Spruch:
Das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwaltes nach § 19a RAO entsteht mit der Rechtskraft der über den Kostenersatz absprechenden Entscheidung und ist, auch wenn über das Vermögen des Mandanten schon der Konkurs eröffnet wurde, im Konkursverfahren als Absonderungsrecht geltend zu machen
OGH 21. Oktober 1980, 5 Ob 626/80 (LG Innsbruck 3 R 121/80; BG Innsbruck 13 C 2615/79)
Text
Über das Vermögen des Dr. Erich K wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 1978, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Der nunmehr beklagte Rechtsanwalt hat den in einer Rechtssache des Landesgerichtes Innsbruck beklagten Dr. Erich K rechtsfreundlich vertreten. Mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Mai 1979 wurde in diesem Verfahren das Klagebegehren abgewiesen und die dortige klagende Partei X verpflichtet, Dr. Erich K zu Handen seines Vertreters die mit 16 887 S bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen. Die Kostenschuldnerin überwies diesen Betrag an ihren Rechtsvertreter, der ihn trotz Kenntnis von der Eröffnung des Konkursverfahrens und obwohl der nunmehrige Kläger als Masseverwalter die Zahlung an ihn begehrt hatte, an den nunmehrigen Beklagten weiterleitete.
Mit der am 3. September 1979 eingebrachten Klage begehrte der Masseverwalter im Konkurse über das Vermögen des Dr. Erich K diesen Betrag vom Beklagten, weil ihm im Hinblick auf die erst nach der Konkurseröffnung erfolgte Zahlung weder ein Pfandrecht nach § 19a RAO zustehe noch eine Aufrechnung nach § 20 KO zulässig sei. Da sich der Beklagte weigere, den Betrag herauszugeben, habe er (Masseverwalter) schon im Interesse der Konkursgläubiger für die Hereinbringung der Forderung Sorge zu tragen.
Demgegenüber wendete der Beklagte ein, daß er gegen Dr. Erich K umfangreiche Honorarforderungen, zuletzt aus der Vertretung im Rechtsstreit vor dem Landesgericht Innsbruck, mindestens in Höhe der vom Gericht rechtskräftig mit 16 887 S bestimmten Kosten habe. Nach § 19a RAO habe er an den Zahlungseingängen seiner Parteien ein gesetzliches Pfandrecht zugunsten seiner Kostenforderung, dessen Entstehung auch noch nach Konkurseröffnung möglich gewesen sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil die Kostenforderung gemäß § 1 KO bereits Bestandteil der Masse geworden sei, bevor sie nach Konkurseröffnung an den Beklagten gelangte. Ein gesetzliches Pfandrecht gemäß § 19a RAO habe daher rechtmäßig nicht mehr begrundet werden können.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes die neuerliche Verhandlung und Entscheidung auf. Es ging bei seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, daß der ersiegte Kostenersatzanspruch der Partei und nicht ihrem Vertreter zustehe, dieser aber gemäß § 19a RAO wegen seines und seiner Vorgänger Anspruches auf Ersatz der Barauslagen und auf Entlohnung für die Vertretung in diesem Verfahren ein Pfandrecht an der Kostenersatzforderung habe, die seiner Partei gegen den Prozeßgegner zugesprochen worden ist. Es handle sich hiebei um ein gesetzliches Pfandrecht, das zu seiner Entstehung keines Pfändungsaktes bedürfe. Das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwaltes nach § 19a RAO entstehe vielmehr stets zugleich mit dem Entstehen der Kostenforderung des Mandaten gegen den Prozeßgegner, also mit dem gerichtlichen Kostenzuspruch an die vom Rechtsanwalt vertretene Partei. Die Kostenersatzforderung werde sohin nur mit der Belastung durch das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwaltes existent, das nur dann nicht entstehen könne, wenn der Kostenforderung eine ihre sofortige Vernichtung bewirkende aufrechenbare Gegenforderung entgegenstehen würde, was im vorliegenden Falle aber nicht geltend gemacht worden sei. Sowohl das gesetzliche Zurückbehaltungsrecht nach § 19 RAO als auch das gesetzliche Pfandrecht des Beklagten an der Kostenersatzforderung seiner Partei seien erst nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Dr. Erich K entstanden. Die Kostenersatzforderung des Gemeinschuldners habe daher wohl zur Konkursmasse gehört und sei seiner freien Verfügung entzogen gewesen. Es habe weder der Gemeinschuldner selbst seine Kostenersatzforderung rechtsgeschäftlich verpfänden (§ 3 Abs. 1 KO) noch habe wegen einer Forderung gegen den Gemeinschuldner ein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden können (§ 10 Abs. 1 KO). Das Pfandrecht des Rechtsanwaltes nach § 19a RAO sei aber ein gesetzliches Pfandrecht, zu dessen Begründung es weder einer Verfügung des Schuldners noch einer richterlichen Verfügung bedürfe. Gesetzliche Pfandrechte könnten also auch dann geltend gemacht werden, wenn der Tatbestand, durch den sie ausgelöst werden, erst während des Konkursverfahrens verwirklicht werde. Die