European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00184.19F.1024.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Darauf, ob der Beklagte die Mittel für den Erwerb der Geschäftsanteile der Klägerin von der Zielgesellschaft im Wege eines unzulässigen In‑Sich‑Geschäfts (Darlehensvertrag) erhielt und ob dieses Darlehen gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstieß, kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Beklagte das Darlehen an die Gesellschaft mittlerweile zur Gänze zurückgeführt. Damit besteht aber keine Gefahr, dass gegen die Klägerin seitens der Gesellschaft Rückzahlungsansprüche geltend gemacht werden (vgl dazu 6 Ob 114/17h). Für einen (neuerlichen) Zuspruch des Kaufpreises für die Geschäftsanteile besteht daher keinerlei Grundlage.
2.1. Einen Nichtigkeitsgrund erblickt die Klägerin darin, dass das Berufungsgericht entschieden hat, obwohl über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
2.2. Darin trifft zu, dass die Insolvenzeröffnung zunächst zu einer Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 6 IO führte. Dies gilt grundsätzlich auch im Privatkonkurs, wenn dem Schuldner – wie im vorliegenden Fall – die Eigenverwaltung belassen wurde. Die Verfahrensunterbrechung führt auch dazu, dass die Zustellung der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht den Lauf einer Rechtsmittelfrist auslöste (§ 163 Abs 1 ZPO; 10 Ob 21/18t). Zwischenzeitig wurde jedoch über Antrag des in beiden Instanzen obsiegenden Beklagten das Verfahren fortgesetzt (ON 45).
2.3. In gewissem Sinn ist der vorliegende Fall mit dem Fall zu vergleichen, dass nach Insolvenzeröffnung eine Klage gegen den Schuldner eingebracht wird, in der Folge aber eine Bestreitung der Forderung erfolgt. Diesfalls ist die Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht (mehr) wahrzunehmen (9 ObA 105/04p; 9 ObA 91/17y). Wenngleich die Prozessvoraussetzungen grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein müssen, wird ihr früheres Fehlen nämlich unbeachtlich, wenn sie noch im Laufe des Verfahrens eintreten. Die Nichtigerklärung des Urteils und des vorangegangenen Verfahrens sowie die Zurückweisung der Klage sind ausgeschlossen, wenn der bei Klagseinbringung vorhandene Mangel, (etwa) der inländischen Gerichtsbarkeit, später weggefallen ist (RS0039748). Daher wirkt nicht nur der nachträgliche Eintritt der Zuständigkeitsmerkmale heilend, sondern ebenso auch der nachträgliche Wegfall des Prozesshindernisses der Unzulässigkeit des Rechtswegs (RS0039748 [T7, T11]). Es kommt zur Heilung der Nichtigkeit, wenn vor der gerichtlichen Wahrnehmung der Unzulässigkeit des Rechtswegs der Prozessgegner des anmeldenden Gläubigers in der Prüfungstagsatzung eine Bestreitungserklärung abgegeben hat (RS0119602) oder aus einem anderen Grund zur Verfahrensfortsetzung (§ 7 Abs 2 IO) berechtigt ist (9 ObA 91/17y).
2.4. Diese Auffassung lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Die Unzulässigkeit weiterer Verfahrensschritte aufgrund einer Verfahrensunterbrechung ist dann nicht mehr aufzugreifen, wenn die Verfahrensunterbrechung zwischenzeitig weggefallen ist und die Entscheidung für die Parteien keine Rechtsnachteile mit sich bringt, weil nach Wegfall der Unterbrechung neuerlich inhaltsgleich entschieden werden müsste.
2.5. Selbst wenn man dem nicht folgte, wäre die Revision nicht zulässig: Zwar bilden grundsätzlich Verfahrensverstöße vom Gewicht einer Nichtigkeit eine vom Obersten Gerichtshof schon im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende erhebliche Rechtsfrage (RS0042743), sofern die Nichtigkeit tatsächlich vorliegt (RS0043067). Im vorliegenden Fall besteht jedoch – wie ausgeführt – die Besonderheit, dass das Berufungsgericht bei einer allfälligen Aufhebung seines Urteils in Hinblick auf die zwischenzeitig erfolgte Verfahrensfortsetzung sofort wieder eine inhaltsgleiche Sachentscheidung erlassen müsste. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts ist aber – wie ausgeführt – nicht zu beanstanden. Jedenfalls in einer solchen Sonderkonstellation bestand keine Veranlassung, eine allfällige Nichtigkeit des Urteils des Berufungsgerichts aufzugreifen, hängt doch die endgültige Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren gerade nicht von der relevierten Nichtigkeit ab (vgl § 502 Abs 1 ZPO).
3. Zusammenfassend bringt die Revision somit keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.
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