OGH 7Ob690/86

OGH7Ob690/8623.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther P***, Angestellter, Lienz, Gaimberg, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Otto KAS, Kaufmann, München, Inderstorßerstraße 57, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in Lienz, wegen restlicher S 56.028,40 s.A. infolge ao. Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 27. Mai 1986, GZ. 3 a R 207/86-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 21. Jänner 1986, GZ. 2 C 1090/84-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war Pächter der dem Beklagten gehörigen

F*** K*** in Lienz. Das Pachtverhältnis wurde mit 31.10.1983 beendet. Die daraus abgeleiteten Ansprüche des Klägers auf Ablöse des Heizölvorrates und auf Rückzahlung einer Kaution, die der Kläger zusammen mit S 56.716,51 geltend machte und die das Erstgericht als mit S 56.028,40 als zu Recht bestehend erkannte, sind im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

Der Beklagte behauptete unter anderem, daß ihm gegen den Kläger eine Gegenforderung auf Zahlung rückständiger Pachtzinse zumindest in Höhe der Klagsforderung zustehe und wendete diese Forderung aufrechnungsweise ein. Der Kläger erhob gegen diese Gegenforderung die Einrede der Verjährung.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit S 56.028,40 s.A. und die Gegenforderung in dieser Höhe gleichfalls zu Recht bestehe. Es wies demgemäß das auf Zahlung gerichtete Hauptbegehren des Klägers und das damit verbundene Eventualbegehren auf Herausgabe von diversem Pensionsinventar ab. Nach den für das Revisionsverfahren noch relevanten Feststellungen des Erstgerichtes veranlaßte der Beklagte die Rücküberweisung der vom Kläger vom Jänner 1982 bis einschließlich Mai 1983 überwiesenen Pachtzinse von monatlich S 8.103,40. Der angemessene, im voraus zahlbare Pachtzins hätte für die Zeit vom Jänner 1982 bis Mai 1983 monatlich S 5.109,63, zusammen S 86.863,71 betragen. Für die Zeit vom Juni 1983 bis Oktober 1983 wurde vom Kläger ein monatlicher Pachtzins von S 8.103,40 dem Beklagten überwiesen und von diesem auch angenommen. Der angemessene Pachtzins hätte für den Juni 1983 S 5.109,63 und ab Juli 1983 monatlich S 5.386,44 betragen. Für die Zeit vom Juni 1982 bis Mai 1983 ist demnach ein Pachtzins von S 61.315,56 offen.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes seien zwar die Pachtzinse für die Zeit vor dem Juni 1982 verjährt, weil die Aufrechnung erstmals mit dem am 8.5.1985 bei Gericht eingelangten Schriftsatz (ON 8) geltend gemacht worden sei. Der nicht verjährte Teil der Pachtzinse übersteige jedoch die Klagsforderung.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannte und demgemäß dem Kläger S 56.028,40 s.A. zusprach. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nicht zulässig ist. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes fehle der Aufrechnungseinrede des Beklagten die erforderliche Bestimmtheit. Auf eine aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung sei nur dann Bedacht zu nehmen, wenn sie ebenso substantiiert sei, wie dies von der Klagsforderung verlangt werde. Mangels jeglicher Substantiierung seien auch überschießende Feststellungen unbeachtlich. Die Pachtzinse für die Zeit vor dem 10.1.1983 seien überdies verjährt, weil die Unterbrechungswirkung der gerichtlichen Geltendmachung erst mit dem Vortrag des Schriftsatzes ON 8 am 10.1.1986 eingetreten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene ao. Revision des Beklagten ist zulässig, weil die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes über die Berücksichtigung überschießender Feststellungen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht und hinsichtlich der Verjährungsfrage die Rückwirkung der Aufrechnungserklärung nicht beachtet wurde. Die Revision ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Richtig ist, daß das Erfordernis der hinreichenden Substantiierung des Anspruchs auch für dessen Geltendmachung im Wege der Einrede gilt. Es muß daher auch die zur Kompensation