European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00092.13K.0716.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Antragstellerinnen wird Folge gegeben, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Das im Eigentum des Antragsgegners stehende Haus *****, wurde um das Jahr 1896 erbaut. Damals war eine Feuchtigkeitsabdichtung von Kellergeschoßen bei derartigen Häusern nicht üblich. Das Haus verfügt dementsprechend auch über keine Feuchtigkeitsisolierung im Keller.
Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerinnen hatte im Jahr 1946 Räumlichkeiten im Mezzanin des Hauses zum Zweck des Betriebs einer Tanzschule gemietet. Später mietete sie weitere Räumlichkeiten im Hochparterre des Hauses dazu. Auch hier war der vereinbarte Verwendungszweck der Betrieb einer Tanzschule. Im Jahr 1989 kam es zum Neuabschluss eines Mietvertrags, wobei die Antragstellerinnen und die bisherige Mieterin gemeinsam Mitmieter der Räumlichkeiten wurden und das Bestandobjekt um Räume im Souterrain des Hauses im Gesamtausmaß von ca 91 m2 erweitert wurde. Dabei handelt es sich um eine ehemalige Hausbesorgerwohnung und ein ehemaliges Geschäftslokal, die beide seit Jahren leer standen, sowie vier Kellerabteile im Ausmaß von insgesamt 19,39 m2 samt vorgelagertem Gang. Nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsteile sollten die Souterrainräume von den Mieterinnen auf eigene Kosten saniert und adaptiert werden (mit Ausnahme der Kellerabteile) und der Erweiterung der Tanzschule dienen. Der Rechtsvorgänger des Antragsgegners unterfertigte auch einen von einem Architekten erstellten Einreichplan für den Umbau, wonach im Souterrain ein Tanzsaal samt Garderobe und WC errichtet werden sollte. Im Zuge dieses Umbaus wurden die meisten Wände im Souterrain mit Vorsatzschalen aus Gipskarton verkleidet.
Sowohl die Außenmauern als auch die Mittelmauer des Bestandobjekts im Souterrainbereich sind stark durchfeuchtet. Diese Durchfeuchtung gefährdet aus technischer Sicht die Substanz des Hauses, insbesondere die Tragfähigkeit der einzelnen Mauern und die Statik des Hauses „nicht unmittelbar“. Bedingt durch die Mauerfeuchtigkeit ist jedoch Schimmel im Bereich zwischen den Ziegelmauern und den Vorsatzschalen aufgetreten, der in allen Räumen des Souterrainbereichs eine derart hohe Konzentration an Schimmelpilzsporen in der Raumluft bewirkt, dass ein längerer Aufenthalt von Personen dort gesundheitsgefährdend ist. Rein oberflächliche Maßnahmen wie Abwaschen oder Abkratzen beseitigen die Schimmelpilzbildung nicht. Eine nachhaltige, also mehrere Jahrzehnte wirksame Sanierung der bestehenden Mängel ist nur durch Trockenlegung des Mauerwerks möglich. Diese Trockenlegung kann wirksam dadurch erfolgen, dass in sämtlichen tragenden Mauern des Souterrainbereichs des Bestandobjekts eine Horizontaldichtung eingezogen wird, und zwar dadurch, dass die aufgehenden Wandflächen angebohrt werden und in die Bohrlöcher Kieselsäure drucklos eingebracht wird. Durch diese Injektionsmethode wird ein dichter horizontaler Block im Mauerwerk gebildet. Eine nachhaltige Trockenlegung des Souterrainbereichs erfordert auch ein Aufgraben des Erdreichs im Bereich der Außenmauern und eine vertikale Abdichtung und Hinterfüllung der Außenmauern bis zum Oberkantenniveau. Ein bloßes Entfernen der Vorsatzschalen und des dahinter liegenden Schimmels und Trocknungsmaßnahmen können nicht verhindern, dass bald neuerlich Feuchtigkeit und Schimmelbefall in einem Ausmaß auftritt, das die Räume für den Aufenthalt von Personen ungeeignet macht.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehren die Antragstellerinnen, dem Antragsgegner eine Sanierung der straßenseitigen Außenmauern des Hauses und eine Beseitigung der Feuchtigkeits‑ und Schimmelschäden in den von ihnen gemieteten Souterrainräumlichkeiten im oben festgestellten Umfang durch Trockenlegung der Mauern im Inneren und der Außenmauern durchzuführen (ein Mehrbegehren bezüglich Sanierung auch der hofseitigen Außenmauern wurde bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgewiesen). Die gegebene Situation in den Souterrainräumlichkeiten stelle einen ernsten Schaden des Hauses und überdies eine erhebliche Gesundheitsgefährlichkeit für die Benützer des Bestandobjekts dar.