Entscheidung SZ 30/27 habe im Falle eines gesetzlichen Zurückbehaltungsrechtes nach § 19 RAO unberücksichtigt gelassen, daß dieses im Konkurs gemäß § 10 Abs. 2 KO wie ein gesetzliches Pfandrecht zu behandeln ist. Es sei somit grundsätzlich die Möglichkeit zu bejahen, daß für den Beklagten trotz des bereits eröffneten Konkursverfahrens mit dem Entstehen der Kostenforderung seines Mandanten im Rechtsstreit des Landesgerichtes Innsbruck ein gesetzliches Pfandrecht an dieser Kostenersatzforderung begrundet worden ist und daß der Beklagte mit dem Eingang des Kostenbetrages in seiner Kanzlei an diesem ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht erworben hatte, das im vorliegenden Verfahren aber bisher nicht ausdrücklich geltend gemacht worden sei. Voraussetzung für die Entstehung dieses gesetzlichen Pfandrechtes sei aber, daß zu diesem Zeitpunkt dem Beklagten gegenüber Dr. Erich K (noch) ein Anspruch auf Ersatz der Barauslagen und auf Entlohnung für die Vertretung im angeführten Verfahren zugestanden ist. Da dies seitens des Klägers bestritten worden sei und das Erstgericht dazu keine Feststellungen getroffen habe, sei das Verfahren im Sinne des § 496 Abs. 1 Z. 3 ZPO ergänzungsbedürftig. Es könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß der Beklagte von Dr. Erich K. für die Vertretung in diesem Verfahren durch entsprechende Vorschüsse seinen Honoraranspruch und seine Barauslagen bereits zur Gänze oder zum Teil erhalten habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 19 RAO sind Rechtsanwälte berechtigt, von den bei ihnen für die vertretenen Parteien eingegangenen Barschaften die Summe ihrer Auslagen und ihres Verdienstes abzuziehen. Das Zurückbehaltungsrecht ist gemäß § 10 Abs. 2 KO im Konkurs wie ein Pfandrecht zu behandeln (Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 545).
§ 19a RAO gibt dem Rechtsanwalt wegen seines und seiner Vorgänger Anspruches auf Ersatz der Barauslagen und auf Entlohnung für die Vertretung in einem Verfahren vor einem Gericht, einer anderen öffentlichen Behörde oder einem Schiedsgerichte ein Pfandrecht an der Kostenersatzforderung, die seiner Partei zugesprochen oder vergleichsweise zugesagt worden ist. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß das Pfandrecht des Rechtsanwaltes im Sinne der angeführten Bestimmung mit der Rechtskraft der über den Kostenersatz absprechenden Entscheidung entsteht und die Kostenersatzforderung des Mandanten gegen den Prozeßgegner nur mit der Belastung durch das gesetzliche Pfandrecht des Rechtsanwaltes existent wird (vgl. SZ 26/98; EvBl 1972/302; Fasching II, 308 f.). Voraussetzung für die Begründung des Pfandrechtes ist der Anspruch des Rechtsanwaltes, der die Partei zuletzt vertreten hat, auf Ersatz seiner Barauslagen und auf Entlohnung für die Vertretung im Verfahren. Wie das Berufungsgericht weiters zutreffend erkannt hat, ist für die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache entscheidend, ob ein Pfand- bzw. Zurückbehaltungsrecht des beklagten Rechtsanwaltes im Sinne der dargelegten Gesetzesstellen nach Konkurseröffnung noch wirksam begrundet werden konnte. Grundsätzlich sollen vor allem Absonderungsrechte, die schon vor dem Konkurs bestanden und durch ihn nicht hinfällig geworden sind, in ihrem funktionellen Gehalt nicht berührt werden (§ 11 KO). Die konkursmäßige Verstrickung hindert nach § 10 Abs. 1 KO aber nur den Erwerb von richterlichen Pfand- und Befriedigungsrechten an Massegegenständen, ferner nach dem Zweck der Verstrickung auch den Erwerb von Pfandrechten durch Verwaltungsvollstreckung, dagegen nicht die Begründung von Pfandrechten kraft Gesetzes (Heller - Berger - Stix, 549; Bartsch - Pollak, Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung[3] I, 292; Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht, 44). Die in SZ 30/27 veröffentlichte Entscheidung betrifft demgegenüber die Entstehung eines anwaltlichen Zurückbehaltungsrechtes gemäß § 19 RAO im Ausgleich. Es stunde allerdings der § 8 AO der Begründung gesetzlicher Pfandrechte auch nicht im Weg (SZ 8/278). Im zuletzt genannten Falle handelte es sich um ein gesetzliches Pfandrecht nach § 72 GebG, dessen Entstehung der Umstand, daß sich der Verpflichtete zur Zeit des Abschlusses des gebührenpflichtigen Geschäftes im Ausgleichsverfahren (mit Anschlußkonkurs) befand, nicht als entgegenstehend beurteilt wurde. Es ist sohin der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes über die Entstehung des gesetzlichen Pfandrechtes im Sinne des § 19a RAO als Absonderungsrecht im Konkursverfahren beizupflichten, das dem Herausgabeanspruch des Masseverwalters zwecks Einbringung der Kostenersatzzahlung in die Konkursmasse entgegensteht.
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