European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00145.13M.0828.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung
Das Erstgericht setzte den monatlichen Unterhalt für den volljährigen Antragsteller mit 569 EUR monatlich fest. Das Mehrbegehren wies es ab. Trotz zwischenzeitig erreichter Selbsterhaltungsfähigkeit des Antragstellers habe der Antragsgegner für dessen Studium aufzukommen, weil der Antragsteller eine besondere Eignung aufweise und dadurch bessere Chancen am Arbeitsmarkt habe. Eine fiktive Anrechnung der Familienbeihilfe komme nicht in Betracht.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Allfällige Rückforderungsansprüche habe der Antragsgegner im streitigen Verfahren geltend zu machen. Da die Verzögerungen in der Berufsausbildung gerade noch tolerierbar seien, bestehe keine Veranlassung für eine fiktive Anrechnung der Familienbeihilfe.
Nachträglich änderte das Rekursgericht seinen Zulässigkeitsausspruch dahingehend ab, dass es den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärte. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob der geldunterhaltspflichtige Elternteil allein das Risiko der Berufswahl des volljährigen unterhaltsberechtigten Kindes zu tragen habe oder ob die Familienbeihilfe nach deren Wegfall fiktiv anzurechnen sei.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RIS‑Justiz RS0042392) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
1.1. Gemäß § 2 FamLAG hat ein volljähriges studierendes Kind grundsätzlich bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres bzw in Ausnahmefällen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres Anspruch auf Familienbeihilfe.
1.2. Die Familienbeihilfe soll die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern sowie die mit dessen Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen. Sie ist als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: Den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten („Familienlastenausgleich“, vgl RIS‑Justiz RS0058747). Soweit der Gesetzgeber die steuerliche Mehrbelastung eines Unterhaltspflichtigen durch (erhöhte) Transferleistungen kompensierte, nahm er damit in Kauf, dass diese Transferleistungen in bestimmten Situationen und in unterschiedlicher Höhe nicht (nur) für die Abgeltung der Betreuungsleistungen bestimmt, sondern zum Teil auch Messgrößen für die steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen sind (RIS‑Justiz RS0058747 [T3]).
1.3. Die Transferleistungen Unterhaltsabsetz-betrag, Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe sollen ‑ neben der Abgeltung von Betreuungsleistungen ‑ auch zur steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils durch Unterhaltskürzung als Messgrößen herangezogen werden (RIS‑Justiz RS0117082). Dabei darf die Familienbeihilfe nicht zur Gänze für die steuerrechtlich gebotene Kürzung des Geldunterhalts herangezogen werden, sondern muss in einem noch angemessenen Ausmaß weiterhin als Betreuungshilfe dienen (RIS‑Justiz RS0117201 [T1]). Die Familienbeihilfe soll die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken, damit dieser für die Hälfte des von ihm gezahlten Unterhalts steuerlich entlastet wird (RIS‑Justiz RS0117015 [T11]).
2.1. Ein noch nicht selbsterhaltungsfähiges studierendes Kind hat so lange Anspruch auf Unterhalt, als es sein Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt (RIS‑Justiz RS0110600 [T6]). Die Gewährung der Familienbeihilfe muss nicht bindend zur Bejahung der Frage nach ernsthaftem Bemühen zur Erreichung der Matura bzw des Studienabschlusses führen (vgl RIS‑Justiz RS0110600 [T7]). Bei der Beurteilung der Frage, ob das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird, ist nur der tatsächliche Studienfortgang ex post zu betrachten (RIS‑Justiz RS0110600 [T8]). Die Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe ist nur ein Indiz bzw eine grobe Orientierung für die Frage, ob ein Studium zielstrebig und ernsthaft betrieben wird (RIS‑Justiz RS0110600 [T9]).
2.2. Eine durch Art 72 des Strukturanpassungsgesetzes BGBl 1996/201 herbeigeführte Änderung des FamLAG ist dann zu berücksichtigen, wenn sie nicht eindeutig budgetären Gründen zugeordnet werden kann. Demnach ist nunmehr die während der einzelnen Studienabschnitten zurückgelegte Studienzeit zu berücksichtigen. Dagegen kommt es für den Unterhaltsanspruch des Kindes nicht auf das für den Anspruch auf Familienbeihilfe maßgebende Höchstalter und ferner auch nicht auf das gemäß § 2 Abs 1 lit b bb FamLAG idF Strukturanpassungsgesetz zum Verlust des Anspruchs auf Familienbeihilfe führende Überschreiten der für einen Studienabschnitt vorgesehenen Studienzeit um ein Semester an, weil für diese Regelungen offensichtlich budgetäre Gründe ausschlaggebend waren. Entscheidend bleibt vielmehr weiterhin die durchschnittliche Studiendauer, wobei diese allerdings nunmehr infolge der durch das Strukturanpassungsgesetz herbeigeführten Änderungen des FamLAG auf die einzelnen Studienabschnitte abzustellen ist (RIS‑Justiz RS0110596).