Der Antragsgegner bestritt das Begehren und beantragte dessen Abweisung. Ein ernster Schaden des Hauses liege keinesfalls vor. Allfällige Schäden seien durch das Verhalten der Mieterinnen selbst verursacht worden bzw durch einen unsachgemäßen Umbau der Souterrainräumlichkeiten hervorgerufen. Die von den Antragstellerinnen begehrte Herstellung eines mängelfreien Zustands stelle in Wahrheit eine Verbesserungsmaßnahme dar, zu der der Antragsgegner nicht verpflichtet sei. Insbesondere sei er nicht verpflichtet, die Außenmauern zu sanieren.
Das Erstgericht gab dem Begehren der Antragstellerinnen (im zweiten Rechtsgang) Folge und trug dem Antragsgegner die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden an den straßenseitigen Außenmauern und im Souterrain des Bestandobjekts durch Schaffung einer Horizontalabdichtung im Inneren des Objekts sowie Vertikalabdichtung durch Aufgraben, Abdichten und Hinterfüllen an der Außenseite der Mauern auf. Die nachhaltige Beseitigung der Feuchtigkeits‑und Schimmelschäden falle zufolge § 3 Abs 2 Z 2 MRG in die Erhaltungspflicht des Vermieters, weil es um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses und um die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung gehe. Maßstab seien der vertraglich vereinbarte Verwendungszweck und der ursprüngliche Zustand des Hauses. Wenn auch im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes die Anbringung einer Feuchtigkeitsabdichtung im Kellerbereich nicht üblich gewesen sei, führe doch unter Berücksichtigung des vereinbarten Verwendungszwecks die bestehende Feuchtigkeits‑ und Schimmelsituation dazu, dass ein längerer Aufenthalt von Personen gesundheitsgefährdend sei. Hauptursache sei die vorhandene Durchfeuchtung durch aufsteigende Grundfeuchtigkeit infolge fehlender Feuchtigkeitsabdichtung im Kellergeschoß. Schon der Umfang der erforderlichen Arbeiten bewirke die Qualifikation als ernster Schaden des Hauses.
Dem dagegen vom Antragsgegner erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und wies den Antrag ab.
