OGH 5Ob76/14h

OGH5Ob76/14h30.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** Q*****, 2. J***** Q*****, beide *****, vertreten durch Dr. Ägidius Horvatits Rechtsanwalts KG in Salzburg, gegen die beklagte Partei A***** Q*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Maurer, Rechtsanwalt in Golling, wegen Zivilteilung (38.300 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Februar 2014, GZ 6 R 32/14i‑34, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 24. November 2013, GZ 12 Cg 161/10i‑30, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00076.14H.0630.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.163,41 EUR (darin enthalten 360,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Kläger sind gemeinsam zu drei Viertel und die Beklagte zu einem Viertel Miteigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Zweifamilienhaus. Die Beklagte bewohnt das Erdgeschoss des Hauses, die Kläger benützen gemeinsam mit ihren Kindern die Räumlichkeiten im Obergeschoss und dem nachträglich ausgebautem Dachgeschoss.

Das Erstgericht gab der auf Zivilteilung gerichteten Klage statt und hob die Gemeinschaft des Eigentums auf.

Gegen dieses Urteil erhob die Beklagte unter Hinweis auf eine von ihr zum erstinstanzlichen Verfahren eingebrachte Wiederaufnahmsklage Berufung „für den Fall, dass der Wiederaufnahmsklage nicht stattgegeben wird“.

Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung seien bedingte Prozesshandlungen nur sehr eingeschränkt und nur dort zulässig, wo der Ablauf des Verfahrens bereits durch unbedingte Prozesshandlungen sichergestellt sei. In der Rechtsprechung sei der Formulierung „für den Fall“ wiederholt der Sinngehalt einer Bedingung beigemessen worden. Die Einleitung eines Rechtsmittelverfahrens könne nicht bedingt erfolgen, weswegen die Berufung zurückzuweisen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), jedoch nicht berechtigt.

1. Bei der Auslegung von Prozesshandlungen sind objektive Maßstäbe anzulegen und nicht die Auslegungsregeln für Rechtsgeschäfte (§§ 914 ff ABGB) heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0097531). Bei der Auslegung ist daher nur der objektive Erklärungswert, nicht aber auch der in der Prozesshandlung nicht zum Ausdruck gebrachte Parteiwille zu berücksichtigen ( Fasching in Fasching/Konecny² II/1 Einl Rz 94 mwN). Es kommt daher darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozesszwecks und der dem Gericht und Gegner bekannten Prozess‑ und Aktenlage objektiv verstanden werden muss (RIS‑Justiz RS0037416; RS0017881).

2. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der von der Beklagten verwendeten Formulierung „für den Fall, dass ...“ in der Rechtsprechung wiederholt die Bedeutung einer Bedingung beigemessen wurde (vgl RIS‑Justiz RS0037502 [T6, T12, T18]). Auch im vorliegenden Fall lässt der objektive Erklärungswert der von der Beklagten verwendeten Formulierung nur die Deutung zu, dass sie die Berufung unter der aufschiebenden Bedingung erhoben hat, dass ihrer Wiederaufnahmsklage gegen das erstgerichtliche Urteil nicht stattgegeben werde. Die dem klaren Wortlaut entgegenstehende Parteienabsicht, auf die sie sich nunmehr beruft, ist bei der gebotenen Auslegung von Prozesserklärungen nach rein objektiven Maßstäben unerheblich.

3. Bedingte Prozesshandlungen sind nach der ständigen Rechtsprechung zulässig, wenn die Bedingung in einem innerprozessualen Umstand oder Vorgang besteht und ihre Beachtung nicht dazu angetan ist, die Vorhersehbarkeit des weiteren Prozessverlaufs für das Gericht oder den Prozessgegner in unerträglicher Weise zu beeinträchtigen (RIS‑Justiz RS0037502; RS0006441; RS0006954 [T4]; Fasching aaO Rz 98). Die Einleitung des Verfahrens selbst kann ebenso wenig bedingt erfolgen, wie die Einleitung eines diesbezüglichen Rechtsmittelverfahrens ( Fasching aaO Rz 99; 5 Ob 20/94 [Zurückweisung eines bedingt erhobenen Revisionsrekurses], 4 Ob 600/75 [Zurückweisung einer bedingt erhobenen Revision]).

4. Auch wenn die Wiederaufnahmsklage in ihrer Funktion (auch) derjenigen eines Rechtsmittels verwandt sein mag (vgl Kodek in Rechberger , ZPO 4 Vor § 529 Rz 1), stellt sie doch eine eigenständige Klage dar, die der Einleitung eines neuen, wenn auch zunächst auf Aufhebung einer Entscheidung gerichteten Verfahrens dient (8 Ob 25/08x). Die Beklagte hat ihre Berufung unter der aufschiebenden Bedingung der Abweisung ihrer gegen das Ersturteil erhobenen Wiederaufnahmsklage und damit abhängig vom Ausgang eines anderen Verfahrens erhoben. Eine solche bedingte Prozesshandlung ist unzulässig, weswegen das Berufungsgericht ihr Rechtsmittel zu Recht zurückgewiesen hat.

Dem Rekurs ist damit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Der Einheitssatz beträgt jedoch nur 50 % (§ 23 Abs 3 RATG).

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