % der Geschäftsanteile der in Liquidation befindlichen GmbH halten, die vom Erstgericht gemäß § 89 Abs 2 GmbHG bestellte Liquidatorin aus wichtigen Gründen gemäß § 89 Abs 3 GmbHG abzuberufen und statt ihrer einen anderen Liquidator zu bestellen.
Die Vorinstanzen wiesen diese Anträge mit der wesentlichen Begründung ab, wichtige Gründe, die eine Abberufung der Liquidatorin rechtfertigten, lägen nicht vor. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Die Frage, ob ein „wichtiger Grund“ für die Abberufung von Liquidatoren gegeben wäre, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukäme (vgl RIS‑Justiz RS0118175).
Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher nur vor, wenn dem Rekursgericht bei seiner Einschätzung, ein (hinreichend) wichtiger Grund für die Abberufung der Liquidatorin sei nicht vorgelegen, eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
Dem Rechtsmittel gelingt es nicht, eine solche Fehlbeurteilung aufzuzeigen.
2. Die Rechtsmittelwerber führen an, erhebliche Rechtsfragen lägen vor, weil zu bestimmten Rechtsfragen im GmbH-Recht, die letztlich Verhaltenspflichten des Geschäftsführers bzw Liquidators betreffen, keine (oberstgerichtliche) Rechtsprechung vorliege.
Damit werden keine erheblichen Rechtsfragen angesprochen, weil hier nicht ungeklärte Rechtsfragen des GmbH-Rechts entscheidungserheblich sind, sondern nur zu klären ist, ob die konkrete Handlungsweise der Liquidatorin im Licht der Gesetze und der bestehenden Rechtsprechung vertretbar war. Die vom Liquidator einzuhaltende Sorgfalt ist nun in § 25 Abs 1a (iVm § 92 Abs 1) GmbHG (Business Judgement Rule; vgl dazu 6 Ob 160/15w; 6 Ob 198/15h; 6 Ob 145/16s; RIS‑Justiz RS0049482; RS0130656; RS0130657) umschrieben, der lautet:
„Ein Geschäftsführer handelt jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“
Daran, dass die Klärung der im Rechtsmittel relevierten Rechtsfragen für die Beurteilung eines wichtigen Grundes für die Abberufung eines Liquidators nicht relevant ist, ändert auch die große Zahl von im Firmenbuch eingetragenen GmbHs sowie die angeblich große Rechtsunsicherheit nichts.
3. Zutreffend zeigen die Rechtsmittelwerber auf, dass entgegen der Annahme des Rekursgerichts die Liquidatorin die Anzeige des (ewigen) Ruhens im von der Gesellschaft gegen den vormaligen Liquidator und Viertelgesellschafter angestrengten Prozess auf Zahlung von rund 100.000 EUR am 18. 1. 2018 (und nicht schon am 11. 4. 2017: Anzeige des einfachen Ruhens) erstattet hat.
Die Rechtsmittelwerber behaupten, die Liquidatorin habe die übereinstimmenden Beschlüsse der Generalversammlungen vom 20. 11. 2017 und 16. 1. 2018, das derzeit ruhende Streitverfahren sei fortzusetzen, nicht beachtet.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: Bei der gegenständlichen Beschlussfassung stimmten die Antragsteller dafür, die beiden anderen Gesellschafter, die gemeinsam ebenso 50 % der Geschäftsanteile halten, dagegen. Es lag somit eine Pattstellung vor. Somit wurde die für eine positive Beschlussfassung notwendige einfache Mehrheit (§ 39 Abs 1 GmbHG) nicht erreicht und somit der Beschluss gar nicht gefasst.
Der vormalige Liquidator unterlag zwar dem Stimmverbot gemäß § 39 Abs 4 GmbHG (vgl RIS‑Justiz RS0059877; zuletzt 6 Ob 190/18m), stimmte aber dennoch mit.
Hat ein vom Stimmrecht ausgeschlossener Gesellschafter an einer Beschlussfassung in der Generalversammlung der Gesellschaft mitgewirkt, ist nach ständiger Rechtsprechung die Stimmgabe nicht ungültig, sondern ein unter Mitberücksichtigung der Stimme gefasster Beschluss zustandegekommen, der anfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0059834; vgl auch RS0060117).
Die Anfechtung eines solchen Beschlusses ist danach nur dann entbehrlich, wenn die an der Abstimmung beteiligten Gesellschafter bis zum Zeitpunkt des Schlusses der Generalversammlung sich darüber einig werden, dass der Beschluss als nicht zustandegekommen anzusehen ist (RIS‑Justiz RS0059834).