Dass mittlerweile das Bestandverhältnis der Antragstellerinnen rechtskräftig aufgekündigt sei (4 Ob 124/12g), könne als gegen das Neuerungsverbot verstoßend im Rechtsmittelverfahren keine Beachtung finden. Maßgeblich sei die Sachlage im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die zwingende und unabdingbare Erhaltungspflicht des Vermieters im Vollanwendungsbereich des MRG sei auf jene Arbeiten reduziert, die der Behebung von ernsten Schäden des Hauses oder der Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden, erheblichen Gesundheitsgefährdung dienten. Dabei komme der Abgrenzung von Erhaltungs‑ zu Verbesserungsarbeiten besondere Bedeutung zu. Erhaltungsarbeiten zielten prinzipiell darauf ab, einen ordnungsgemäßen Zustand wiederherzustellen, also eine bestehende Störung oder einen Mangel zu beseitigen. Die Erhaltungspflicht diene nicht dazu, den Mietgegenstand oder Benützungsbedingungen zu verbessern bzw neue Gegebenheiten zu schaffen. Die Räumlichkeiten im Souterrain, auf die sich der Verbesserungsanspruch der Antragstellerinnen beziehe, seien im Vertrag als „Kellerräumlichkeiten“ bezeichnet. Die Mieterinnen hätten es übernommen, diese für eigene Zwecke auf eigene Kosten zu sanieren und zu adaptieren. Das Haus habe niemals über eine Feuchtigkeitsabdichtung verfügt, sodass die aufsteigende Grundfeuchtigkeit von jeher seit Errichtung des Hauses, also auch im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags durch die Antragstellerin, vorhanden gewesen sei. Die von den Antragstellerinnen gemieteten Souterrainräumlichkeiten seien zum Betrieb einer Tanzschule grundsätzlich nicht geeignet gewesen; deshalb sei den Antragstellerinnen diesbezüglich auch das Recht der Teilkündigung und der Rückgabe an den Bestandgeber eingeräumt worden. Dass die von den Mieterinnen vorgenommene Adaptierung fehlgeschlagen sei, führe nicht zu einer Erhaltungspflicht des Vermieters. Vielmehr ziele das Begehren der Antragstellerinnen auf die Herstellung eines gegenüber dem Zeitpunkt der Anmietung verbesserten Zustands des Objekts ab. Ein ernster Schaden der Substanz des Hauses sei nicht erwiesen.
Hinsichtlich der gesundheitsgefährdenden Schimmelbildung habe ebenfalls zu gelten, dass der Bestandgeber keinen anderen Zustand schulde als jenen, der im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses vorhanden gewesen sei.
Das Rekursgericht lehnte daher eine Erhaltungspflicht des Vermieters ab, wobei es noch darauf hinwies, dass hinsichtlich der straßenseitigen Außenmauern im ersten Rechtsgang unbekämpft festgestellt worden sei, dass die dort bestehenden Mängel als geringfügig zu bezeichnen seien.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs aufgrund der Einzelfallbezogenheit des Falls nicht zulässig sei.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerinnen mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Antragsgegner beantragte in seiner bereits vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof (§ 68 Abs 3 Z 3 AußStrG) erstatteten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben, in eventu ihn zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen ist zulässig, weil das Rekursgericht den Umfang der Erhaltungspflicht des Vermieters unrichtig beurteilte.
Der Revisionsrekurs ist auch im Sinn des in ihm gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Während die Erhaltungspflicht nach § 1096 ABGB bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit abbedungen werden kann, sind die sich aus § 3 MRG ergebenden Pflichten zugunsten des Mieters zwingend (Prader, MRG³ § 3 Anm 2; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I22 § 3 MRG Rz 1). § 3 MRG ist insoferne eine Sonderbestimmung, die im Bereich der Erhaltung eine eigene, vollständige, abschließende und inhaltlich andere Regelung trifft als die in diesem Umfang verdrängte Norm des § 1096 ABGB (5 Ob 288/08a immolex 2009/81; 5 Ob 17/09z SZ 2009/33 = wobl 2009/79 jeweils mwN; RIS‑Justiz RS0124632).
Die vom Rekursgericht vorgenommene Beurteilung, dass die bei Mietvertragsabschluss über die Souterrainräumlichkeiten zur Erweiterung des Betriebs der Tanzschule der Mieter fehlende Eignung des Objekts zu diesem Zweck von Seite der Bestandnehmer unter Verzicht auf eine Erhaltungspflicht des Vermieters gebilligt worden sei, ist daher abzulehnen (1 Ob 589/94 MietSlg 46.224; 3 Ob 79/99k MietSlg 51.243/27; RIS‑Justiz RS0021223). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es die Bestandgeber seinerzeit übernommen haben, auf eigene Kosten die Brauchbarkeit für den Tanzschulbetrieb herzustellen.
Daher trägt auch das Argument, dem Bestandnehmer sei es verwehrt, die Herstellung eines gegenüber dem Urzustand verbesserten Zustands zu begehren, nicht.
