European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00059.23X.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Grundbuchsrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr der Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechts der Erstantragstellerin an Liegenschaftsanteilen der Zweitantragstellerin (teils verbunden mit Wohnungseigentum an Wohnungen und KFZ‑Abstellplätzen). Dieser wurde (unter anderem) auf den Kaufvertrag vom 18. 5. 2022 gestützt. Für die Erstantragstellerin und auch die Zweitantragstellerin hat der Antragstellervertreter, der Geschäftsführer von Verkäuferin und Käuferin ist, diesen grundbuchsfähig gefertigt.
[2] Das Erstgerichtwies das Grundbuchsgesuch wegen eines unzulässigen Insichgeschäfts ab. Da die Gefahr einer Interessenkollision drohe, bedürfe es des urkundlichen Nachweises der Zustimmung des gefährdeten Machtgebers.
[3] Das Rekursgericht bestätigte insoweit die Entscheidung des Erstgerichts. Infolge Doppelvertretung der Erst‑ und Zweitantragstellerin durch den Antragstellervertreter liege ein Insichgeschäft vor. Eine Interessenkollision könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal die Angemessenheit des vereinbarten Kaufpreises im Grundbuchsverfahren nicht beurteilbar sei. Die die Zweitantragstellerin als Machtgeberin belastende Einverleibung des Eigentumsrechts für die Erstantragstellerin wäre nur zu bewilligen, wenn der urkundliche Nachweis der Zustimmung der Minderheitsgesellschafterin der Zweitantragstellerin vorgelegt worden wäre.
Rechtliche Beurteilung
[4] Den Entscheidungsgegenstand bewertete es mit 30.000 EUR übersteigend. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerinnen zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[6] 1. Das Grundbuchsgericht darf nach § 94 Abs 1 Z 2 erster Fall GBG eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn keine begründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der an der Eintragung Beteiligten bestehen. Dazu zählen auch Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht dessen, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen eines Vertragspartners unterfertigt hat (RIS‑Justiz RS0060604 [T16]; 5 Ob 146/17g).
[7] 2. Sowohl die Doppel‑ oder Mehrfachvertretung, wenn also ein Vertreter für zwei (oder mehrere) Vertretene, für die er vertretungsberechtigt ist, ein Geschäft abschließt, als auch das Selbstkontrahieren im engeren Sinn werden nach herrschender Terminologie unter dem Oberbegriff des Insichgeschäfts zusammengefasst (RS0019621). Dass hier ein Fall der Doppelvertretung vorliegt, bezweifeln die Revisionsrekurswerberinnen nicht mehr.
[8] 3. Zur grundbuchsrechtlichen Behandlung von Insichgeschäften hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausführlich Stellung bezogen (5 Ob 179/09y; 5 Ob 39/10m; 5 Ob 146/17g ua). Insichgeschäfte sind nur insoweit zulässig, als keine Interessenkollision droht und der Abschlusswille derart geäußert wird, dass die Erklärung unzweifelhaft feststeht und nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden kann (RS0019684; RS0059793). Das Geschäft muss dem Vertretenen nur Vorteile bringen, es darf keine Gefahr der Schädigung des Vertretenen bestehen, es sei denn, dieser erteilt ausdrücklich seine Zustimmung (vgl RS0038756; RS0028129). Soweit die Gefahr einer Interessenkollision droht, handelt der Machthaber bei Doppelvertretung ebenso wie bei Selbstkontrahieren im engeren Sinn insoweit ohne Vertretungsmacht (RS0060604; 5 Ob 39/10m; 5 Ob 146/17g). Liegt nach äußerem Anschein eine unzulässige Doppelvertretung vor, darf das Grundbuchsgericht eine den Machtgeber belastende Eintragung nur bewilligen, wenn der urkundliche Nachweis seiner Zustimmung vorliegt (RS0060604 [T2]; Weigand in Kodek Grundbuchsrecht2 § 31 GBG Rz 80 f mwN).
[9] 4. Ob dem Grundbuchsgesuch angeschlossene Urkunden im Licht des § 94 Abs 1 Z 3 GBG zu Zweifel Anlass geben, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen könnte, wenn dem Rekursgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RS0060573 [T18]). Vergleichbares gilt für die Frage, ob aus vorliegenden Urkunden iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG begründete Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der an der Eintragung Beteiligten vorliegen, etwa weil bei Doppelvertretung die Gefahr einer Interessenkollision droht. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zeigen die Revisionsrekurswerberinnen nicht auf.
[10] 5. Das Grundbuchsverfahren ist ein reines Urkundenverfahren, in dem in der Regel nur der Grundbuchstand und die vorgelegten Urkunden beachtlich sind (RS0040040 [T1]). Dass das Rekursgericht davon ausging, die Angemessenheit des vereinbarten Kaufpreises könne anhand der Urkundenlage allein nicht beurteilt werden, ist nicht zu beanstanden, zumal die Erklärung im Punkt 10 des Kaufvertrags über die Angemessenheit des Kaufpreises (naturgemäß) ebenfalls im Weg der Mehrfachvertretung zustande kam und es andere urkundliche Belege zur Beurteilung dieser Angemessenheit nicht gibt. Dass es einen nachvollziehbaren und klar formulierten Kaufvertrag mit Finanzierungsgarantie für den Verkäufer und Abdeckung des Restkredits bei der damals finanzierenden Bank gibt, ist richtig; dass der Kaufpreis marktgerecht wäre, lässt sich aus der Urkundenlage aber nicht ableiten. Dass die Vorinstanzen eine allfällige Gefährdung der Interessen der Zweitantragstellerin als Verkäuferin durch die Doppelvertretung nicht ausschließen konnten, ist daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Im Gegensatz zur Auffassung der Revisionsrekurswerberin ist im Grundbuchsverfahren bei Vorliegen eines Insichgeschäfts nicht zu vermuten, dass das Geschäft dem Vertretenen nur Vorteile bringt und keine Gefahr seiner Schädigung besteht. Dass im Grundbuchsverfahren durch die Urkundenlage nachgewiesen sein müsste, dass das Geschäft dem Vertretenen nur Vorteile bringt und keinerlei Gefahr seiner Schädigung besteht, hält sich im Rahmen bereits vorliegender Rechtsprechung. Die Auffassung, dass im Fall, dass eine derartige Gefahr nur nicht ausgeschlossen werden kann, eine grundbuchsfähige Zustimmung des Vertretenen, somit eines weiteren Geschäftsführers oder – wie hier – der weiteren Gesellschafterin der Verkäuferin erforderlich ist, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.
[11] 5. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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