OGH 6Ob1622/91(6Ob1623/91)

OGH6Ob1622/91(6Ob1623/91)13.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stephan W*****, vertreten durch Dr.Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei G***** AG, ***** vertreten durch Dr.Thomas Stampfer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 100.000 S s.A. und 2,759.622,40 S s.A., infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23.April 1991, AZ 3 R 254/90 (ON 173), idF des Berichtigungsbeschlusses vom 15.Juli 1991 (ON 175), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Beklagte hat gegen die klageweise erhobenen Schadenersatzansprüche aufrechnungsweise Gegenforderungen eingewendet, die teils auf den Rechtsgrund vertraglich geschuldeten Aufwandersatzes, teils auf den Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung oder den des Schadenersatzes gestützt werden mochten.

Die Klagsforderung wurde mehrfach gepfändet.

Der Kläger rügt nun zum einen die teilweise urteilsmäßige Aufrechnung als Folge einer (nach § 502 Abs 1 ZPO qualifizierten) unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Pfändungswirkungen im Zusammenhang mit einer nach Ansicht des Revisionswerbers erst nach der Pfändung der Klagsforderung hinreichend spezifiziert ausgeführten Gegenforderung. Dabei unterstellt der Revisionswerber offenkundig die These, daß eine erst nach Zustellung des - die Pfändung bewirkenden - Zahlungsverbotes abgegebene Aufrechnungserklärung des Drittschuldners dem betreibenden Gläubiger gegenüber, und zwar ohne Rücksicht darauf, seit wann die Aufrechnungslage bestehe und auf welchen Zeitpunkt die Aufrechnungswirkungen rückzubeziehen wären, (aus rein exekutionsrechtlichen Erwägungen) unwirksam sei.

Zum anderen rügt der Kläger, daß der urteilsmäßigen Aufrechnung mit einer Reihe von Aufwandersatzforderungen die (nach § 502 Abs 1 ZPO zu qualifizierende) unrichtige Rechtsansicht zugrundegelegt worden sei, auch mit einer zwischen Begründung der Aufrechnungslage und Aufrechnungserklärung verjährten Gegenforderung könne noch unwirksam aufgerechnet werden.

Rechtliche Beurteilung

In keinem der beiden Punkte vermag der Revisionswerber dem Berufungsgericht ein Abgehen von der herrschenden Rechtsprechung nachzuweisen.

Mit dem Eintritt der Aufrechnungslage - auf welchen Zeitpunkt die Aufrechnungswirkungen rückzubeziehen wären - erwächst jedem der beiden Schuldner kraft Gesetzes die Befugnis, durch einseitige Erklärung die beiderseitige Schuldtilgung herbeizuführen. Dieses Gestaltungsrecht wird zum Bestandteil des Schuldverhältnisses. Es erlischt grundsätzlich erst mit dem Untergang einer der beiden einander im Aufrechnungsverhältnis gegenüberstehenden Forderungen, mangels einer diesbezüglichen gesetzlichen Reglung aber nicht schon mit dem Verlust der Klagbarkeit der eigenen (Gegen-)forderung durch Verjährung.

Der erkennende Senat sieht sich nicht bestimmt, wegen der in jüngsten Zeit vorgetragenen Kritik (P. Bydlinski RZ 1991, 2 und Eypeltauer, JBl 1991, 137) sowie der geäußerten Bedenken in der Kommentarliteratur (Rummel in Rummel ABGB2 § 1438 Rz 15) von der mit der herrschenden Lehre (Reiterer, Aufrechnung, 27; Gschnitzer im Klang Komm2 VI, 502; Mayrhofer SchR AT, 595;

Faistenberger/Barta/Eccher SchR AT, 232; Koziol-Welser Grundriß9, 282; Honsell in Schwimann ABGB § 1438 Rz 6, Schubert in Rummel ABGB2 § 1451 Rz 1, aber etwa auch schon im Jahre 1887 Engel vor dem deutschen Juristenverein, Jurist. Vierteljahrschrift 1888, 190) übereinstimmenden herrschenden Rechtsprechung (zuletzt 7 Ob 690/86 = MietSlg 38.241 und 2 Ob 27/89) abzugehen, zumal diese Rechtsprechung mit den positiv-rechtlich normierten Wertungen in § 390 Satz 2 BGB und in Art 120 Abs 3 OR völlig im Einklang steht.