3. Für eine „fiktive“ Anrechnung der ‑ in Wahrheit nicht mehr zustehenden ‑ Familienbeihilfe besteht ‑ wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten ‑ kein Raum, zumal das in § 2 FamLAG normierte Höchstalter in keinem Zusammenhang mit dem Unterhaltsrecht steht. Die Familienbeihilfe ist vielmehr nur so lange anzurechnen, als sie tatsächlich gewährt wird. Im Übrigen übersieht der Revisionsrekurswerber, dass selbst im Fall der Gewährung von Familienbeihilfe niemals die gesamte Familienbeihilfe, sondern nur insoweit anzurechnen ist, dass der Unterhaltspflichtige für die Hälfte des von ihm gezahlten Unterhalts steuerlich entlastet wird. Insoweit ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.
4.1. Nach ständiger Rechtsprechung verliert ein Kind nicht schon deshalb seinen Unterhaltsanspruch, weil es nicht sogleich nach einer Matura ein Studium beginnt oder ein aufgenommenes Studium aufgrund „besserer Einsicht“ wechselt, weil einerseits für die Wahl eines die Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Studiums eine gewisse Überlegungszeit nötig ist und andererseits dennoch erst im späteren Verlauf des Studiums sich die Unrichtigkeit der zunächst getroffenen Studienwahl herausstellen kann. Diese „Überlegungs‑ oder Korrekturfristen“ müssen aber auch für andere in Berufsausbildung oder am Beginn der Berufsausübung stehende Kinder gelten, selbst wenn diese bereits eine gewisse Zeit lang selbsterhaltungsfähig waren. Bei solchen Entscheidungen eines Kindes dürfen jedoch Schuldzuweisungen mit der Rechtsfolge der bleibenden, hypothetischen Selbsterhaltungsfähigkeit keine entscheidende Bedeutung haben. Vielmehr ist immer am Kindeswohl zu messen, ob solche Veränderungen in der Ausbildung oder am Beginn des Berufslebens eines Kindes dessen Lebensverhältnisse entscheidend verbessern können. Erst danach ist zu prüfen, ob dem ‑ diesem Vorhaben widersprechenden ‑ Unterhaltspflichtigen die Verlängerung oder das Wiederaufleben seiner Unterhaltsverpflichtung nach seinen Lebensverhältnissen zumutbar ist. In jedem Fall aber sind unter solchen Umständen an die Verlängerung oder das Wiederaufleben der Unterhaltsverpflichtung besondere Anforderungen in der Richtung zu stellen, dass der neue Ausbildungs‑ bzw Studienweg den Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes besonders entspricht, von diesem mit sicherem Erfolg bewältigt wird und gegenüber dem aufgegebenen Ausbildungs‑ bzw Beschäftigungszweig womöglich bessere, jedenfalls aber gesicherte Berufsausübungs‑ und Einkommensmöglichkeiten eröffnet (2 Ob 97/97x).
4.2. Die Beurteilung, ob ein Studium ein besseres Fortkommen erwarten lässt, hat regelmäßig nur nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0047580 [T1]). Wenn die Vorinstanzen in Anbetracht des deutlich überdurchschnittlichen Einkommens des Kindesvaters zu dem Ergebnis gelangten, dass dem Unterhaltspflichtigen ein Wiederaufleben seiner Unterhaltsverpflichtung zumutbar ist, so ist dies nicht zu beanstanden. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG).
5. Ein Begehren auf Rückzahlung zu viel gezahlter Unterhaltsbeiträge ist nicht im Außerstreitverfahren, sondern im streitigen Verfahren geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0114452). Die Aufrechnungseinrede ist daher unzulässig (vgl 5 Ob 294/09b).
6. Zusammenfassend hängt die Entscheidung im vorliegenden Fall daher nicht von einer Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität ab, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
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