Dass sich hier die an der Abstimmung beteiligten Gesellschafter in diesem Sinn bis zum Zeitpunkt des Schlusses der jeweiligen Generalversammlung darüber geeinigt hätten, dass die Stimme des vormaligen Liquidators nicht zu berücksichtigen sei (und demnach der Beschluss mit Zweidrittelmehrheit zustandegekommen wäre), wurde weder vorgebracht noch ergibt sich dies aus den aktenkundigen Generalversammlungsprotokollen.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Stimme des vormaligen Liquidators mitzuzählen ist, weshalb – wie ausgeführt – der Beschluss, aus dem sich eine Weisung an die Liquidatorin ergäbe, das Streitverfahren fortzusetzen, nicht zustandegekommen ist. Dass diese (Nicht‑)Beschlussfassung angefochten, mit einem Begehren auf positive Beschlussfeststellung (vgl dazu RIS‑Justiz RS0109584) verbunden worden und im Zeitpunkt der Anzeige des ewigen Ruhens am 18. 1. 2018 diesbezüglich bereits ein stattgebendes, rechtskräftiges Urteil vorgelegen wäre, wurde nicht behauptet und ist aufgrund der zeitlichen Nähe zu den betreffenden Generalversammlungen auch ausgeschlossen.
Schon deshalb konnte die Liquidatorin mit der Anzeige des ewigen Ruhens am 18. 1. 2018 gegen keine Weisung der Gesellschafter verstoßen, weil eine solche nicht vorlag. Davon ausgehend erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die im Rechtsmittel in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen.
4. Die Rechtsmittelwerber weisen darauf hin, mit Gesellschafterbeschluss vom 27. 4. 2015 sei gemäß § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG beschlossen worden, die im später anhängig gemachten Streitverfahren der Gesellschaft gegen den vormaligen Liquidator eingeklagten Ansprüche zu verfolgen. Dies sei der Liquidatorin bekannt gewesen. Der Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs in diesem Prozess verstoße gegen diesen Beschluss, zumal die Liquidatorin sich für diesen Vergleichsabschluss nicht die Zustimmung der Gesellschafter eingeholt habe.
Dem ist zu entgegnen: Sowohl aus dem Vorbringen der Rechtsmittelwerber als auch aus der aktenkundigen Klage im genannten Prozess ergibt sich, dass dort ausschließlich Rückforderungsansprüche wegen Leistungen der Gesellschaft, die gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen hätten, gemäß § 83 GmbHG geltend gemacht werden. Der vormalige Liquidator wird somit nicht in dieser, sondern in seiner Eigenschaft als Gesellschafter in Anspruch genommen. Derartige Ansprüche sind aber von § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG nicht erfasst (RIS‑Justiz RS0125863 [T1]), weshalb es eines Gesellschafterbeschlusses nach dieser Gesetzesstelle nicht bedurft hätte und somit auch kein Verstoß der Liquidatorin gegen einen solchen Beschluss vorliegen kann.
Gemäß § 83 Abs 4 GmbHG können zwar Zahlungen, die aufgrund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, den Verpflichteten weder ganz noch teilweise erlassen werden. Rechtsprechung dazu, ob dies einem Vergleich über solche Ansprüche entgegensteht, ist – soweit ersichtlich – nicht vorhanden. Nach herrschender Lehre steht aber diese Bestimmung unter gewissen Voraussetzungen (zB Unsicherheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht; Drittvergleichsfähigkeit) einem Vergleich nicht entgegen (vgl nur Foglar-Deinhardstein in FAH [2017], GmbHG § 83 Rz 19; Auer in Gruber/Harrer, GmbHG2 [2018] § 83 Rz 27, jeweils mwN).
Dass die Liquidatorin den außergerichtlichen Vergleich entgegen diesen (beispielsweise) in der Lehre genannten Zulässigkeitskriterien abgeschlossen hätte, behaupten die Rechtsmittelwerber nicht, weshalb von der Vertretbarkeit des Vergleichsabschlusses auszugehen ist.
Somit wurde auch im Vergleichsabschluss keine Pflichtverletzung der Liquidatorin dargetan.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob – wie das Rekursgericht gemeint hat – in der hier vorliegenden Konstellation die Erwägungen der Entscheidung 6 Ob 28/18p anzuwenden sind.
5. Soweit sich die Rechtsmittelwerber auf weitere Generalversammlungsbeschlüsse beziehen, wonach die Gesellschaft (weitere) Ansprüche gegen den vormaligen Liquidator bzw einen gesellschaftsfremden Dritten geltend machen sollte, kann auf die Ausführungen unter Punkt 3. verwiesen werden: Die betreffenden Anträge fanden keine Mehrheit, weshalb ungeachtet eines allfälligen Stimmverbots des vormaligen Liquidators die Beschlüsse nicht gefasst wurden.
6. Die Rechtsmittelwerber bringen weiters vor, es habe keinen wirksamen Gläubigeraufruf gemäß § 91 Abs 1 Satz 3 GmbHG gegeben. Die dreimonatige Sperrfrist nach § 91 Abs 3 GmbHG habe daher nicht zu laufen begonnen.
Aus den Rechtsmittelausführungen wird nicht deutlich, welchen Vorwurf die Rechtsmittelwerber damit gegen die Liquidatorin verbinden. Sollten sie damit den in Punkt 4. erörterten Vergleichsabschluss meinen, so ist ihnen zu entgegnen, dass der Abschluss eines Vergleichs über strittige Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter keine Vermögensverteilung im Sinn von § 91 Abs 3 Satz 1 GmbHG ist.
7. Auf Basis der obigen Rechtsausführungen muss auf das weitere Vorbringen im Revisionsrekurs (Punkte 3.6. bis 3.9.) mangels Relevanz nicht mehr eingegangen werden.
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