OGH 6Ob188/11g

OGH6Ob188/11g16.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S***** A*****, 2. F***** GmbH, *****, beide vertreten durch Graf Patsch Taucher Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R***** H*****, vertreten durch Niederbichler Rechtsanwalt GmbH, wegen Unterlassung, Widerrufs und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. Juni 2011, GZ 6 R 55/11i-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

1. Dem Beklagten wurde verboten, zu behaupten und/oder zu verbreiten, dass die Kläger als Veranstalter eines (bestimmten) Festivals Unregelmäßigkeiten zu verantworten hätten, indem sie gemeinsam 2010 während des Festivals Eintrittskarten am Laserdrucker ohne Kartennummern nachgedruckt und in Umlauf gebracht hätten.

2. Nach der Beurteilung der Vorinstanzen bedeutet die inkriminierte Äußerung des Beklagten nach dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck im Kern, dass die Kläger willkürlich das Kartenkontingent vergrößert und durch Nichterfassung der verkauften bzw ausgegebenen Karten gegen straf- bzw abgabenrechtliche Bestimmungen verstoßen hätten. Dies sei eine Tatsachenbehauptung. Der unrichtige Vorwurf von Unregelmäßigkeiten sei nicht dadurch gerechtfertigt, dass ca 250 Karten ohne Nummerierung in Umlauf gewesen seien.

3. Dagegen führt der Revisionswerber ins Treffen:

3.1. Da feststehe, dass ca 250 Karten ohne Nummerierung im Umlauf gewesen seien, sei der von ihm geäußerte Verdacht (seine Schlussfolgerung), die nicht nummerierten Karten seien „offenbar“ bzw „offensichtlich“ einfach nachgedruckt worden, eine auf einem wahren Tatsachenkern beruhende, wertende Meinungsäußerung.

3.2. Aus den von ihm dem Journalisten freigegebenen Äußerungen ergebe sich jedenfalls nicht, dass Unregelmäßigkeiten vorliegen würden. Er hafte nicht für das, was der Journalist aus seinen Äußerungen geschlossen habe, er aber nicht freigegeben habe.

Rechtliche Beurteilung

4. Eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage führt die Revision nicht aus. Die behauptete Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung liegt nicht vor.

4.1. Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage (6 Ob 5/10v mwN). Sinn und Bedeutungsinhalt einer Äußerung und damit auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder bloß eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung für den unbefangenen Durchschnittsleser oder -hörer. Der subjektive Wille des Äußernden ist nicht maßgeblich. Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie vom angesprochenen Verkehrskreis bei ungezwungener Auslegung verstanden wird (RIS-Justiz RS0031883; vgl RS0031815). Da die Ermittlung des Bedeutungsinhalts von näheren Umständen des jeweiligen Falls, insbesondere von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang abhängt, kommt ihr wegen dieser Einzelfallbezogenheit grundsätzlich keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0111733 [T5]). Auch die Frage, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre, hängt so sehr von den Umständen des Falls ab, dass erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO in der Regel nicht angenommen werden können (RIS-Justiz RS0107768).

4.2. Die aus der Tatsache, dass nicht nummerierte Karten im Umlauf waren, abgeleitete Behauptung, Karten seien nachgedruckt worden, ist eine Tatsachenbehauptung, ist doch die Richtigkeit der Behauptung einem Beweis zugänglich (vgl 6 Ob 5/10v mwN).

4.3. Wer im Rahmen eines einem Journalisten gewährten Interviews unwahre, kreditschädigende Tatsachenbehauptungen über einen Dritten aufstellt, hat diese auch in Ansehung der Veröffentlichung des Interviews in der Zeitschrift iSd § 1330 Abs 2 ABGB „verbreitet“, ist doch die Veröffentlichung des Interviews in aller Regel gerade dessen Zweck (RIS-Justiz RS0032312). Nach den Feststellungen war dem Beklagten klar, dass seine Äußerungen vom Journalisten in einem Artikel verwendet werden würden; er hatte nichts dagegen. Die Freigabe einzelner Formulierungen des Journalisten als Zitate beruhte auf einem Wunsch des Journalisten nach dem Interview. Ob sich aus den freigegebenen Äußerungen des Beklagten der Vorwurf einer Unregelmäßigkeit ergibt, ist daher nicht erheblich. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass nach dem Gesamtzusammenhang der Äußerungen des Beklagten im Interview und dem dadurch dem Journalisten vermittelten Gesamteindruck die Behauptung des Nachdrucks und In-Umlauf-Bringens von nicht nummerierten Karten den Vorwurf einer Unregelmäßigkeit zum Inhalt habe, ist eine vertretbare Beurteilung im Einzelfall.

4.4. Der oben unter 2. dargestellten Beurteilung des Berufungsgerichts der Äußerung im Bezugszusammenhang setzt der Revisionswerber im Übrigen nichts entgegen.

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