Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.980,96 EUR (darin enthalten 330,16 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Im Vorprozess wurde einer Schadenersatzklage der nunmehrigen Beklagten gegen die nunmehrige Klägerin, eine Ärztin, rechtskräftig stattgegeben, weil die Klägerin die Beklagte vor einer Operation am rechten Arm nicht über eine konkrete, mögliche Komplikation aufgeklärt hatte. Bei einer diesbezüglichen Aufklärung hätte die Beklagte zumindest nicht sogleich der Operation zugestimmt. Die Komplikation, über die nicht aufgeklärt worden war, trat bei der Beklagten ein, nämlich eine weitestgehende Gebrauchsunfähigkeit des rechten Arms mit nach wie vor zeitweiser Schmerzhaftigkeit. Dass die Klägerin nicht lege artis operiert habe, wurde ihr im Urteil des Vorprozesses nicht angelastet.
Spätestens am 3. 12. 2007 warf die Beklagte auf einem Link einer ihr gehörigen Homepage der namentlich genannten Klägerin unter anderem einen „Aufklärungs- und Behandlungsfehler“ vor.
Am 8. 5. 2008 war dieser Text insofern etwas verändert, als statt „Aufklärungs- und Behandlungsfehler“ nur mehr vom „Aufklärungsfehler“ gesprochen wurde. Weiters wurde der Name der Klägerin nicht mehr genannt.
Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung dieser Behauptung eines „Aufklärungs- und Behandlungsfehlers“. Die Klägerin begehrt weiters den Widerruf der inkriminierten Behauptung.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren unter maßgeblicher Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 249/01p ab.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil die genannte Entscheidung in der Literatur (Reischauer) auf Kritik gestoßen sei, mit der sich der Oberste Gerichtshof bisher nicht befasst habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist unzulässig.
Nach der von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 6 Ob 249/01p kann ein Aufklärungsfehler des Arztes (dort: über das notwendige eigene Verhalten der Patientin nach der Operation) unter den Begriff „Behandlungsfehler“ fallen. Der Oberste Gerichtshof führte in dieser Entscheidung aus, in den beiden Fernsehsendungen sei nur allgemein von einem Behandlungsfehler bzw Arztfehler die Rede gewesen. Im Mittelpunkt der Darstellung sei die Frage gestanden, ob ein Arztfehler vorgelegen sei und die Patientin mit ihren Schadenersatzansprüchen vor Gericht durchdringe. Zumindest im Kern beruhten die verbreiteten Äußerungen auf einem richtigen Sachverhalt. Die Unterscheidungen zwischen Aufklärungsfehler, Operationsfehler und postoperativen Behandlungsfehlern mögen im Arzthaftungsprozess eine Rolle spielen, im Verfahren über eine Rufschädigung nach § 1330 Abs 2 ABGB wären sie allenfalls bedeutsam gewesen, wenn schon in der ersten Fernsehsendung die Vorwürfe der Patientin konkretisiert worden wären.
Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere der konkreten Formulierung und dem Zusammenhang, in dem sie geäußert wurde, abhängt (6 Ob 160/99v; 6 Ob 159/06k ua). Wer eine mehrdeutige Äußerung macht, muss die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (RIS-Justiz RS0079648). Die Anwendung dieser Unklarheitenregelung ist am Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung zu messen. Liegt die Annahme eines bestimmten Tatsachenkerns nahe, der wahr ist und die damit verbundenen Werturteile als nicht exzessiv rechtfertigt, so muss die entfernte Möglichkeit einer den Kläger noch stärker belastenden Deutung unbeachtlich bleiben. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung schließt es aus, eine entferntere, bloß mögliche Deutung der beanstandeten Formulierungen zur Ermittlung des für ihre rechtliche Beurteilung relevanten Tatsachenkerns heranzuziehen (RIS-Justiz RS0121107 [T4]).
Nach den Feststellungen richtete sich die Homepage der Beklagten nicht an ein bestimmtes Fachpublikum. Juristische und medizinische Laien unterscheiden nicht streng zwischen Aufklärungs-, Operations- und postoperativen Behandlungsfehlern. Die Behauptung eines Behandlungsfehlers, bei dem es sich tatsächlich (nur) um mangelhafte Aufklärung handelt, beruht auf einem zumindest im Kern richtigen Sachverhalt, zumal das konkrete ärztliche Fehlverhalten dabei gar nicht genannt wurde. Dazu kommt, dass im Text vom „Aufklärungs- und Behandlungsfehler“ in der Einzahl die Rede ist, somit der Klägerin nicht mehrere Fehler vorgeworfen werden. Die Beurteilung, dass der Durchschnittsleser die Äußerung daher lediglich dahin versteht, dass die Klägerin als Ärztin bei der Behandlung der Beklagten einen Fehler gemacht hat, was nicht zwangsläufig den Vorwurf eines Kunstfehlers im Sinne eines Operationsfehlers impliziert, ist vertretbar. Die Vorinstanzen haben den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten, eine korrekturbedürftige Rechtsansicht des Berufungsgerichts liegt im Licht der zitierten Rechtsprechung nicht vor. Dass sich eine Lehrmeinung (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1299 Rz 26 aE, § 1330 Rz 8b) kritisch zur Entscheidung 6 Ob 249/01p geäußert hat, begründet für sich allein keinen Grund für die Zulässigkeit einer Revision (RIS-Justiz RS0042985; vgl auch RS0110247).
Da auch die Revision der Klägerin keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, war sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
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