eingewendete Gegenforderung ziffernmäßig bestimmt sein (EvBl. 1960/73; 8 Ob 200/80; 7 Ob 232/71). Letzteres trifft hier aber jedenfalls zu, weil das Vorbringen des Beklagten (AS 36) nicht anders verstanden werden kann, als daß ihm eine Gegenforderung von zumindest S 56.716,51 zustehe. Daß darüber hinaus das Vorbringen des Beklagten mangelhaft ist, kann auf sich beruhen, weil das Erstgericht eingehende Feststellungen über Höhe und Zahlung der Pachtzinse durch den Kläger getroffen hat und überschießende Feststellungen, das sind solche, die nicht durch ein entsprechendes Prozeßvorbringen gedeckt sind, nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu berücksichtigen sind, wenn sie in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einrede fallen (SZ 21/123, JBl. 1964, 208; 2 Ob 62/81; 5 Ob 217/75). Daß letzteres hinsichtlich der obgenannten Feststellungen des Erstgerichtes zutrifft, kann nicht zweifelhaft sein, sodaß das Berufungsgericht diese Feststellungen nicht hätte unbeachtet lassen dürfen. Geht man von diesen Feststellungen aus, kommt bei Beurteilung der Verjährungseinrede des Klägers der Frage keine Bedeutung mehr zu, ob die Unterbrechungswirkung der gerichtlichen Geltendmachung der Gegenforderung erst mit dem Vortrag des Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung eintritt. Nach herrschender Auffassung wirkt nämlich die Aufrechnungserklärung zurück. Es wird die Kompensation als in jenem Punkt eingetreten angesehen, in dem Forderung und Gegenforderung einander zum ersten Mal aufrechenbar gegenüberstanden (Koziol-Welser 7 I 254 mwN; P. Bydlinski in DRdA 1984, 246; SZ 48/79; SZ 28/76). Das hat vor allem dann Bedeutung, wenn zur Zeit der Aufrechnungserklärung eine Forderung bereits verjährt wäre. Die Verjährungsgegeneinrede ist daher dann unbeachtlich, wenn im Zeitpunkt der Entstehung der Hauptforderung die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung jedenfalls noch nicht verjährt war (SZ 28/76). Die Hauptforderungen des Klägers waren im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtverhältnisses bzw. der Rückstellung des Pachtobjektes am 31.10.1983 fällig. Zu diesem Zeitpunkt waren aber die rückständigen Pachtzinse keinesfalls verjährt, sodaß der Beklagte diese Forderungen aufrechnungsweise selbst dann geltend machen konnte, wenn sie im Zeitpunkt der Erhebung der Aufrechnungseinrede bereits verjährt gewesen wären. Die seinerzeitige Rücküberweisung der Pachtzinse durch den Beklagten hindert entgegen der Meinung des Klägers die Aufrechnung nicht. Der Beklagte geriet durch die Rücküberweisung nur in Gläubigerverzug. Für die Annahme, daß die Rücküberweisung als schlüssiger Verzicht anzusehen sei, fehlt es an Anhaltspunkten. Ein Verzicht wird auch vom Kläger nicht behauptet. Der Gläubigerverzug hatte aber nicht das Erlöschen der Forderung zur Folge. Der Kläger hätte sich nur durch Hinterlegung von der Schuld befreien können (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu § 1419; vgl. auch Koziol-Welser aaO 227). Bei aufrechter Schuld konnte aber der Beklagte den Annahmeverzug auch durch Aufrechnung beenden. Der Geltendmachung der Gegenforderung steht auch mangels Anspruchsidentität nicht die Rechtskraft der vom Revisionsgegner zitierten Vorentscheidung im Verfahren 2 C 1046/81 des Erstgerichtes entgegen. Der Beklagte hatte in jenem Verfahren seinen Anspruch auf titellose Benützung des Bestandobjektes durch den Kläger gestützt und umfänglich nur für die Zeit vom Jänner 1982 bis September 1982 geltend gemacht (AS 347 in 2 C 1046/81 des Erstgerichtes).

Die Feststellungen des Erstgerichtes über die rückständigen Pachtzinse wurden jedoch vom Kläger bekämpft. Das Berufungsgericht behandelte die Beweisrüge aus rechtlichen Erwägungen nicht. Da aber nach den obigen Darlegungen den bekämpften Feststellungen entscheidende Bedeutung zukommt, erweist sich eine Aufhebung in die zweite Instanz zur Behandlung der Beweisrüge als notwendig. Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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