Das einmal entstandene Gestaltungsrecht des Schuldners, seine Verbindlichkeit durch Aufrechnung mit einer eigenen Gegenforderung unter Ausschluß eines realen Leistungsaustausches zu tilgen, wird durch ein später begründetes richterliches Pfandrecht nicht beeinträchtigt. Wertungsmäßig steht dies mit den Regelungen zur Aufrechnung im Insolvenzfall im Einklang (vgl Anm. Hoyer zu ZAS 1974/10, S 67) und stimmt auch mit der aus § 1396 ABGB hervorleuchtenden Wertung überein. Die Ansicht wird auch von der Lehre gebilligt (Reiterer, Aufrechnung, 29; Gschnitzer im Klang Komm2 VI, 512; Mayrhofer SchR AT, 608 in Übernahme von Ehrenzweig System2 II/1, 338; Honsell in Schwimann ABGB § 1440 Rz 12; Heller/Berger/Stix Komm z EO, 2234; aA Rummel in Rummel ABGB2 § 1440 Rz 24). Die Auffassung entspricht der positiven Regelung in § 392 BGB, die auch in der schweizerischen Rechtsprechung anerkannt ist (vgl Gausch/Aepli/Casanova, Rechtsprechung des Bundesgerichtes3 253 zu Art 120 OR). Das Revisionsgericht vertritt diese Rechtsansicht in ständiger Rechtsprechung, wenn dies auch mit der in früheren Entscheidungen gelegentlich ausgesprochenen These im Widerspruch steht, daß das Zahlungsverbot auch eine Schuldtilgung durch Aufrechnung, der § 1438 ABGB selbst ausdrücklich Zahlungswirkung beilege, verbiete. Diese in der älteren Rechtsprechung zu Verrechungsverträgen (SZ 10/190, SZ 18/215, Arb 6680, SZ 27/146) vertretene Ansicht wurde in der jüngeren Rechtsprechung ausdrücklich nicht aufrechterhalten (EvBl 1979/114).

Der erkennende Senat vermag in dem an den Drittschuldner gerichteten Zahlungsverbot keine Beschränkung eines diesem bereits zustehenden Gestaltungsrechtes der Aufrechnung erblicken, weil der Zweck des Zahlungsverbotes darin zu sehen ist. Leistungen des Drittschuldners an den Verpflichteten zu verhindern, aus denen die Befriedigung der betriebenen Forderung gefunden werden soll, dieser Zweck aber augenscheinlich verfehlt wird, wenn es kraft Aufrechnung gerade zu einer Leistung gar nicht kommen soll.

Soweit die Beklagte ihre Gegenforderungen auf den Umstand gründet, daß der Kläger auch noch nach rechtswirksamer Aufhebung seines mit der Beklagten über die Nutzung von Straßenbahnseitenwänden abgeschlossenen Vertrages aus der plakatmäßigen Nutzung solcher Straßenbahnseitenwände für seine Werbekunden von diesen Entgelte eingenommen habe, beruht die Anerkennung einer entsprechenden Gegenforderung im Tatsächlichen auf Beweisergebnissen (vor allem dem Sachverständigengutachten) und nicht bloß auf einem (widerrufenen) Tatsachengeständnis und in rechtlicher Beurteilung offensichtlich auf einem über die Grundlagen ungerechtfertigter Bereicherung (angemessenes Nutzungsentgelt unter Bedachtnahme auf die aufgehobene Vereinbarung) hinausgehenden schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkt (schuldhaft rechtswidriger Ausschluß der Beklagten von einer entsprechenden Verwertungsmöglichkeit). Die Revisionsausführungen, die in formeller Hinsicht keine gesonderte Zulassungsbeschwerde iS des § 506 Abs 1 Z 5 ZPO enthalten, lassen auch inhaltlich jeden Hinweis darauf vermissen, worin unter Zugrundelegung des vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhaltes die unrichtige Lösung einer nach § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage gelegen sein soll.

Dasselbe gilt für die zum Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erstatteten Rechtsmittelausführungen.

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