OGH 6Ob18/18t

OGH6Ob18/18t28.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** V*****, vertreten durch Dr. Sonja Schröder, Rechtsanwältin in Zell am See, gegen die beklagte Partei M***** V*****, vertreten durch DDr. Michael Wagner, Rechtsanwalt in Grödig, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2017, GZ 22 R 237/17g‑42, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00018.18T.0228.000

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt vom Beklagten, seinem Sohn, die Räumung seiner Liegenschaft in G***** und des darauf befindlichen Wohnhauses, welches nach den Feststellungen der Vorinstanzen seit jeher sowohl von den Streitteilen als auch von den Rechtsvorgängern (den Eltern des Klägers beziehungsweise den Großeltern des Beklagten) und der gesamten Familie V***** als Feriendomizil an Wochenenden und während der Ferien (Urlauben) benutzt wurde, jedoch von niemandem als dauernder ununterbrochener regelmäßiger Hauptwohnsitz. Der Kläger behauptet eine unentgeltliche und jederzeit widerrufliche Bittleihe, der Beklagte ein vereinbartes oder zumindest ersessenes Wohnungsgebrauchsrecht.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen gaben dem Räumungsbegehren statt, das Berufungsgericht sprach außerdem aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt. Die Vornahme eines Bewertungsausspruchs war dabei zutreffend, weil Räumungsklagen dann keine Bestandstreitigkeiten gemäß § 49 Abs 2 Z 5 JN, § 502 Abs 5 Z 2 ZPO sind, wenn sie auf ein Benutzungsverhältnis aus der persönlichen Dienstbarkeit des Wohnungs‑(gebrauchs‑)rechts oder eine jederzeit widerrufliche Benützungsvereinbarung (unter Familienangehörigen) gestützt werden (7 Ob 130/11k).

2. Da das Berufungsgericht (zunächst) die ordentliche Revision nicht zuließ, war seine Entscheidung (lediglich) mittels außerordentlicher Revision anfechtbar (§ 505 Abs 4 ZPO). Sowohl der Antrag des Beklagten nach § 508 Abs 1 ZPO als auch die Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht ON 46 waren somit verfehlt; letzterer bindet den Obersten Gerichtshof nicht und ist unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0114163). Die ordentliche Revision ist als außerordentliche Revision zu behandeln (RIS‑Justiz RS0123405).

3. Die Vorinstanzen konnten zugunsten des – hierfür beweispflichtigen (siehe 4.) – Beklagten weder die Einräumung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechts durch die Rechtsvorgänger des Klägers (dessen Eltern) noch ein Einverständnis des Klägers zur Übertragung des Eigentums an den Beklagten im Zusammenhang mit dem Verkauf einer anderen Liegenschaft feststellen; lediglich zu einem Zeitpunkt, als der Beklagte noch minderjährig war, war wiederholt davon gesprochen worden, dass dieser die Liegenschaft einmal „bekommen“ solle, in welchem Zusammenhang auch ein Notariatsakt errichtet, jedoch nicht abgeschlossen wurde. Die Überlegungen des Beklagten in seiner außerordentlichen Revision, ihm sei das Wohnungsgebrauchsrecht übertragen worden, gehen somit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

4. Auch für eine schlüssige Einräumung eines solchen Rechts finden sich im festgestellten Sachverhalt keine Hinweise; im Übrigen ist gerade für die Frage der schlüssigen Einräumung eines (vertraglichen) Wohnungs‑(gebrauchs‑)rechts unter Familienangehörigen ein strenger Maßstab anzulegen (vgl RIS‑Justiz RS0011850 [T5, T14], RS0011888; 5 Ob 214/10x; 7 Ob 107/17m).

Ein dem Familienverhältnis entspringender tatsächlicher Wohnzustand ist nicht nur anzunehmen, wenn aus dem Familienrechtsverhältnis eine Verpflichtung besteht, anderen Familienangehörigen Wohnung zu geben, denn es gibt zahlreiche aus dem natürlichen Zusammengehörigkeitsgefühl unter Familienangehörigen entspringende tatsächliche Benützungsgewährungen, die rechtlich nicht geregelt, gegen den Willen des Gewährenden nicht rechtlich durchsetzbar und jederzeit widerrufbar sind (RIS‑Justiz RS0020503, RS0020507). Lassen die konkreten Umstände des Falls jedoch auf ein aus dem natürlichen Zusammengehörigkeitsgefühl unter Familienangehörigen entstandenes Wohnverhältnis schließen, so hat nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Benützer des Objekts konkrete Umstände darzulegen und zu beweisen, die einen unzweifelhaften Schluss auf das Vorliegen eines Rechtstitels zur Wohnungsbenützung zulassen (RIS‑Justiz RS0020500). Einen solchen darzustellen, ist dem Beklagten hier nicht gelungen.

5. Aufgrund der von den Vorinstanzen in durchaus vertretbarer Weise angenommenen jederzeit widerrufbaren Benützungsgewährung durch den Kläger gegenüber seinem Sohn (dem Beklagten) aufgrund deren familienrechtlicher Beziehung scheitert auch eine (angebliche) Ersitzung eines Wohnungsgebrauchsrechts. Zum einen war dem Kläger die Nutzung der Liegenschaft durch den Beklagten (wie auch durch den Kläger selbst und die gesamte Familie V*****) als Feriendomizil an Wochenenden und während der Ferien (Urlauben) bekannt, zum anderen können nach § 1462 ABGB unter anderem geliehene Sachen vom Entlehner aus Mangel eines rechtmäßigen Besitzes nicht ersessen werden; dies gilt auch für eine (familienrechtliche) Bittleihe (vgl 1 Ob 661/84 [lediglich Innehabung]).

6.  Der Kläger hat zwar in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten hingewiesen. Allerdings hätte die Revisionsbeantwortung nur vom Obersten Gerichtshof freigestellt werden können (§ 508a Abs 2 ZPO), die Freistellung durch das Berufungsgericht war unbeachtlich (vgl 2. ).

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