Zum Umfang der Erhaltungspflicht:
Nach den auf einem Sachverständigengutachten basierenden Feststellungen resultiert die aufsteigende Grundfeuchtigkeit in den Souterrainräumlichkeiten aus der im Zeitpunkt der Errichtung des Hauses üblichen Bauausführung, die keine Isolierung gegen aufsteigende Grundfeuchtigkeit vorsah.
Aus den maßgeblichen Feststellungen geht aber weiters hervor, dass durch die dergestalt vorhandene hohe Mauerfeuchtigkeit in den Wänden des Souterrains die Substanz des Hauses, insbesondere auch die Tragfähigkeit der einzelnen Mauern und die Statik des Hauses „nicht unmittelbar“ gefährdet ist (Seite 8 des erstinstanzlichen Sachbeschlusses = AS 292).
Es ist daher die Ansicht nicht zu billigen, dass es bei den von den Mieterinnen begehrten Arbeiten um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses geht.
Zufolge § 3 Abs 2 MRG fällt die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung in die unabdingbare Erhaltungspflicht des Vermieters. Dass diese Voraussetzung hier gegeben ist, weil sich im Souterrainbereich des Bestandgegenstands eine derart hohe Konzentration an Schimmelpilzsporen in der Raumluft findet, dass ein längerer Aufenthalt gesundheitsgefährdend ist, ist unstrittig und stellt einen vom Vermieter zu beseitigenden Zustand dar. Zu Recht weisen die Revisionsrekurswerberinnen insofern auf die der Entscheidung 5 Ob 148/12v immolex 2013, 76 (Pfiel) = wobl 2013/49 vergleichbare Rechts‑ und Sachlage hin. Souterrainräumlichkeiten, die zum Zweck des Betriebs einer Tanzschule vermietet werden, sind bezüglich der Erhaltungspflicht nicht anders zu beurteilen als Wohnräume. Auch hier ist mit der vereinbarten Nutzungsart ein längerer Aufenthalt von Personen in den vermieteten Räumen verbunden.
Allerdings ist ‑ und auch insofern ist der vorliegende Sachverhalt mit dem der Entscheidung 5 Ob 148/12v zugrunde liegenden vergleichbar ‑ nur erforderlich, dass das gesundheitsgefährdende Element ‑ hier die Belastung der Raumluft mit Schimmelsporen ‑ beseitigt wird. Dass mit der Durchführung notwendiger Erhaltungsarbeiten immer auch die Beseitigung der Schadensursache, die auch hier in der Bauweise des Hauses liegt, bewirkt werden müsste, ist den gesetzlichen Grundlagen nicht zu entnehmen (5 Ob 148/12v). Die von den Antragstellerinnen begehrten und vom Erstgericht aufgetragenen Erhaltungsarbeiten sind aber derart weitgehend, dass damit Korrekturen an der Bauweise des Hauses vorgenommen werden, die das Aufsteigen von Grundfeuchtigkeit und damit die Schadensursache auf Dauer beseitigen.
Das Erstgericht hat ausgehend von seiner Rechtsansicht, dass sich der Erhaltungsanspruch des Mieters auch auf die gänzliche Ursachenbeseitigung bezieht, unterlassen, zu prüfen, ob nicht wirtschaftliche und technische Gegebenheiten und Möglichkeiten (im Sinn der Generalklausel des § 3 Abs 1 MRG) bestehen, die gesundheitsgefährdende Schimmelbildung im Bestandobjekt zu beseitigen. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungsgrundlagen dafür zu gewinnen haben, durch welche andere Maßnahmen, wie etwa das Abschlagen des Verputzes bzw die Neuanbringung eines Spezialverputzes und einer atmungsaktiven Farbe, die Schimmelbildung für einen überschaubaren Zeitraum hintangehalten werden kann (vgl auch in diesem Sinn nochmals 5 Ob 148/12v).
Das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Sanierungsbedürftigkeit der straßenseitigen Außenmauern des Hauses überhaupt maßgebliche Feststellungen fehlen. Auch das wird vom Erstgericht im fortgesetzten Verfahren nachzutragen sein.
Eine Aufhebung erweist sich damit als unumgänglich.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.
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